Unter der Sonne geboren, 1. Teil. Walter Brendel

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Unter der Sonne geboren, 1. Teil - Walter Brendel


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durch das Eheleben endlich erwachsen wurde und seine Verantwortung als Herrscher in vollem Umfang wahrnehmen konnte. Darum tat sie alles, um die beiden Ehegatten so häufig wie möglich zu trennen, behandelte sie wie Bruder und Schwester statt wie Mann und Frau und beschränkte ihre Begegnungen auf kurze protokollarische Besuche. Außerdem versäumte sie keine Gelegenheit, die Schwiegertochter in den Augen des Sohnes in ein schlechtes Licht zu rücken, eine Sabotage, die nach ihrer Rückkehr aus dem Exil in Blois systematische Formen annahm: „Die Königinmutter“, schrieb Madame de Motteville, die Gesellschaftsdame Annas von Österreich, „war überzeugt davon, dass sie nur dann absolute Macht über den jungen Prinzen besaß, wenn seine Gemahlin, die Prinzessin, mit ihm nicht im Einklang war, daher bemühte sie sich mit großem Eifer und mit Erfolg, das gegenseitige Unverständnis der Eheleute aufrechtzuerhalten, so dass die Königin, ihre Schwiegertochter, von nun an weder Wertschätzung noch irgendeine Liebenswürdigkeit erfuhr.“

      Was sich in den drei Jahren des ersten Bruchs mit dem Sohn ereignete, bestätigte Maria in ihren Überzeugungen. Während ihrer Abwesenheit erlebte das königliche Paar nämlich einen ersten glücklichen Moment. Obwohl er vom Herzog von Luynes mit Gewalt in das Bett der Gemahlin gezogen werden musste, benahm Ludwig sich am 25. Januar 1619 endlich wie ein Ehemann. Dem venezianischen Botschafter zufolge soll er bei dieser Gelegenheit zu Anna gesagt haben, dass „er ihr ganz angehören würde, dass er niemals eine andere Frau anrühren würde und dass er Kinder mit ihr haben wollte“.

      Ob wahr oder falsch, diese Erklärung wird unterstützt durch die Tatsache, dass sich das Verhalten des Königs gegenüber seiner Frau sichtbar wandelte. Er blieb zwar misstrauisch, rätselhaft und unberechenbar, aber das hinderte ihn nicht daran, höflich, fast galant mit Anna umzugehen und bereitwillig mit ihr an den höfischen Vergnü-gungen teilzunehmen. Doch diesem glücklichen Zustand war keine Dauer beschieden. Wahrscheinlich war Ludwig enttäuscht, dass der ersehnte Thronfolger nicht kommen wollte, und die Erfolge, die seine Frau überall durch ihre Freundlichkeit, ihre Anmut und Umgänglichkeit einheimste, ließen ihn gewiss spüren, wie weit er selbst von solchen Qualitäten entfernt war. Doch der eigentliche Todesstoß für seine Ehe sollte die Versöhnung mit der Mutter sein.

      Kaum an den Hof zurückgekehrt, sorgte Maria de' Medici erneut dafür, dass das Paar getrennt wurde. Als sie dann endgültig ins Exil gehen musste, setzte Richelieu ihre heimtückische Verleumdungskampagne gegen Anna fort. Sich Ludwigs Vertrauen zu erhalten, mit seinen Zweifeln, seinem Misstrauen, seinen charakterlich bedingten Stimmungsschwankungen fertig zu werden, war für Maria wie für Richelieu eine zu schwierige Aufgabe, als dass sie einer Ehefrau hätten erlauben können, die Lage noch komplizierter zu machen. Betrübt unterwarf sich der junge König ihren Forderungen und opferte Anna der Staatsräson. Einmal vertraute er einem Höfling an, die Königin erscheine ihm sehr schön, aber „er wagte es nicht, ihr seine Gefühle zu zeigen, aus Angst, der Königin, seiner Mutter, und dem Kardinal zu missfallen, deren Ratschläge und Dienste er nötiger habe als die Liebe seiner Frau“. Bald sollte auch diese heimliche Zuneigung vollständig verschwinden, an ihre Stelle traten Bitterkeit und Misstrauen.

      Der Name Richelieus ist vielen aus dem Roman „Die drei Musketiere“ von Alexandre Dumas d. Ä. bekannt. Dort ist der Kardinal der finstere Gegenspieler der Helden, der dem englischen Premierminister Buckingham die Liebe Annas von Österreich (der Königin) neidet. Anna begeht den Fehler, dem Herzog von Buckingham bei einem geheimen Stelldichein ein Liebespfand zu geben, ein Kästchen mit 12 Diamantnadeln, das sie selbst als Geschenk vom König erhalten hatte.

      Als Richelieu davon erfährt, lässt er Buckingham zwei dieser Nadeln durch eine Agentin stehlen.

      Dann bewegt er den König dazu, die Königin zu einem Ball zu bitten, wo sie ebendiese Diamantnadeln tragen soll. D’Artagnan muss mit Hilfe seiner Freunde die Nadeln noch vor dem Ball aus England zurückholen, damit Richelieu die Königin nicht öffentlich bloßstellen kann.

      Das Grundthema dieser Handlung, die Diamantnadelnaffäre, findet sich allerdings nicht erst bei Dumas. Schon der Dichter La Rochefoucauld berichtet diese Episode in seinen Memoiren. La Rochefoucauld war sowohl ein enger Vertrauter der Königin und Herausgeber ihrer Memoiren als auch der Geliebte ihrer langjährigen Busenfreundin, der Madame de Chevreuse. Daher ist es durchaus denkbar, dass sich die Affäre tatsächlich zugetragen hat.

      Als Richelieu starb, empfand Ludwig längst nur noch Abneigung gegen seine Frau, wie Madame de Motteville schreibt: „Der Kardinal hatte so gründlich dafür gesorgt, sie in seinen Augen zu diskreditieren, dass er ihr kein einziges zärtliches Gefühl mehr entgegenbringen konnte und es nicht mehr gewohnt war, sie gut zu behandeln.“ Die Memoirenschreiberin verzichtet allerdings darauf, zu erklären, dass das, was beträchtlich zu Ludwigs Abwendung von seiner Frau beitrug, eine immer auffälligere Vorliebe des Königs für junge Epheben war.

      Anlässlich der Erklärung der Volljährigkeit des Dauphin und auf Druck von Heinrich II. von Bourbon, Prince de Condé, dem nächsten Anwärter auf den französischen Thron wurden 1614 (zum letzten Mal vor der Französischen Revolution) die Generalstände einberufen. Der junge König wurde aber trotzdem als „das kindischste Kind“ von der Regierung und dem Rat ferngehalten. Die Generalstände wurden jedoch die erste öffentliche Plattform für Jean Armand du Plessis, den ehrgeizigen Bischof von Luçon, der als Kardinal Richelieu in die Geschichte eingehen sollte.

      Der neue Minister schwenkte auf den nationalen (gallikanischen) Kurs und ging auf Konfrontation mit Habsburg, den Granden und den Hugenotten. Er verantwortete die dynastische Verbindung mit England, ließ päpstliche Truppen aus dem Veltlin vertreiben, unterstützte die protestantischen Gegner der Habsburger im Deutschen Reich und brach die politisch-militärische Macht der Hugenotten durch die Eroberung von La Rochelle (1627–1628).

      Ludwig XIII. und Kardinal Richelieu vor La Rochelle

      Der Kardinal stand damit bald einer immer größeren Front an Gegnern gegenüber, in die sich mit der Zeit auch seine einstmalige Gönnerin Maria de Medici einreihte.

      In den letzten zwölf Jahren seines Lebens erlebte Ludwig XIII., wie unter der gemeinsamen Herrschaft mit Richelieu die Macht Frankreichs und die Macht des Königshauses in Frankreich immer weiter gestärkt wurden. Den Triumph über Kaiser und spanischen König aber bezahlte der tief religiöse König mit schweren Gewissensbissen. Die Knebelung des aufrührerischen Adels wurde mit dem Blut seiner Verwandten, seine Autorität durch die Hinrichtung seines letzten Favoriten, Henri Coiffier de Ruzé, Marquis de Cinq-Mars, erkauft. Durch die Geburt zweier Söhne war der dynastische Fortbestand des Königshauses gesichert. Seine Ehe blieb jedoch unglücklich, und er hegte Zweifel, ob diese Kinder von ihm waren.

      Ludwig XIII. wollte bereits in jungen Jahren als Ludwig der Gerechte (Louis le Juste) in die Geschichte eingehen. Gerechtigkeit allerdings nicht im modernen Sinne von verständnisvoller Milde, sondern im Sinne von patriarchaler Wiederherstellung von Gesetz und Ordnung. Ein verständlicher Wunsch nach jahrzehntelangen Bür-gerkriegen und seinen Erfahrungen mit der nachgiebigen „Scheckbuchdiplomatie“ seiner Mutter und zerstörerischen Partikularinteressen von Hochadel, Hugenotten und den „ultramontanen“ Anhängern von Papst und spanischem König. Ludwig XIII. und sein Minister leisteten wesentliche Schritte auf dem Weg Frankreichs zur kontinentalen Vorherrschaft und zum Absolutismus.

      Das Bild der Person und des Herrschers Ludwig XIII. ist bis heute – trotz guter Quellenlage – stärker durch literarische Fiktion als durch die Geschichtswissenschaft beeinflusst. Das Bild vom schwächlichen, uninteressierten und naiven Trottel, der das Objekt der Manipulation des ebenso genialen wie intriganten Ministers Richelieu war, wurde durch „Die drei Musketiere“ von Alexandre Dumas geprägt und durch zahlreiche Verfilmungen gefestigt.

      Tatsächlich war Ludwig XIII. eine schüchterne Persönlichkeit, die sich in Gesellschaft nicht wohl fühlte und zum Stottern neigte. Gleichwohl besaß er einen starken Willen und die Fähigkeit, entschlossen und (auch gegen die eigenen Gefühle) rücksichtslos zu handeln.

      Er befand sich im ständigen Spannungsfeld zwischen dem eigenen Anspruch an seine Rolle als absoluten Monarch und seinen privaten Neigungen. Von ihm stammt das Zitat: „Ich wäre kein König, leistete ich mir die Empfindungen eines Privatmannes.“

      Dass


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