Auf den Spuren der Energie. Tina Peel
Читать онлайн книгу.auch in uns steigen.
Ich hege zwar manchmal den Verdacht, dass die Frühlingsmüdigkeit auch
am Hüftgold liegen könnte, das sich klammheimlich unter den Winterkleidern, unbeobachtet im Verborgenen, angesammelt hat. Wahrscheinlich frieren die Kilos im Winter und rotten sich zum gegenseitigen Wärmen zusammen. Zieht es uns dann hinaus in Mutter Natur und an die Sonne, fühlen wir mit jedem Schritt, wie schwer der gesammelte Ballast wiegt. Wer‘s nicht glaubt, schleppe doch mal versuchsweise das analoge Gewicht in Tüten mit sich herum. Eben! Das kann ganz schön demotivierend sein, und was demotiviert, macht schlapp.
Falls es doch nicht am Mehrgewicht liegen sollte, könnte es eventuell sogar allein am Gedanken ans Gewicht liegen. So ein: „Ach NEIN, das DARF doch wohl nicht WAHR sein! Meine Waage muss KAPUTT sein!“ wiegt tatsächlich schwer, wie man in Tests herausgefunden hat. Auch das: demotivierend!
Dabei ist es jetzt alles andere als Zeit für schwergewichtige Gedanken.
Tragen wir doch die kurzen Ärmel mit Vergnügen, wenn es wärmer wird, egal ob es überall hängt und drückt und man sich fühlt wie eine zu prall gefüllte Wurst. Stehen wir dazu und stürzen uns ins Vergnügen vermehrter körperlicher Betätigung in freier Natur. Allein schon die veränderte Einstellung fühlt sich sofort leichter an und motivierend, ganz zu schweigen vom angekurbelten Stoffwechsel durch Bewegung und echtem Frischfutter, worauf sich die Hormone wie von selbst von Melatonin auf Serotonin umstellen!
Denn, ob nun so oder so oder alles zusammen, was auch der Grund für die berüchtigte Frühlingsmüdigkeit unter der Widder-Sonne sein mag, wir sind und denken einfach viel zu kompliziert. Und das … demotiviert, richtig!
Werden die Tage nach der Frühlingssonnenwende spürbar länger, steigen die Säfte, angezogen vom (Tages)Licht ganz von selbst. Wenn der Widder loslegt, gibt es kein Halten mehr. Der Natur, wie auch dem Widder, ist es egal, ob es nochmals schneit oder früh warm wird und bleibt. Weder sie noch er kümmern sich um Statistiken und Klimamessungen und passen sich einfach an, vollkommen widerstandslos! DAS ist der springende Punkt. Hauptsache loslegen und austoben. Jetzt heißt es:
Widerstand ist zwecklos
Ja, Widerstand ist nicht nur zwecklos, sondern auf Dauer auch viel zu anstrengend. Er macht müde. Wie gut, dass sich die Zeugungskraft, diese schöpferische Energie des Widders nicht über längere Zeit aufhalten lässt, sie will raus und sich verströmen. Ob man ihr die Türe öffnet oder nicht, ist egal. Sie nimmt einfach Anlauf, senkt den Kopf wie das Tier, das ihr zugeordnet ist, und rammt, was ihr im Weg steht, so lange bis der Widerstand kapituliert.
Angenehm ist das nicht unbedingt, doch wenn die wilde Energie fließen will, wird sie das auch und schert sich keinen Deut darum, ob und was dabei in die Brüche geht. Hauptsache losgelegt und vorwärts gedrängt. Das bedeutet natürlich auch, noch wenn wir unseren Willen zurückbinden, den Widder einsperren, verstecken und unterdrücken, vielleicht aus Angst, als Egoist zu gelten oder vor Streit, also dem Frieden zu liebe, irgendwo manifestiert er sich, ja muss er, es liegt in seiner Natur.
Was wir stattdessen jetzt unter seinem Kommando tun sollten, nicht nur um schmerzhafte Beulen und Dellen zu vermeiden, sondern um überhaupt in Schwung zu kommen, ist, ja zu sagen, ja es laut zu brüllen und loszulegen, egal womit, einfach TUN. Sind die Pferde – und Pfunde – erst mal in Fahrt, ist es leicht, sie in jede gewünschte Richtung zu lenken. Falsche Entscheidungen gibt es nicht, wir können uns jederzeit umentscheiden und unsere Energie umlenken.
Falsch wäre nur, nichts zu tun und hinter dem Ofen sitzen zu bleiben. Und da hilft es doch sehr, wenn uns die über den Winter geschrumpften Kleider – nein, es sind nicht wirklich Wichtel mit Nadel, Faden und Schere am Werk, die sie heimlich enger machen, um uns zu ärgern – in Rage bringen. Oder auch etwas anderes, es muss nicht die Lieblingshose sein, die man nicht mehr zukriegt, aber zur Not tut sie es auch. Hauptsache, es ist etwas, was uns dazu motiviert, etwas zu unternehmen. Und so ein Adrenalinschub hat unbestreitbar eine aktivierende Wirkung.
Wenn alles nichts hilft gegen Antriebslosigkeit und Entscheidungsschwäche, DAS hilft garantiert. Und schon springen wir wie von der Tarantel gestochen hinter dem Ofen hervor und stürzen uns mit Gebrüll auf den Widerstand. Oder sollte es vielleicht besser Widderstand heißen? Kein Widerstand, der dem Widder widerstand, wenn er denn mal losgelassen.
Ob so oder anders, folgen wir doch einfach dem Impuls zur Tat und lassen uns den Fahrtwind um die Nase wehen und die Frisur verwüsten. Spüren wir die erwachte Widder-Energie in jeder Faser unseres Körpers, ist jede Müdigkeit und Abgeschlagenheit wie weggeblasen. Und nun geschieht ein Wunder: Wo Energie investiert wird, entsteht immer wieder neue Energie, der Widder in uns wirkt wie ein Dynamo. Das ist eines seiner Geheimnisse. Plötzlich öffnen sich Türen und neue Welten tun sich auf. Jetzt können wir wählen, welche wir erobern und erforschen wollen. Die Energie in geordnete Bahnen zu lenken, ist dann Sache des Stiers. Jetzt wird erst einmal munter losgeprescht, bringen wir die Energie in Schwung.
Lebensfülle im Mai und der Stier
Die Frühlingsmüdigkeit ist Schnee von gestern. Der Wagen rollt, der Frühling ist in voller Fahrt. Doch, was nützt die ganze überschäumende Energie, die im Widder losgetreten wurde, wenn man sie jetzt nicht kanalisiert? Sie tobt zügellos herum wie ein Stier in den Gassen Pamplonas, zertrampelt womöglich alles, was sich ihr in den Weg stellt, und verpufft ungenutzt. In der Natur wuchert und schießt es ins Kraut. Man betrachte nur mal die einstigen Hochkulturen Südamerikas, die der Urwald verschlang, als keiner mehr da war, um seine Energie zu lenken und Unkraut zu jäten. Das ging ruckzuck.
Deshalb geht es nun unter der Stier-Sonne darum, die aufgebaute Energie an die Kandare zu legen und sie vor unseren Karren zu spannen, um sie nutzbar zu machen. Genau das haben unsere Urahnen getan – im Zeitalter des Stiers natürlich, als sie auf die Idee kamen, den Stier zum Ochs zu machen und Ackerbau und Viehzucht zu betreiben, damit Ochs und Mensch regelmäßig was zum Futtern haben. So konnten die Nomaden, die bisher zwangsläufig den wilden Herden folgen mussten, wenn sie nicht verhungern wollten, sesshaft werden. Und das war der Startschuss zu einer neuen Ära.
Der Anfang der Zivilisation
Über die Zivilisation kann man sagen, was man will, doch es hat unbestreitbar einige Vorteile, wenn man seinem Essen nicht mehr tagtäglich hinterherhetzen muss und dazu auch noch ständig mit Sack und Pack immer wieder umsiedeln. So hatten unsere Urahnen endlich etwas freie Zeit und eine Menge Energie übrig für andere Betätigungen als den ewigen Existenzkampf. Sie konnten einen Teil der Energie in die Produktion von praktischen Werkzeugen lenken, die das Alltagsleben erleichterten, so dass sie weitere Energie für anderes sparen konnten. Während sie darin immer versierter wurden – Übung macht bekanntlich den Meister – begannen sie mit der Zeit, die Werkzeuge zu verzieren. Auch dazu hatten sie nun Zeit und Energie.
Das entzückte sie dermaßen, dass sie sich nun der Erschaffung von Dingen zuwendeten, die keinerlei praktischen Nutzen hatten und einzig und allein dem Zweck dienten, ihre Sinne zu erfreuen. Und das kam nicht von ungefähr. Der Stier in uns liebt solche Dinge, ja er braucht sie sogar, um sich in seiner Haut wohl zu fühlen. Seine Bedürfnisse sind vielfältig und enden nicht beim Dach über dem Kopf, das ihn vor Wind und Wetter schützt, und Essen in der Hand.
Er braucht einen Tisch, Teller, Messer und Gabeln, und einen Ort, wo er solche Gegenstände aufbewahren kann. Ja er braucht sein Revier, genug Raum, in welchem er sich sicher fühlt. Auch dafür kämpft er und wendet Energie auf, um sein Revier zu erhalten und zu verteidigen. Grenzen abstecken und verteidigen ist ebenso ein existenzielles Bedürfnis des Stiers in uns und macht vor diesem Hintergrund Sinn.
Wie groß dieser Raum sein sollte und wie viele Badezimmer er beispielsweise braucht, ist individuell verschieden. Jeder richtet sein Revier nach seinen Bedürfnissen behaglich ein. Das macht den Alltag erst lebens- und liebenswert. Wofür sollte man sich sonst anstrengen und kämpfen, wenn es nichts gibt, wofür es sich zu leben lohnt? Leben ist offensichtlich mehr als nur nacktes Überleben, es besteht aus sehr viel