Jochen Klepper: Der Vater Roman eines Königs. Jochen Klepper

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Jochen Klepper: Der Vater Roman eines Königs - Jochen Klepper


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Gott von Geldern“ überschriebenen Kapitels lässt Klepper den Preußenkönig über seinen Sohn sagen: „Er ist für mich tot. Ich habe nichts mehr mit ihm zu schaffen, als das Gericht über ihn einzusetzen.“ Am Ende dieses Kapitels aber steht ein Gebet.

      Als Gnadengabe Gottes empfängt der König seinen Sohn zurück und sieht in ihm erneut den vorbestimmten Nachfolger.

      Die Versöhnung zwischen Vater und Sohn bahnt sich an, als der Kronprinz in den Oderbruch kommt und überrascht ist, wie weit das Werk des Vaters dort gediehen ist, weil er die besten seiner Beamten dorthin geschickt hat.

      Durch kleine Episoden und Begegnungen wird dem Kronprinzen nach und nach klar, dass sein Vater kein Unhold ist, dass der Vater ihn liebt und ihn auf das schwere Königsamt vorbereiten möchte.

      Die Veränderung beim Kronprinzen liegt in dem Satz, den er dann ausspricht: „Ich hatte bisher nie geglaubt.. dass mein Vater die geringste Regung von Liebe für mich hätte. Nun bin ich davon überzeugt. Kurz, der Teufel selbst muss ins Spiel kommen oder diese Aussöhnung ist ewig.“

      Es dauert allerdings eine geraume Zeit, bis Friedrich in dieser Weise zu seinem Vater findet, aber dann ist mir das Beisammensein der beiden gar zu harmonisch geschildert. In der Realität hat der spätere Friedrich II. sicherlich immer noch einen Stachel im Herzen gegen seinen Vater gehabt. Hören wir noch einmal von Krockow: „Friedrich ist wirklich und lebensbestimmend vom Kampf mit dem Vater geprägt worden. Noch der weltberühmte König und Feldherr wurde in seinen Träumen wieder und wieder von der prägenden Gestalt, vom gespenstischen Über-Ich des Vaters heimgesucht, der Rechenschaft verlangte.“

      Erwähnt werden muss auch, dass der König Emigranten aufgenommen hat für seine menschenarmen Länder im Osten, vor allem die aus dem Salzburgischen vertriebenen Ketzer.

      Litauen wird das neue Kanaan. Auch ihnen, den bedrängten Salzburger Glaubensbrüdern, will der König Fürst und Vater sein. Die Begegnung Friedrich Wilhelms schildert der Autor in einem friedvollen Bild. Der Herrscher fährt den Flüchtlingen entgegen und stimmt das Lied an: „Auf meinen lieben Gott trau ich in Angst und Not.“ – „Der König sang in die Ewigkeit, und einen Augenblick war er, vor allem Volk singend, doch allein vor Gott mit seinem Königslied.“ Zum Schluss heisst es: „Es war alles voller Bibel!“ Später folgten auch noch böhmische Exulanten.

      Klepper bedient sich in seinem Roman einer bilderreichen Sprache. Er dachte in Bildern, das Bildgestalten spielt bei ihm im künstlerischen Schaffen wie im religiösen Erlebnis eine zentrale Rolle im Gegensatz zur kalten gedanklichen Abstraktion. Auch dem König wird alles zum Bilde.

      Warum von den Bildern solche Wirkung auf ihn ausgeht, weiß Klepper wie alle fundamentalen Erscheinungen seines Lebens nur biblisch-theologisch zu erklären: Der Grund der Welt ist dem unmittelbaren Einblick des Menschen verschlossen. Doch durch das Bild kommt er dem Geheimnis näher. Durch die Bildhaftigkeit der Bibel rückt für Klepper alle biblische Verkündigung in die Nähe der bildlich gestaltenden Dichtung und alle Dichtung in die Nähe der biblischen Verkündigung. „..ich bin glücklich, in Bilder auflösen oder umprägen zu dürfen, was als Theorie zu kalt und diffizil wäre.“ (17.10.1933) Auch im Leben und im Denken des Soldatenkönigs spielen Bilder eine große Rolle. Er malt selbst und ist ein Gemäldesammler. Das Ungenügen des Königs reibt sich an der Vorläufigkeit und Unzuverlässigkeit der menschlichen Erkenntnis. Ganz selten ist in seinem Leben das Bild des reinen gegenwärtigen Glücks. Eines der wenigen Beispiele dafür ist seine Begegnung mit den Salzburger Exulanten. („Er stand inmitten...“ S.748)

      Am Ende ist der Rastlose, Taterfüllte, Nimmermüde mit zweiundfünfzig Jahren ein siecher Greis, verbraucht, vom Tode gezeichnet. („Mein Gott, ich sterbe zufrieden…“)

      Hier wird die Parallele zwischen dem alttestamentlichen König David und dem preußischen Monarchen Friedrich Wilhelm I. sehr deutlich. Beide schließen ihr Leben mit dem versöhnten Blick auf den von Gott bestimmten, würdigen und gesetzten Nachfolger. Darin besteht die Erfüllung ihres Regentendaseins.

      Es besteht aber auch eine Parallele zwischen Salomo und Friedrich; beide gewannen den Glanz ihrer Herrschaft auf dem Grund, den die Väter geschaffen hatten.

      Mit Vorliebe hat Klepper in die verschiedensten Partien des Vater-Romans Spiegel und Spiegelmotive verwoben. Durch Spiegel wie durch Bilder lässt sich die Wirklichkeit nicht nur vermehren, sondern auch ergründen.

      Der Spiegel erscheint im ‚Vater’ vor allem als Sinnbild der Selbstbetrachtung eines Menschen, und zwar im doppelten Sinne der Selbsttäuschung und der Selbsterkenntnis. (S. 919, hier deutlicher Bezug zu 1. Korinther 13,12. Der König spricht die Worte aus der Bibel als wären es die eigenen.)

      Sterbestunde. Lied von Paul Gerhardt, nicht ohne Humor, während der Choral singt, „...nackend wird’ ich auch hinziehen“, schlägt der Sterbende noch einmal die Augen auf und sagt: „Nein, das stimmt nicht... das ist nicht wahr. Ich werde in meiner Montur begraben.“

      „Durch alle Qualen geht der Vater in den Frieden des Erlösten ein. „Gottes Vaterhände lagen über seinem Haupte.“ Wilhelm Kahle fügt in seiner sehr religiös (katholisch) ausgerichteten Literaturgeschichte der „Deutschen Dichtung“ hinzu: „Gott hämmert ein Herz, das ist der Sinn dieses religiösen Romans, der Geschichte als Feld göttlichen Wirkens sieht.“

      * * *

       Religiöse Fundierung

      Kleppers Roman vom Soldatenkönig ist zweifellos eines der bedeutenden Zeugnisse sogenannter christlicher Literatur aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dem Autor ging hier es um eine Darstellung des irdischen Geschehens im Hinblick auf die göttliche Ordnung. (Für oberflächliche Betrachter trägt der Roman nur ein historisch konkretes Gepräge. Er ist aber ein religiöser Roman, auch wenn sich Klepper eng an die historische Realität gehalten hat.) Der Schriftsteller wollte seinen Roman literarisch und theologisch gewertet wissen. Klepper hat das Bemühen des Königs, die Herrschaft auf dem Boden der Frömmigkeit zu begründen und auf Gott zu bauen, immer wieder ganz klar herausgestellt.

      Wie in seinem Tagebuch setzt der Schriftsteller, der in der Geschichte den Weg ins Gericht Gottes zu erkennen glaubte, auch in dem streng komponierten Roman über jedes Kapitel ein Bibelwort. Er will, wie er selbst bekennt, „Dichtung als Bibelexegese“ und lässt sein Dichten mit allem, was dazugehört, auch mit der Bilder schaffenden Fantasie, vom Wort Gottes ausgehen.

      Klepper dichtet mit dem Wortschatz und dem Sprachgut der Bibel und versteht sich in seinem Sein als Dichter als Knecht des göttlichen Wortes. Er hat sich mithin in den Dienst des göttlichen Wortes gestellt.

      Hat man sein Tagebuch gelesen, wird man auch aufmerksamer für bestimmte Bruchstellen seiner eigenen Konfessionen, die der Dichter in seinen Vater-Roman behutsam, wenn auch spärlich eingearbeitet hat. Kleppers Bruder Erhard entdeckte, als er den Roman las, eine Ähnlichkeit zwischen ihrer Mutter und der Königin Sophie Dorothea. Klepper griff natürlich auch bei der Gestaltung des Vaters auf eigene Leiderfahrungen zurück.

      Indem er diesem Schicksal nachspürt, der Tragödie des von den Seinen unverstandenen Vaters, der sich leidend und büßend Gott unterwirft, sublimiert Klepper besondere Erfahrungen seines eigenen Lebens: die Trauer um den Vater, den er nicht zu lieben vermochte und der nun fern von ihm dahinsiecht. Klepper hat hier zweifellos sein eigenes Kindheitstrauma vom gefürchteten Vater zu bewältigen versucht.

      Am 9. August 1935 notiert Klepper in sein Tagebuch: „...die Last des Buches drückt mich sehr, und die Liebe zu Friedrich Wilhelm kann nichts daran ändern.“ (Eine nachgetragene Liebe zum eigenen Vater à la Peter Härtling?)

      1934 schreibt Jochen Klepper in sein Tagebuch kurz vor dem Tod des Vaters: „Vater und ich sind uns ja eine der schwersten Prüfungen gewesen, die Gott uns auferlegt hat, und was Sünde und Gnade, Führung Gottes ist, haben wir in großen Erregungen und Leiden aneinander erfahren. Es ist das einzige Mal, dass ich im Leben die Bitte des Vaterunsers ganz begriffen habe, im jahrelangen Prozess: „Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern.“

      Zudem sind in manchen Gedanken und Überlegungen des Königs auch die ganz persönlichen


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