Messalina. Alfred Schirokauer

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Messalina - Alfred Schirokauer


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indem du dich auf den Lektikus stellst. Es soll ein jeder hier im Kreise sehen, wem meine Worte gelten.«

      Sehr geschmeichelt, ahnungslos, kam Domina Pyrrha dieser Aufforderung nach. Ihr angenehmes, doch schon verblühtes Gesicht errötete vor Freude unter dem blond gefärbten Haar.

      Der Kaiser hatte mittlerweile einem Sklaven etwas zugeflüstert. Gleich darauf nahm eine junge griechische Harfenspielerin inmitten des Raumes Aufstellung. Sie griff ein paar Akkorde und begleitete sodann die Rezitation Caligulas mit den vibrierenden Klängen ihres Instrumentes.

      Feierliche Stille herrschte an allen Triklinien, als der Cäsar nach dem Präludium ein Gedicht sprach:

      »Pyrrha, dich flickt dein Putztisch aus hundert Lügen zusammen.

       Während in Rom du lebst, rötet dein Haar sich am Rhein.

       Wie dein seidenes Kleid, bewahrst du zur Nachtzeit den Zahn auf,

       und zwei Drittel von dir liegen im Kasten verpackt.

       Wangen und Augenbrauen, die jetzt deine Freude bezeugen,

       malte der Sklavin Kunst, die dich zum Mahl heut geschmückt.

       Niemals mehr kann dein Mann zu dir sagen: ›O Pyrrha, ich lieb' dich!‹

       Denn was er liebt, bist nicht du, und was du bist, liebt er nicht.«

      Die Wände hallten wider von dem gefügigen, schallenden Gelächter der Gäste über diese boshafte Frechheit, während Domina Pyrrha in glühender Beschämung schleunigst ihren Platz auf dem Lektikus wieder einnahm. Sie hatte aus dem Saale flüchten wollen, doch ein zwingender Blick des Gatten bannte sie auf das Sofa. Dann sah der Senator Sertorius hinüber zu dem Tribun Cassius Chärea. Die beiden Männer verstanden einander. Wieder war ein Einschnitt mehr auf dem schon übervollen Kerbholz, das die Schuld des täglich unverschämter werdenden Cäsars markierte.

      Auch Valeria Messalina war auf das tiefste empört über die öffentliche Verspottung der würdigen Domina Pyrrha. Sie sprang empor, Zorn in den Augen. Alle blickten überrascht auf das kühne, junge Geschöpf. Doch ehe sie Worte fand, rief Caligula ihr spöttisch zu: »Das Mahl ist noch nicht zu Ende, Valeria Messalina. Gedulde dich noch etwas!«

      Verwirrt ließ sie sich auf das Lager zurückfallen.

      Ein Geflüster strich über die Ruhelager dahin, ein Raunen der Verwunderung. Man kannte die Vorgeschichte der Einladung Valeria Messalinas, wie man jeden Klatsch sofort in allen Quartieren Roms kannte. Weshalb hatte der Kaiser bisher keine Notiz genommen von der Anwesenheit eines erzwungenen Gastes? Was hatte das zu bedeuten? Und weshalb war er so unbegreiflich nachsichtig gegenüber dem Freimut dieser kecken, jungen Schönheit?

      »Wir werden trotz allem morgen ein äußerst pikantes Histörchen erzählen können,« flüsterte Mucius seiner Freundin Tullia zu.

      »Hoffentlich!« gab sie zurück, indem sie verlegen ihre Haare betastete, die sie gleich der Domina Pyrrha mit einem aus Germanien stammenden Schönheitsmittel vom Schwarz zum Hochblond umzufärben pflegte. »Hoffentlich,« wiederholte sie leicht gereizt. »Bis jetzt war alles sehr langweilig.«

      Der Struktor unterbrach das kurze Zwiegespräch, indem er den nächsten Gang der Speisenfolge laut verkündete: süßen Falerner Wein als Getränk, der brennend aufgetragen wurde – ein Ragout aus Vogelhirnen und Vogelzungen – als Zuspeise kleine Knuspereien, die aus einem Gemisch von Weizenmehl, feingemahlenem Anis, Kümmel und Käse auf jungen Lorbeerblättchen gebacken waren. Der Struktor bezeichnete sie als Mustacea.

      Caligula verschmähte dieses Gericht. Er sah seinen schmausenden und zechenden Gästen zu und spielte mit einer in Alpenschnee gekälteten Kristallkugel, die den Zweck hatte, die Hände zu kühlen. Nur ganz verstohlen blickte er dabei zu Valeria Messalina hinüber und beobachtete, wie sie mit verständnisvollem Genießen sich das ihr unbekannte Ragout munden ließ und dem angezündeten Falerner gerecht zu werden suchte.

      Plötzlich wandte er sich an den Freigelassenen Callistus zu seiner Rechten mit der Frage: »Kannst du Träume deuten?«

      »Es käme auf den Versuch an,« meinte Callistus heiter und reinigte rasch die vom Schmause fettigen Finger an der Mappa. Dann warf er die Serviette einem Sklaven zu, der sofort eine frische Mappa zurückgab.

      Caligula fuhr fort:

      »Es wäre wohl auch entscheidend, ob ich nur einen Traum träumte oder ob nicht vielmehr ein Gesicht mich heimsuchte.«

      Er sah finster brütend vor sich hin und atmete schwer. Dann fragte er jäh und heftig: »Was meinst du – könnte das Meer ein Weib bedeuten?«

      Callistus dachte einen Augenblick nach. »Wie man's nimmt,« sagte er klug und vorsichtig, um keinesfalls dem Traume des Kaisers eine üble Ausdeutung zu geben. »Das Meer ist wie das Weib, wechselvoll und veränderlich, voller Launen und Tücken und voller bestrickender Lieblichkeit.«

      »Sehr gut,« lobte der Imperator. »Sprich weiter, Callistus.«

      Gefällig kam der Freigelassene diesem Wunsche nach: »Träumte ich von einem Bade im Meer, so würde ich dem Traume die Vorbedeutung einer Liebesszene geben. Denn was schmiegt sich lieblicher, lauer und kosender, dem Meerwasser vollkommen gleich, an uns, als die Glieder einer wonnezitternden Frau?«

      »Auch das ist gut,« nickte Caligula befriedigt.

      Wiederum hafteten seine Augen auf Valeria Messalina. Einen Augenblick schien es, als wolle er das Mädchen an seinen Lektikus rufen, um – wie er das bei Gastmahlen bisweilen mit anwesenden Frauen tat – ihre Reize öffentlich zu prüfen. Doch offenbar besann er sich eines besseren.

      »Es war aber keineswegs ein Traum,« erklärte er plötzlich und ließ den goldenen Apfel in die Klingschale rollen, um Stille zu erzwingen, so daß seine Worte nicht in den allgemeinen Gesprächen verlorengingen.

      »Wüßte ich, wie gut andere Menschen schlafen,« hob er laut an, »wüßte ich, wen von euch ich um einen ungestörten Schlaf zu beneiden habe, das Mahl würde euch wahrscheinlich versalzen, der süße Falerner sauer werden. Denn wem mein Neid gilt, dem gilt mein Haß, und wem mein Haß gilt, der gleicht dem zum Tode geschmückten Opfertiere, über das der Oberpriester schon das zweischneidige Messer am Elfenbeingriffe schwingt. Ich muß lachen, wenn ich euch so friedlich-fröhlich fressen sehe, als schlafe alle Gefahr, die für euch in meinem Willen lauert, um auf einen Wink von mir an die Kehlen zu springen, die jetzt meinen Wein schlucken und meine Speisen schlingen.«

      »Wir wissen von deinen schlaflosen Nächten, Herr, und wir enthalten uns gar manche Nacht des Schlafes, um nichts vor dir vorauszuhaben,« rief ein Schmeichler dem Kaiser zu.

      Ein Blick der Verachtung aus den grünlichen Augen des Cäsars streifte den Übergefälligen.

      »Wirklich?« fragte Caligula in gespielter Freude. »Wenn du solch ein Getreuer bist, so werde ich mich gern von deiner Liebe zu mir überzeugen,« kündigte er an. »Mein Vertrauter Callistus wird dir zwei Sklaven zur Verfügung stellen, die eine Dekade lang darüber wachen sollen, daß du weder bei Tage noch bei Nacht ein Auge schließest.«

      Eine Lachsalve schwoll auf, als hätte Caligula einen kostbaren Witz zum besten gegeben. Der Schmeichler erbleichte.

      Dann erzählte der Cäsar:

      »Callistus versuchte mir ein Traumgesicht vom Meere zu deuten. Was ich aber erlebte, was mich in dieser Nacht vom Lager scheuchte und durch alle Räume des Palastes hetzte, das war kein liebliches Traumgesicht, war überhaupt nicht nur ein Traum, sondern war Körperlichkeit. – Ihr wißt, daß ich den Meeresarm zwischen Bajä und Puteoli überbrücken ließ, ebenso wie ich weiß, daß von Dummköpfen behauptet wird, ich wäre so töricht gewesen, das Beispiel des Xerxes nachahmen zu wollen.«

      »Das kann allerdings nur ein Dummkopf behaupten,« warf Callistus ein. »Denn was ist der Versuch des Xerxes, den armseligen Hellespont zu überbrücken, gegen dein Riesenwerk!«

      »Meine Absicht hatte ganz andere Bedeutung,« bestätigte Caligula nach einem dankenden Kopfneigen.


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