Extropia. Thomas Ahrendt
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Einleitung
„Religion ist eine entropische Kraft, die unserer posthumanen Zukunft entgegensteht. Gottesdienst, Glaubensartikel, das alles will die Menschen an ihre eigene Blindheit binden. Statt Kraft in sich selbst zu finden, sollen sie auf Rettung durch höhere Mächte hoffen.“
„Die Zeit der Menschheit ist fast abgelaufen, nicht weil wir uns selbst zerstören, sondern weil wir unsere Menschlichkeit überschreiten werden. Wir werden zu transhumanen Personen, während wir ins posthumane Zeitalter eintreten, indem die menschlichen Grenzen überwunden werden.“
„Es ist die Entropie, die unsere Autos kaputt gehen, unsere Computer durchschmoren, unser Fleisch verfallen lässt. Entropie ist der Erzfeind menschlicher Hoffnung!“
Max More
Was ist Extropie? Extropie ist als Gegenteil der Entropie im übertragenen Sinn ein Maßstab für Intelligenz, Information, Vitalität, Erfahrung, Diversität, Möglichkeiten und Wachstum. Extropie (auch Negentropie oder Syntropie genannt) ist eine Form des Transhumanismus. Extropianer sind größtenteils Naturwissenschaftler und Computerexperten (u.a. Marvin Minsky, Ralph Merkle, Eric Drexler, Kevin Kelly, Bart Kosko und Gregory Stock). Ihre wichtigsten Werte bzw. Ziele sind:
- grenzenlose Expansion:
Das Suchen nach mehr Intelligenz, Wissen und Effektivität, ein unendliches Leben und die Entfernung von politischen, kulturellen, biologischen und psychologischen Begrenzungen zur Selbstaktualisierung und Selbstrealisation
- Selbstveränderung
Das Bejahen von beständiger Moral, Intellekt und physische Selbstverbesserung durch Argumentieren und kritischem Denken, persönlicher Verantwortung und Experimentieren.
- dynamischer Optimismus
Taten mit positiver Erwartung füllen. Übernehmen eines rationalen, tatbasierten Optimismus, das Meiden von blindem Vertrauen und stagnierendem Pessimismus
- intelligente Technik
Das kreative Anwenden von Wissenschaft und Technologie um unsere "natürlichen" Beschränkungen, auferlegt von unserer biologischen Herkunft, Kultur und Umgebung zu überwinden.
- spontane Ordnung:
Unterstützung von dezentralen, freiwilligen sozialen Koordinationsprozessen. Fördern von Toleranz, Vielfalt, langfristigem Denken, persönlicher Verantwortung und individueller Freiheit.
Die „Extropianischen Prinzipien“ fordern zum Kampf gegen die Entropie auf, zum Kampf gegen das Abfallen der Energiedifferenzen, gegen den Hitzetod, der dem zweiten thermodynamischen Gesetz zufolge alle geschlossenen Systeme früher oder später ereilt. Doch wenn die Erde, das Sonnensystem, die Galaxis und vielleicht sogar das Universum offene Systeme darstellen, dann gilt das das zweite Gesetz der Thermodynamik nicht unbedingt und Leben muss nicht in Entropie enden. Es könnte ein Prozess sich ausweitender Energie sein, eben die Verwirklichung von Extropie. Um dies zu erreichen, wird sich der extropianische Transhumanismus auch der Weltraumtechnik bedienen müssen, denn sie bietet die technologischen Mittel, um Weltraumenergien anzuzapfen: Sterne, Kernenergie, Antimaterie-Energie Energien der Quasare und Schwarzen Löcher usw. Und schließlich, um die Metagalaxis in Computronium umzuwandeln. Extropia vermittelt im Zusammenhang mit der Raumfahrt die Erkenntnis, dass das Leben, das in unserem Sonnensystem im Verlauf von Milliarden Jahren entstanden ist, nicht notwendigerweise mit seinen »Schöpfern« und »Heimstätten« (Sonne und Planet Erde) untergehen muss, sondern »hinübergerettet« werden kann – in außer- bzw. überirdische Existenzräume. Ein Weg des Entkommens bietet die RAUMFAHRT. Einen anderen, der aber in dieselbe Richtung führt, hält „Extropia“ bereit. Eben ein solches Ziel und Ideal, ein neues System der Werteordnungen überhaupt, bietet kommenden Generationen die vornehme und stets begeisterungsträchtige Aufgabe, Leben und Kultur in andere Welten zu tragen – sei es mit den Mitteln der RAUMFAHRT oder den der Transhumanisten; beide setzen wissenschaftlich-technische Ansätze voraus. Zunächst, um zu zeigen, dass solches überhaupt möglich ist. Dann aber auch, um unser Wissen zu bereichern, um unser Unwissen aus den »astronomischen Zahlen« zu verbannen. Und schließlich, um die »Hinüberrettung« der menschlichen Kultur möglich zu machen und zu vollziehen. Die Menschheit wird sich dieses Auftrags nicht entziehen, da er einem echten und immerwährenden menschlichen Kulturbedürfnis entspricht, seine Ausführung eine kulturelle Dynamik bedeutet, die Jahrtausende und Jahrmillionen unaufhaltsam fortwirken wird.
Die Motivation zum Aufbruch in andere Welten ließe sich daher so zusammenfassen: Die Menschheit wagt und schafft auch diesen kulturellen Evolutionssprung, weil es gilt
1. das Verhältnis zwischen Wissen und Unwissen zu unseren Gunsten umzukehren;
2. neue und immerwährende Ideale und Werte zu stiften;
3. dem menschlichen Kulturbedürfnis, dem Bedürfnis nach transutilitären Werten zu
entsprechen
4. die logische und gesetzmäßige Fortsetzung der technisch-wissenschaftlichen Revolution und deren Umsetzung im Ökonomischen und Sozialen zu betreiben
5. die Ausweitung des menschlichen Lebensraums und der »Umzug« in andere Welten (um zu überleben)
Am menschlichen Erkenntnishorizont hat sich bisher noch nie eine so gewaltige Aufgabe für den Menschen abgezeichnet wie diese letzte Konsequenz des extropianischen Raumzeitalters: „Leben überall dorthin zutragen, wo es bestehen und weiter gedeihen kann“, die menschliche Kultur in die (relative) Unendlichkeit und Unzeitlichkeit des Weltalls hinüberzuretten. Das zu wissen und zu verinnerlichen, macht unsere kulturelle Umwelt spannender und geistreicher – hoffentlich auch fruchtbarer und sinnvoller! Die Ideen und Instrumente für „Extropia“ stehen zur Verfügung. Und die Menschen werden den Sprung aus der irdischen Ökosphäre in den Ökokosmos (zunächst auf unser eigenes Sonnensystem beschränkt) meistern. Sie werden ihre menschlich-irdischen Entwicklungsgrenzen aufheben, indem sie einerseits neue Ökosysteme außerhalb der Erde schaffen und die alten auf der Erde umweltfreundlicher gestalten und andererseits künstliches Leben erschaffen und mit ihm verschmelzen. Dies ermöglichen
• praktisch unerschöpfliche Energiequellen,
• die Erschließung neuer Rohstoffressourcen,
• die Erschaffung zusätzlicher, umweltneutraler Produktionsräume,
• zusätzliche ökologische Regelkreise,
• zahlreiche und mannigfaltige Umweltleistungen aus dem All,
• die Möglichkeit, einen Teil der verlorengehenden Sonnenenergie für spätere Bedürfnisse zu speichern und damit
• in den Energie- und Materiehaushalt des Sonnensystems, der Galaxis und Metagalaxis einzugreifen (Stichwort: Negentropie).
Die Entwicklung von der Ökosphäre zum Ökokosmos wird sicher auch großen Einfluss nehmen auf die sozialen, kulturellen, geistigen und sittlichen Bereiche des Menschseins und, da das gesellschaftliche Sein menschliches Bewusstsein bestimmt, nicht zuletzt auch auf das soziale und moralische Bewusstsein der Menschen. Die Erzeugung von Negentropie selbst ist mit terrestrischen Techniken kaum möglich; jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang. Dagegen sind die weltraumtechnischen Verfahren dafür wie geschaffen: Sie können die Energieentwertung auf der Erde verlangsamen helfen und – was eine typische Weltraumleistung darstellt – negative Entropie erzeugen. Das größte Potential liegt dabei in der Speicherung von Sonnenenergie in Form von Antimaterie. Ihre Herstellung ist in allen energiedichten Sonnenräumen möglich. Von großer Bedeutung sind auch die Negentropieverfahren, die uns die Lichtspiegeltechnik erlaubt. Man denke in diesem Zusammenhang an die Fotosyntheseproduktion, die Energieproduktion, an Nachtbeleuchtung und Umwelt, an Klima und Wetter und an alle anderen nachhaltigen Wirkungen, die damit erzielt werden können. Weltraumtechnik bedeutet daher