Charles Darwin: Die Vögel und die geschlechtliche Zuchtwahl. Carles Darwin

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Charles Darwin: Die Vögel und die geschlechtliche Zuchtwahl - Carles Darwin


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den letzteren zur Brut bereit sein werden; und das ist auch die Meinung von Mr. Jenner Weir, welcher viele Jahre hindurch die Lebensweise der Vögel aufmerksam beobachtet hat. Auch darüber kann kein Zweifel bestehen, dass die kräftigsten, am besten genährten und am frühesten brütenden Weibchen im Mittel es erreichen werden, die größte Zahl tüchtiger Nachkommen aufzuziehen. [Das Folgende ist ein ausgezeichnetes, von einem erfahrenen Ornithologen erwähntes Zeugnis von dem Charakter der Nachkommen. Mr. J. A. Allen spricht (Mammals and Winter Birds of East Florida, p. 229) von den späteren Bruten nach der zufälligen Zerstörung der ersten, und sagt, dass man diese „kleiner und blasser gefärbt finde, als die zeitiger in der Saison ausgebrüteten. In Fällen, wo mehrere Bruten in jedem Jahre erzogen werden, sind der allgemeinen Regel zufolge die Vögel der früheren Bruten in jeder Beziehung die vollkommensten und kräftigsten“.] Wie wir gesehen haben, sind allgemein die Männchen schon vor den Weibchen zum Fortpflanzungsgeschäft bereit; von den Männchen treiben nun die stärksten und bei einigen Spezies die am besten bewaffneten die schwächeren Männchen fort, und die ersteren werden sich dann mit den kräftigeren und am besten genährten Weibchen verbinden, da diese die ersten sind, welche zur Brut bereit sind. [Hermann Müller ist in Bezug auf diejenigen weiblichen Bienen, welche zuerst in jedem Jahre ausschlüpfen, zu demselben Schluss gelangt, s. seinen bemerkenswerten Aufsatz: „Anwendung der Darwin'schen Lehre auf Bienen“, in: Verhandl. d. naturhist. Ver. der preuß. Rheinl. XXIX. Jahrg., 1872, p. 45.] Derartige kräftige Paare werden sicher eine größere Zahl von Nachkommen aufziehen, als die zurückgebliebenen Weibchen, welche unter der Voraussetzung, dass die Geschlechter numerisch gleich sind, gezwungen werden, sich mit den besiegten und weniger kräftigen Männchen zu paaren; und hier findet sich denn alles, was nötig ist, um im Verlauf aufeinanderfolgender Generationen die Größe, Stärke und den Mut der Männchen zu erhöhen oder ihre Waffen zu verbessern.

      Aber in einer großen Menge von Fällen gelangen die Männchen, welche andere Männchen besiegen, nicht unabhängig von einer Wahl seitens der Weibchen in den Besitz derselben. Die Bewerbung der Tiere ist durchaus keine so einfache und kurz abgemachte Angelegenheit, wie man wohl denken möchte. Die Weibchen werden durch die geschmückteren oder die sich als die besten Sänger zeigenden oder die am besten gesticulierenden Männchen am meisten angeregt oder ziehen vor, sich mit solchen zu paaren. Es ist aber offenbar wahrscheinlich, wie es auch in manchen Fällen faktisch beobachtet worden ist, dass diese Männchen in derselben Weise es auch vorziehen werden, sich mit den kräftigeren und lebendigeren Weibchen zu begatten. [Ich habe Mitteilungen in diesem Sinne in Bezug auf die Hühner erhalten, welche ich später noch erwähnen werde. Selbst bei solchen Vögeln, welche sich, wie der Tauber, für ihre Lebenszeit paaren, verlässt, wie ich von Mr. Jenner Weir höre, das Weibchen seinen Genossen, wenn er krank oder schwach wird.] Es werden daher die kräftigeren Weibchen, welche zuerst zum Brutgeschäft kommen, die Auswahl unter vielen Männchen haben; und wenn sie auch nicht immer die stärksten und am besten bewaffneten wählen werden, so werden sie sich doch diejenigen aussuchen, welche überhaupt kräftig und gut bewaffnet sind und in manchen anderen Beziehungen am meisten Anziehungskraft ausüben. Beide Geschlechter solcher zeitigen Paare werden daher beim Aufziehen von Nachkommen, wie oben auseinandergesetzt wurde, einen Vorteil über andere haben; und dies hat offenbar während eines langen Verlaufes aufeinander folgender Generationen hingereicht, nicht bloß die Stärke und das Kampfvermögen der Männchen zu erhöhen, sondern auch ihre verschiedenen Zieraten und andere Punkte der Anziehung reicher entwickeln zu lassen.

       In dem umgekehrten und viel selteneren Fall, wo die Männchen besondere Weibchen auswählen, ist es klar, dass diejenigen, welche die kräftigsten sind und andere besiegt haben, die freieste Wahl haben; und es ist beinahe gewiss, dass sie ebensowohl kräftigere als mit gewissen Anziehungsreizen versehene Weibchen sich wählen werden. Derartige Paare werden bei der Erziehung von Nachkommen einen Vorteil haben, und dies wird noch besonders dann der Fall sein, wenn das Männchen die Kraft besitzt, das Weibchen während der Paarungszeit zu verteidigen, wie es bei einigen der höheren Tiere vorkommt, oder wenn es das Weibchen bei der Sorge um das Junge unterstützt. Dieselben Grundsätze werden gelten, wenn beide Geschlechter gegenseitig gewisse Individuen des anderen Geschlechts vorzogen und auswählten, unter der Voraussetzung allerdings, dass sie nicht bloß die mit größeren Reizen versehenen, sondern gleichzeitig auch die kräftigeren Individuen auswählten.

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      Numerisches Verhältnis der beiden Geschlechter. – Ich habe oben bemerkt, dass geschlechtliche Zuchtwahl eine einfache Angelegenheit wäre, wenn die Männchen den Weibchen an Zahl beträchtlich überlegen wären. Ich wurde hierdurch veranlasst, soweit ich es tun konnte, die proportionalen Zahlen beider Geschlechter bei so vielen Tieren wie nur möglich zu untersuchen; doch sind die Materialien nur dürftig. Ich will hier nur einen kurzen Abriss der Resultate geben und die Einzelheiten für eine anhangsweise Erörterung aufbewahren, um hier den Gang meiner Beweisführung nicht zu unterbrechen. Nur domestizierte Tiere bieten die Gelegenheit dar, die proportionalen Zahlen bei der Geburt festzustellen; es sind aber speziell für diesen Zweck keine Berichte abgefasst oder Listen etc. geführt worden. Indessen habe ich auf indirektem Wege eine beträchtliche Menge statistischer Angaben gesammelt, aus denen hervorgeht, dass bei den meisten unserer domestizierten Tiere die Geschlechter bei der Geburt nahezu gleich sind. So sind von Rennpferden während einundzwanzig Jahren 25.560 Geburten registriert worden, und die männlichen Geburten standen zu den weiblichen in dem Verhältnisse von 99,7:100. Bei Windspielen ist die Ungleichheit größer als bei irgendeinem anderen Tiere, denn während zwölf Jahren verhielten sich unter 6.878 Geburten die männlichen Geburten zu den weiblichen wie 110,1:100. Es ist indess in einem gewissen Grade zweifelhaft, ob man mit Sicherheit schließen darf, dass dieselben proportionalen Zahlen ebenso unter natürlichen Verhältnissen wie im Zustande der Domestikation auftreten würden; denn unbedeutende und unbekannte Verschiedenheiten in den Lebensbedingungen affizieren in einer gewissen Ausdehnung das Verhältnis der beiden Geschlechter zu einander. So verhalten sich in Bezug auf den Menschen die männlichen Geburten in England wie 104,5, in Russland wie 108,9 und bei den Juden in Livland wie 120 zu 100 weiblichen Geburten. Ich werde aber auf diesen merkwürdigen Punkt, den Excess männlicher Geburten, im Anhange zu diesem Kapitel zurückkommen. Am Kap der guten Hoffnung wurden indessen während mehrerer Jahre männliche Kinder europäischer Herkunft im Verhältnis von zwischen 90 und 99 zu 100 weiblichen geboren.

       Für unseren gegenwärtigen Zweck haben wir es hier mit dem Verhältnisse der beiden Geschlechter nicht zur Zeit der Geburt, sondern zur Zeit der Reife zu tun, und dies bringt noch ein anderes Element des Zweifels mit sich. Denn es ist eine sicher bestätigte Tatsache, dass bei dem Menschen eine beträchtlich bedeutendere Zahl der männlichen Kinder vor oder während der Geburt und während der ersten wenigen Jahre der Kindheit stirbt als der weiblichen. Dasselbe ist fast sicher mit den männlichen Lämmern der Fall und dasselbe dürfte wahrscheinlich auch für die Männchen einiger anderen Tiere gelten. Die Männchen mancher Tiere töten einander in Kämpfen oder sie treiben einander herum, bis sie bedeutend abgemagert sind. Sie müssen auch, während sie im eifrigen Suchen nach Weibchen umherwandern, oft verschiedenen Gefahren ausgesetzt sein. Bei vielen Arten von Fischen sind die Männchen viel kleiner als die Weibchen und man glaubt, dass sie oft von den letzteren oder von anderen Fischen verschlungen werden. Bei manchen Vögeln scheint es, als ob die Weibchen zeitiger stürben als die Männchen; auch sind sie einer Zerstörung, während sie auf dem Nest sitzen oder während sie sich um ihre Jungen mühen, sehr ausgesetzt. Bei Insekten sind die weiblichen Larven oft größer als die männlichen und dürften infolgedessen wohl häufiger von anderen Tieren gefressen werden. In manchen Fällen sind die reifen Weibchen weniger lebendig und weniger schnell in ihren Bewegungen als die Männchen und werden daher nicht so gut imstande sein, den Gefahren zu entrinnen. Bei den Tieren im Naturzustand müssen wir uns daher, um uns über die Verhältnisse der Geschlechter im Reifezustand ein Urteil zu bilden, auf bloße Schätzung verlassen, und diese ist, vielleicht mit Ausnahme der Fälle, wo die Ungleichheit stark markiert ist, nur wenig zuverlässig. Soweit sich aber ein Urteil bilden lässt, können wir nichtsdestoweniger aus den im Anhange gegebenen Tatsachen schließen, dass die Männchen einiger weniger Säugetiere, vieler Vögel und einiger Fische und Insekten die Weibchen an Zahl beträchtlich übertreffen.

       Das Verhältnis zwischen den Geschlechtern fluktuiert unbedeutend während aufeinanderfolgender Jahre. So variierte bei


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