Der Pfadfinder. James Fenimore Cooper

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Der Pfadfinder - James Fenimore Cooper


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wie man sie in diesen Gegenden nennt, andere haben Fälle. Unter die letzteren gehörte der Fluß, auf welchem unsere Abenteurer ihre Reise fortsetzten. Der Oswego wird von dem Oneida und dem Onondago, welche beide von Seen herkommen, gebildet, und fließt etwa acht oder zehn Meilen durch ein wellenförmiges Land, bis er den Rand einer Art natürlicher Terrasse erreicht, von dem aus er zehn bis fünfzehn Fuß tief in eine andere Ebene hinabstürzt und durch dieselbe in der stillen und ruhigen Weise eines tiefen Gewässers hingleitet, bis er seinen Zoll an den weiten Behälter des Ontario entrichtet. Der Kahn, in welchem Cap und seine Gesellschaft vom Fort Stanwix, der letzten militärischen Station an dem Mohawk, hergekommen war, lag an der Seite des Flusses, und nahm die ganze Gesellschaft, mit Ausnahme des Pfadfinders, auf, welcher am Lande blieb, um das leichte Fahrzeug abzustoßen.

      „Laßt den Stern vorantreiben, Jasper," sagte der Mann der Wälder zu dem jungen Schiffer des See's, welcher Arrowheads Ruder ergriffen und selber die Stellung des Steuermanns eingenommen hatte, „laßt ihn mit der Strömung abwärts gehen. Wenn einige von diesen Teufeln, diesen Mingo's, unsere Fährte auswittern und bis zu dieser Stelle verfolgen, so werden sie zuerst die Spuren im Schlamm untersuchen, und bemerken sie, daß wir das Ufer mit stromaufwärts gerichteter Nase verlassen haben, so müssen sie natürlich zu der Vermuthung kommen, daß wir aufwärts gerudert seien."

      Dieser Anweisung wurde Folge geleistet. Pfadfinder, welcher sich in der Blüthe seiner Kraft und Thätigkeit befand, gab nun dem Kahn einen kräftigen Stoß, und sprang mit einer Leichtigkeit in den Bug desselben, die das Gleichgewicht des Fahrzeugs nicht im mindesten störte. Als sie die Mitte des Flusses, wo die Strömung am stärksten war, erreicht hatten, drehte sich das Boot und begann geräuschlos stromabwärts zu gleiten.

      Das Fahrzeug, in welchem sich Cap und seine Nichte zu ihrer langen und abenteuerlichen Reise eingeschifft hatten, war eines von den Rindencanoe's, welche die Indianer verfertigen, und die wegen ihrer außerordentlichen Leichtigkeit, wie auch wegen der Geschwindigkeit, mit der sie fortgetrieben werden können, ungemein geeignet für eine Fahrt sind, bei welcher Sandbänke, Treibholz und ähnliche Störungen so oft in den Weg treten. Die zwei Männer, welche die ursprüngliche Gesellschaft ausmachten, hatten es ohne das Gepäck manche hundert Ellen weit geschleppt, und das Gewicht desselben hätte wohl durch die Kraft eines einzelnen Mannes gehoben werden mögen. Demungeachtet war es lang, für einen Kahn weit, und nur die geringere Festigkeit mochte in den Augen der Ungewohnten als ein Mangel erscheinen. An diesen Uebelstand war man jedoch nach ein paar Stunden gewöhnt, und Mabel wie ihr Onkel hatten sich so weit in seine Bewegungen zu finden gelernt, daß sie nun mit vollkommener Gemüthsruhe ihre Plätze festhielten. Auch wurden die Kräfte des Kahns durch das Gewicht der drei Wegweiser nicht über Gebühr besteuert, da der breite runde Bauch desselben hinreichend Wasser verdrängte, ohne das Schanddeck der Oberfläche des Stromes merklich näher zu bringen. Die Arbeit daran war zierlich, die Sparren klein und mit Lederwerk befestigt, und der ganze Bau, so unbedeutend und unsicher er dem Auge erscheinen mochte, im Stande, vielleicht noch einmal so viel Personen, als sich darin befanden, weiter zu bringen.

      Cap hatte einen niedrigen Quersitz in der Mitte des Kahnes und Big Serpent kauerte sich neben ihn auf die Kniee. Arrowhead und sein Weib saßen vor ihnen, da Ersterer seinen Platz hinten im Kahn verlassen hatte. Mabel hatte sich hinter ihrem Onkel halb auf ihr Gepäck zurückgelehnt, indeß der Pfadfinder und Eau-douce, der eine im Bug, der andere im Stern aufrecht standen, und langsam, fest und geräuschlos die Ruder bewegten. Die Unterhaltung wurde mit gedämpfter Stimme geführt; denn Alle fingen an die Notwendigkeit der Vorsicht zu fühlen, da sie sich nun den Außenwerken des Forts mehr näherten, und nicht mehr durch den Versteck des Waldes gedeckt waren.

      Der Oswego war gerade auf dieser Strecke von tiefdunkler Farbe, nicht besonders breit, und der stille düstere Strom verfolgte seine Windungen unter überhängenden Bäumen, welche an manchen Stellen das Licht des Himmels fast ganz ausschlossen. Hie und da kreuzte ein halbgefallener Waldriese nahezu die Oberfläche und machte Vorsicht nöthig, indeß am Ufer Bäume von niedrigerem Wuchse Zweige und Blätter in das Wasser senkten. Das Gemälde, welches einer unserer Dichter so herrlich gezeichnet und wir als Epigraph diesem Kapitel vorangestellt haben, war hier verwirklicht. Die Erde gedüngt durch die vermoderte Vegetation von Jahrhunderten, der schwarze Lehmgrund, die Ufer des Stroms voll zum Ueberfließen, und der frische weite Wald — Alles erschien hier so lebenswarm, wie es Bryant für die Phantasie malte. Kurz, die ganze Scene war die einer reichen und wohlwollenden Natur, ehe sie der Mensch unterworfen — verschwenderisch, wild, vielversprechend, und auch in diesem rohesten Zustand nicht ohne den Reiz des Malerischen. Ich muß bemerken, daß der Zeitraum unserer Geschichte in das Jahr 175— fällt, in eine Zeit also, wo der Speculationsgeist abenteuerlicher Projektanten jenen Theil des westlichen New-Yorks noch nicht in die Gränzen der Civilisation gezogen hatte. In jener fernen Zeit gab es zwischen dem bewohnten Theil der Colonie New-York und den Gränzfestungen Canada's zwei große militärische Kommunikationskanäle, deren einer durch den Champlain- und Georgensee, der andere durch den Mohawk, den Wood-Creek, den Oneida und die oben genannten Flüsse vermittelt wurde. Längs dieser beiden Verbindungslinien waren militärische Posten aufgestellt. Diese fanden sich übrigens so spärlich, daß von dem letzten an dem Ursprung des Mohawks gelegenen Fort bis zum Ausfluß des Oswego sich eine unbesetzte Strecke von hundert Meilen ausdehnte, welche Cap und Mabel nun größtentheils unter Arrowheads Schutz zurückgelegt hatten.

      „Ich wünschte mir wohl bisweilen die Zeit des Friedens wieder," sagte der Pfadfinder, „wo man den Wald durchstreifen konnte, ohne es mit einem andern Feinde als den wilden Thieren und den Fischen zu thun zu haben. Ach, wie manchen Tag habe ich und der Serpent zwischen den Strömen bei Wildpret, Salmen und Forellen zugebracht, ohne an einen Mingo oder einen Skalp zu denken! Bisweilen wünsche ich, diese gesegneten Tage möchten wiederkehren, denn die Jagd auf mein eigenes Geschlecht gehört nicht zu meinen eigentlichen Gaben. Ich bin überzeugt, daß des Sergeanten Tochter mich nicht für einen solchen Elenden hält, der seine Lust an Menschenblut hat!"

      Nach dieser Bemerkung, welche halb fragend gemacht wurde, blickte der Pfadfinder hinter sich; und obgleich selbst der parteiischste Freund seine sonnverbrannten, harten Züge kaum schön nennen konnte, so fand doch Mabel sein Lächeln, seinen gesunden Verstand und die Aufrichtigkeit, die aus seinem ehrlichen Gesicht leuchtete, sehr anziehend.

      „Ich glaube nicht, daß mein Vater einen Mann, wie Ihr ihn bezeichnet, ausgeschickt hätte, seine Tochter durch die Wildniß zu geleiten," antwortete das Mädchen, indem sie sein Lächeln, so freimüthig als es gegeben wurde, nur mit etwas mehr Anmuth erwiederte.

      „Er hätte es nicht, nein, er hätte es nicht gethan. Der Sergeant ist ein Mann von Gefühl, und wir haben zusammen manchen Marsch gemacht und manchen Kampf ausgefochten — Schulter an Schulter, wie er es nennen würde — obgleich ich mir die Glieder immer frei gehalten habe, wenn ein Franzose oder Mingo in der Nähe war."

      „So seid Ihr also der junge Freund, von dem mein Vater so oft in seinen Briefen gesprochen hat?"

      „Sein junger Freund — der Sergeant ist gegen mich um dreißig Jahre im Vortheil, ja, er ist dreißig Jahre älter als ich, und nun eben so lange mein Vorgesetzter."

      „In den Augen der Tochter wohl nicht, Freund Pfadfinder," warf Cap ein, dessen Lebensgeister wieder rege zu werden begannen, als er Wasser um sich fließen sah. „Die dreißig Jahre, deren Ihr erwähnt, werden von den Augen eines neunzehnjährigen Mädchens selten als ein Vortheil betrachtet."

      Mabel erröthete, und während sie ihr Gesicht von den im Vordertheil des Kahnes befindlichen Personen abwenden wollte, begegnete sie dem bewundernden Blicke des jungen Mannes am Stern. Als letzte Zuflucht senkte sich nun ihr sanftes, blaues, ausdrucksvolles Auge gegen die Wasserfläche. Gerade in diesem Augenblick schwebte durch die Baumreihe ein matter, dumpfer Ton, getragen von einem leichten Luftstrome, welcher kaum ein Kräuseln auf dem Wasser hervorbrachte.

      „Das klingt angenehm," sagte Cap, und spitzte die Ohren gleich einem Hunde, der entferntes Bellen hört.

      „Es ist nur ein Fluß, der eine halbe Meile unter uns über einige Felsen stürzt."

      „Ist ein Fall auf dem Strom?" fragte Mabel, indem sie noch höher erröthete.

      ,Der Teufel! Meister


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