Die Steppe. James Fenimore Cooper
Читать онлайн книгу.beklagt sich nicht leicht über harmloses Wild. Ich bin nicht mehr so flink und sicher mit meiner Flinte als sonst, aber damals habe ich auch die stolzesten Thiere der Steppe niedergedonnert; so brauchst du dich weiter nicht zu fürchten, Kind."
Das Mädchen schlug die Augen empor, auf die besondere Art, wie es so oft von ihrem Geschlecht geschieht, wenn sie ihr Schauen damit beginnen, daß sie die Erde zu ihren Füßen untersuchen, und damit endigen, daß sie alles erfassen, was in den Kreis ihrer Sehkraft fällt; aber sie zeigte eher Ungeduld als ein Gefühl von Unruhe.
Ein kurzes Bellen vom Hund gab jedoch bald den Blicken beider eine neue Richtung, und dann ward die wahre Ursache seiner zweiten Warnung dunkel sichtbar.
Drittes Kapitel.
Komm, komm, du bist ein hitz´ger Narr, wie einer in
Italien je; so bald gereizt, erzürnt, als, wenn du
zürnst, gereizt.
Romeo und Julia.
Obgleich der Streifschütz etwas erstaunt war, als er eine zweite menschliche Gestalt sich nahe kommen sah, und dies auch aus einer dem Lager der Auswanderer entgegengesetzten Richtung, so fehlte doch nicht die Standhaftigkeit der lange an Scenen der Gefahr Gewöhnten.
„Es ist ein Mann," sagte er, „und einer, der weißes Blut in den Adern hat, sonst wär' sein Schritt leichter. Es mag gut sein, auf das Schlimmste sich bereit zu halten, denn die Halb- und Halben, auf die man in diesen verlassenen Gegenden trifft, sind allzusammen wilder als die wahren Wilden."
Er nahm sein Gewehr, während er sprach, auf, und untersuchte den Zustand des Steines und des Zündpulvers durch ein Betasten mit der Hand. Aber sein Arm ward festgehalten, als er anschlagen wollte, — es waren die schnellen, zitternden Hände seines Schützlings.
„Um Gottes willen, seid nicht zu hastig!" sagte sie, „es kann ein Freund sein, ein Bekannter, ein Nachbar."
„Ein Freund!" wiederholte der alte Mann, und befreite sich zugleich von ihrem Arm, „Freunde sind selten in jedem Land, und seltener vielleicht in diesem als in einem; und die Nachbarschaft zu spärlich, um es wahrscheinlich zu machen, daß der, der zu uns kommt auch nur ein Bekannter ist."
„Aber wenn auch ein Fremder, würdet Ihr doch nicht nach seinem Blut verlangen!"
Der Streifschütz betrachtete ernst einen Augenblick ihre angsterfüllten, fürchtenden Mienen, und ließ dann das Gewehr auf den Boden herab, als habe er seinen Entschluß plötzlich geändert.
„Nein," sagte er, und sprach mehr mit sich als mit seiner furchtsamen Gefährtin, „sie hat Recht, Blut darf nicht vergossen werden, um ein so nutzloses, seinem Ziel so nahes Leben zu retten. Laßt ihn kommen, meine Häute, meine Fallen, mein Gewehr selbst soll sein sein, wenn's ihm gefällt, sie zu verlangen."
„Er wird nichts von allem fordern, er braucht nichts," erwiederte das Mädchen; „wenn er ein ehrlicher Mann ist, wird er gewiß mit dem Seinigen zufrieden sein, und nichts fordern, was Eigenthum eines andern ist.
Der Streifschütz hatte nicht Zeit, das Erstaunen auszudrücken, welches ihn bei der unzusammenhängenden, sich widersprechenden Rede ergriff, denn der Mann, der sich näherte, war schon nur noch fünfzig Schritte von ihm entfernt. Indeß war Hektor kein gleichgültiger Zeuge bei dem, was vorging geblieben. Bei'm Geräusch der entfernten Tritte war er von dem warmen Bett zu den Füßen seines Herrn aufgestanden, und schlich jetzt, als der Fremde dem Blick sich zeigte, leise ihm entgegen, zur Erde geduckt wie ein Panther, wenn er auf seine Beute sich stürzt.
„Ruft den Hund zurück," sagte eine feste, tiefe, männliche Stimme, mehr im Ton der Freundschaft als der Drohung; „ich liebe die Hunde, und es würde mir leid sein, wenn dem Thier etwas widerführe."
„Du hörst, was man von dir sagt, Bursch?" antwortete der Streifschütz, „komm her, du Thor; sein Knurren und Bellen ist alles, was ihm noch übrig ist; Ihr könnt kommen, Freund; er hat keine Zähne mehr."
Der Fremde benutzte alsbald diese Nachricht; er eilte schnell vorwärts, und stand im nächsten Augenblick Ellen Wade zur Seite. Nachdem er sich durch einen hastigen aber kühnen Blick überzeugt, daß sie es war, wandte er mit einer Eile und Ungeduld, die hinlänglich zeigte, wie sehr er auf den Ausgang gespannt war, ein forschendes Auge auf ihren Begleiter.
„Von welcher Wolke seid Ihr gefallen, mein guter, alter Mann?" sagte er sorglos, nachlässig hin, mit zu viel Natur, um geziert zu scheinen; „oder lebt Ihr wirklich in diesen Steppen?"
„Ich war lange auf der Welt, und nie, denke ich, näher dem Himmel, als jetzt in diesem Augenblick," erwiederte der Streifschütz; „meine Wohnung, wenn ich anders eine habe, ist nicht weit entfernt. Nun kann ich mir die Freiheit gegen Euch nehmen, die Ihr Euch so gerne gegen Andere nehmt? Woher kommt Ihr, wo Ist Eure Heimath?"
„Langsam, langsam; wenn ich mit meinem Examen fertig bin, dann mögt Ihr mit Euerm anfangen. Auf welche Jagd geht Ihr denn hier so bei Mondschein aus? Gewiß wollt Ihr doch keine Büffel zu dieser Stunde fangen?"
„Ich gehe, wie Ihr seht, aus dem Lager von einigen Wanderern, welches dort über jener Anhöhe liegt, nach meiner eignen Hütte; und so tret' ich Niemanden zu nahe."
„Ganz wohl. Und Ihr nahmt dieses Mädchen mit, Euch den Weg zu zeigen, da sie ihn so gut, und Ihr ihn so wenig kennt."
„Ich traf sie, wie ich Euch traf, zufällig. Zehn lange Jahre hab' ich diese offnen Felder bewohnt, und nie, bis auf diesen Tag, menschliche Wesen mit weißer Haut zu dieser Stunde getroffen. Wenn meine Gegenwart hier belästigt, thut's mir leid, und ich will meiner Wege gehen. Es ist mehr als wahrscheinlich, wenn Eure junge Freundin ihre Geschichte erzählt hat, werdet Ihr geneigter sein, die meinige zu glauben."
„Freundin!" sagte der Jüngling, nahm eine Mütze von Fellen vom Haupt, und wühlte in der dichten Masse seiner schwarzen, geringelten Locken, „wenn ich je früher ein Auge warf auf das Mädchen als heute, so möge — —"
„Genug, Paul," unterbrach ihn die Jungfrau, und legte ihm die Hand auf den Mund, mit einer Vertraulichkeit, die so ziemlich seine beabsichtigte Betheuerung Lügen strafte. „Unser Geheimniß wird bei diesem ehrlichen alten Mann sicher sein. Ich sehe es an seinen Blicken und freundlichen Worten."
„Unser Geheimniß! Hast du vergessen, Ellen? — —"
„Nein. Ich habe nichts vergessen, was ich behalten sollte. Aber doch sag' ich, wir sind sicher bei diesem ehrlichen Streifschütz."
„Streifschütz? Ist er denn ein Streifschütz? Gebt mir die Hand, Vater; unser Geschäft sollte uns mit einander bekannt machen."
„In dieser Gegend braucht's nicht solcher Stärke," erwiederte der Andere, und betrachtete die athletische, kräftige Gestalt des Jünglings, der sich nachlässig aber nicht ohne Anstand auf seine Flinte lehnte; „die Kunst die Geschöpfe des Herrn in Fallen und Netzen zu fangen, erfordert mehr List als Kraft, und doch bin ich genöthigt, sie in meinem Alter zu treiben. Aber es würde weit besser einem jungen Manne, wie Euch, anstehn, einem Geschäft zu folgen, das sich mehr für Eure Jahre und Euern Muth schickt."
„Ich! Ich fing nie, selbst nicht eine Bisamratze in einer Falle; obgleich ich gestehen muß, daß ich einige von den schwarzhäutigen Teufeln gehörig versehen habe, wo ich besser gethan, wenn ich das Pulver im Horn, und das Blei in der Tasche gelassen. Nein, Alter, nichts, was auf der Erde kriecht, gehört zu meiner Jagd."
„Wie bringt Ihr aber Euer Leben durch, Freund, denn wenig mag in diesen Gegenden gewinnen, wer selbst sein natürliches Recht über die Thiere des Feldes aufgibt."
„Ich gebe nichts auf. Kommt ein Bär mir in den Weg, so ist er bald kein Bär mehr. Die Rehe fangen schon an, mich zu riechen, und was die Büffel anlangt, so habe ich mehr Ochsen getödtet, alter Fremder, als der thätigste Metzger in ganz Kentucky."
„Ihr könnt also schießen," fragte der Streifschütz, und seine kleinen tiefliegenden Augen glänzten von