Die Wahlverwandtschaften. Johann Wolfgang von Goethe

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Die Wahlverwandtschaften - Johann Wolfgang von Goethe


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die Freunde zu euch, laßt sie weg: alles einerlei!

      Das Vernünftigste habe ich mißlingen sehen, das Abgeschmackteste gelingen.

      Zerbrecht euch die Köpfe nicht, und wenns auf eine oder die andre Weise übel abläuft, zerbrecht sie euch auch nicht!

      Schickt nur nach mir, und euch soll geholfen werden.

      Bis dahin euer Diener!« und so schwang er sich aufs Pferd, ohne den Kaffee abzuwarten.

      »Hier siehst du«, sagte Charlotte, »wie wenig eigentlich ein Dritter fruchtet, wenn es zwischen zwei nah verbundenen Personen nicht ganz im Gleichgewicht steht.

      Gegenwärtig sind wir doch wohl noch verworrner und ungewisser, wenns möglich ist, als vorher«.

      Beide Gatten würden auch wohl noch eine Zeitlang geschwankt haben, wäre nicht ein Brief des Hauptmanns im Wechsel gegen Eduards letzten angekommen.

      Er hatte sich entschlossen, eine der ihm angebotenen Stellen anzunehmen, ob sie ihm gleich keineswegs gemäß war.

      Er sollte mit vornehmen und reichen Leuten die Langeweile teilen, indem man auf ihn das Zutrauen setzte, daß er sie vertreiben würde.

      Eduard übersah das ganze Verhältnis recht deutlich und malte es noch recht scharf aus«.

      »Wollen wir unsern Freund in einem solchen Zustande wissen?« rief er.

      »Du kannst nicht so grausam sein, Charlotte!« »der wunderliche Mann, unser Mittler«, versetzte Charlotte, »hat am Ende doch recht.

      Alle solche Unternehmungen sind Wagestücke.

      Was daraus werden kann, sieht kein Mensch voraus.

      Solche neue Verhältnisse können fruchtbar sein an Glück und an Unglück, ohne daß wir uns dabei Verdienst oder Schuld sonderlich zurechnen dürfen.

      Ich fühle mich nicht stark genug, dir länger zu widerstehen. Laß uns den Versuch machen!

      Das einzige, was ich dich bitte: es sei nur auf kurze Zeit angesehen.

      Erlaube mir, daß ich mich tätiger als bisher für ihn verwende und meinen Einfluß, meine Verbindungen eifrig benutze und aufrege, ihm eine Stelle zu verschaffen, die ihm nach seiner Weise einige Zufriedenheit gewähren kann«.

      Eduard versicherte seine Gattin auf die anmutigste Weise der lebhaftesten Dankbarkeit.

      Er eilte mit freiem, frohem Gemüt, seinem Freunde Vorschläge schriftlich zu tun.

      Charlotte mußte in einer Nachschrift ihren Beifall eigenhändig hinzufügen, ihre freundschaftlichen Bitten mit den seinen vereinigen.

      Sie schrieb mit gewandter Feder gefällig und verbindlich, aber doch mit einer Art von Hast, die ihr sonst nicht gewöhnlich war; und was ihr nicht leicht begegnete, sie verunstaltete das Papier zuletzt mit einem Tintenfleck, der sie ärgerlich machte und nur größer wurde, indem sie ihn wegwischen wollte.

      Eduard scherzte darüber, und weil noch Platz war, fügte er eine zweite Nachschrift hinzu: der Freund solle aus diesen Zeichen die Ungeduld sehen, womit er erwartet werde, und nach der Eile, womit der Brief geschrieben, die Eilfertigkeit seiner Reise einrichten.

      Der Bote war fort, und Eduard glaubte seine Dankbarkeit nicht überzeugender ausdrücken zu können, als indem er aber- und abermals darauf bestand, Charlotte solle zugleich Ottilien aus der Pension holen lassen.

      Sie bat um Aufschub und wußte diesen Abend bei Eduard die Lust zu einer musikalischen Unterhaltung aufzuregen.

      Charlotte spielte sehr gut Klavier, Eduard nicht ebenso bequem die Flöte; denn ob er sich gleich zuzeiten viel Mühe gegeben hatte, so war ihm doch nicht die Geduld, die Ausdauer verliehen, die zur Ausbildung eines solchen Talentes gehört.

      Er führte deshalb seine Partie sehr ungleich aus, einige Stellen gut, nur vielleicht zu geschwind; bei andern wieder hielt er an, weil sie ihm nicht geläufig waren, und so wär es für jeden andern schwer gewesen, ein Duett mit ihm durchzubringen.

      Aber Charlotte wußte sich darein zu finden; sie hielt an und ließ sich wieder von ihm fortreißen und versah also die doppelte Pflicht eines guten Kapellmeisters und einer klugen Hausfrau, die im ganzen immer das Maß zu erhalten wissen, wenn auch die einzelnen Passagen nicht immer im Takt bleiben sollten.

      Der Hauptmann kam.

      Er hatte einen sehr verständigen Brief vorausgeschickt, der Charlotten völlig beruhigte.

      Soviel Deutlichkeit über sich selbst, soviel Klarheit über seinen eigenen Zustand, über den Zustand seiner Freunde gab eine heitere und fröhliche Aussicht.

      Die Unterhaltungen der ersten Stunden waren, wie unter Freunden zu geschehen pflegt, die sich eine Zeitlang nicht gesehen haben, lebhaft, ja fast erschöpfend.

      Gegen Abend veranlaßte Charlotte einen Spaziergang auf die neuen Anlagen.

      Der Hauptmann gefiel sich sehr in der Gegend und bemerkte jede Schönheit, welche durch die neuen Wege erst sichtbar und genießbar geworden.

      Er hatte ein geübtes Auge und dabei ein genügsames; und ob er gleich das Wünschenswerte sehr wohl kannte, machte er doch nicht, wie es öfters zu geschehen pflegt, Personen, die ihn in dem Ihrigen herumführten, dadurch einen üblen Humor, daß er mehr verlangte, als die Umstände zuließen, oder auch wohl gar an etwas Vollkommneres erinnerte, das er anderswo gesehen.

      Als sie die Mooshütte erreichten, fanden sie solche auf das lustige ausgeschmückt, zwar nur mit künstlichen Blumen und Wintergrün, doch darunter so schöne Büschel natürlichen Weizens und anderer Feld- und Baumfrüchte angebracht, daß sie dem Kunstsinn der Anordnenden zur Ehre gereichten.

      »Obschon mein Mann nicht liebt, daß man seinen Geburts- oder Namenstag feire, so wird er mir doch heute nicht verargen, einem dreifachen Feste diese wenigen Kränze zu widmen«.

      »Ein dreifaches?« rief Eduard.

      –»Ganz gewiß!« versetzte Charlotte; »unseres Freundes Ankunft behandeln wir billig als ein Fest; und dann habt ihr beide wohl nicht daran gedacht, daß heute euer Namenstag ist.

      Heißt nicht einer Otto so gut als der andere?« Beide Freunde reichten sich die Hände über den kleinen Tisch.

      »Du erinnerst mich«, sagte Eduard, »an dieses jugendliche Freundschaftsstück.

      – Als Kinder hießen wir beide so; doch als wir in der Pension zusammenlebten und manche Irrung daraus entstand, so trat ich ihm freiwillig diesen hübschen, lakonischen Namen ab«.

      »Wobei du denn doch nicht gar zu großmütig warst«, sagte der Hauptmann.

      »Denn ich erinnere mich recht wohl, daß dir der Name Eduard besser gefiel, wie er denn auch, von angenehmen Lippen ausgesprochen, einen besonders guten Klang hat«.

      Nun saßen sie also zu dreien um dasselbe Tischchen, wo Charlotte so eifrig gegen die Ankunft des Gastes gesprochen hatte.

      Eduard in seiner Zufriedenheit wollte die Gattin nicht an jene Stunden erinnern, doch enthielt er sich nicht zu sagen: »für ein Viertes wäre auch noch recht gut Platz«.

      Waldhörner ließen sich in diesem Augenblick vom Schloß herüber vernehmen, bejahten gleichsam und bekräftigten die guten Gesinnungen und Wünsche der beisammen verweilenden Freunde.

      Stillschweigend hörten sie zu, indem jedes in sich selbst zurückkehrte und sein eigenes Glück in so schöner Verbindung doppelt empfand.

      Eduard unterbrach die Pause zuerst, indem er aufstand und vor die Mooshütte hinaustrat.

      »Laß uns«, sagte er zu Charlotten, »den Freund gleich völlig auf die Höhe führen, damit er nicht glaube, dieses beschränkte Tal nur sei unser Erbgut und Aufenthalt; der Blick wird oben freier und die Brust erweitert sich«.

      »So müssen wir diesmal noch«, versetzte Charlotte, »den alten, etwas beschwerlichen Fußpfad erklimmen; doch, hoffe ich, sollen meine


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