Aphrodite. Pierre Louys
Читать онлайн книгу.ihren Privatgemächern empfangen, welche aus drei kleinen, wollüstig-verschwiegenen Zimmern bestanden. Sie lag auf der linken Seite dahingestreckt, in grüner Seide wie vergraben, deren Widerschein ihre schwarzen Haarlocken in purpurnem Lichte badete. Ihr junger Körper war mit einem schamlos durchbrochenem Kostüm bekleidet, welches sie unter ihrer Aufsicht durch eine Hetäre aus Phrygien hatte anfertigen lassen. Es ließ jene zweiundzwanzig Stellen des Körpers entblößt, wo die Liebkosungen unwiderstehlich sind, so daß man eine ganze Nacht hindurch die scharfsinnigsten Lüste der Liebe auskosten konnte, ohne dieses Kleid ablegen zu müssen.
Demetrios hatte, respektvoll niederknieend, den kleinen nackten Fuß der Königin Berenike, wie einen kostbaren zarten Gegenstand, in die Hand genommen und geküßt.
Dann hatte sie sich erhoben.
Ganz einfach, wie eine schöne Sklavin, welche als Modell dient, hatte sie Mieder, Bänder und ihre geschlitzten Höschen gelöst, hatte sie sogar die Spangen ihrer Arme und die Ringe ihrer Fußzehen abgelegt, und so war sie aufrecht vor ihm erschienen, die Hände vor den Schultern geöffnet, den Kopf hoch unter einer Korallenhaube, welche die Wangen entlang zitterte.
Sie war die Tochter eines Ptolemäers und einer syrischen Prinzessin, die durch Astarte, welche die Griechen Aphrodite nennen, von allen Göttern abstammte. Demetrios wußte das und auch, daß sie auf ihr olympisches Geschlecht stolz war. Er kam denn auch nicht in Verwirrung, als die Königin, ohne sich zu rühren, ihm sagte: »Ich bin Astarte. Nimm ein Stück Marmor und deinen Meißel und zeige mich den Männern Ägyptens. Ich will, daß man mein Bild anbete.«
Demetrios blickte sie an und, die einfache und neue Sinnlichkeit errathend, welche diesen Jungfrauenkörper belebte, sagte er: »Ich bete es als Erster an,« und damit schloß er sie in seine Arme. Die Königin zürnte nicht ob dieses ungestümen Wesens, aber sie fragte zurücktretend: »Glaubst Du Adonis zu sein, daß Du die Göttin berührst?« Er antwortete »Ja.« Sie schaute ihn an, lächelte ein wenig und schloß mit den Worten: »Du hast Recht.«
Dies war der Grund, weshalb er unerträglich geworden, daß seine besten Freunde sich von ihm lossagten, während er alle Frauenherzen bethörte.
Wenn er einen Saal des Palastes durchschritt, blieben die Sklavinen stehen, die Frauen des Hofes schwiegen still, auch die Fremden hörten ihm zu, denn der Klang seiner Stimme war zum Entzücken. Zog er sich zur Königin zurück, so wurde er, unter immer neuen Vorwänden, selbst da noch belästigt. Wanderte er durch die Straßen, so füllten sich die Falten seines Kleides mit kleinen Papyrusstreifen, wo die vorbeigehenden Frauen ihre Namen mit schmerzhaften Worten niedergeschrieben hatten, die er aber gelangweilt zerknitterte, ohne sie zu lesen. Als im Tempel der Göttin Aphrodite sein Werk aufgestellt worden, wurde der Raum zu jeder Stunde der Nacht von der Menge der Anbeterinen belagert. Sie kamen um seinen Namen auf dem Steine zu lesen und ihrem lebendigen Gotte alle Tauben und alle Rosen darzubieten.
Bald wurde sein Haus von Geschenken überfüllt. Zuerst nahm er dieselben aus Nachlässigkeit an, später wies er sie zurück, als er begriff, was man von ihm erwartete und daß man ihn wie eine Prostituirte behandelte. Selbst seine Sklavinen boten sich dar. Er ließ sie peitschen und verkaufte sie an das Freudenhaus von Rhacotis. Dann aber öffneten seine Sklaven, durch Geschenke bestochen, unbekannten Frauen die Thüre, und er fand sie, wenn er nach Hause kam, vor seinem Bette, in einer Haltung, welche keinen Zweifel über ihre verliebten Absichten übrig ließ. Die kleinen Gegenstände seiner Toilette und sein Tischgeräthe verschwanden nach einander. Mehr als eine Frau der Stadt hatte eine Sandale oder einen Riemen, welche ihm gehört hatten, einen Becher, woraus er getrunken hatte, und selbst die Kerne der Früchte, die er gegessen hatte. Ließ er im Gehen eine Blume fallen, so fand er sie hinter sich nicht wieder. Sie wären im Stande gewesen, selbst den Staub aufzulesen, den er mit seinen Schuhen zertreten hatte.
Diese Verfolgung wurde nachgerade gefährlich und drohte in ihm seine ganze Empfindsamkeit zu tödten. Er war überdies bei jenem Abschnitt seiner Jugend angekommen, wo der denkende Mann es für nöthig hält, sein Leben in zwei Theile zu sondern, und die Sachen des Geistes nicht länger mit den Bedürfnissen der Sinne zu vermengen. Die Statue der Aphrodite-Astarte war für ihn der erhabene Vorwand dieser moralischen Bekehrung. Alles was die Königin an Schönheit besaß, alles Ideale, das man um die weichen Linien ihres Körpers erfinden konnte, hatte Demetrios aus dem Marmor geholt und von diesem Tage an bildete er sich ein, daß kein anderes Weib auf Erden je wieder die Höhe seines Traumes erreichen würde. Seine Statue wurde der Gegenstand seines Verlangens. Sie allein betete er noch an und wahnwitzig trennte er von dem Fleische die erhabene Idee der Göttin, welche nur um so unkörperlicher gewesen wäre, wenn er sie an das Leben gebunden hätte.
Wenn er die Königin selbst wiedersah, fand er sie alldessen bar, was ihren Reiz ausgemacht hatte. Sie genügte ihm noch eine Zeit lang, um sein zielloses Verlangen zu täuschen, aber sie war von der Anderen zu verschieden und zugleich ihr zu sehr ähnlich. Wenn sie nach seinen Umarmungen erschöpft hinsank und an derselben Stelle einschlafend, betrachtete er sie als ob eine Fremde als Eindringling die Gestalt der Geliebten annehmend, sein Bett erschlichen hätte. Ihre Arme waren schlanker, ihre Brust spitziger, ihre Hüfte enger als diejenigen der Wirklichen. Sie hatte in den Weichen nicht jene drei Falten, so fein wie Linien, die er in den Marmor gegraben hatte. Er ward ihrer endlich müde.
Seine Anbeterinen erfuhren es, und obwohl er seine täglichen Besuche fortsetzte, wußte man, daß er aufgehört habe, in Berenike verliebt zu sein. Und man drängte sich mit verdoppelter Zudringlichkeit an ihn heran. Er legte keinen Werth darauf. In der That hatte die Abwechselung, deren er bedurfte, eine ganz andere Bedeutung.
Es ist selten, daß ein Mann zwischen zwei Verhältnissen nicht einen Zwischenraum in seinem Leben habe, wo ihn die grobe Wollust anzieht und befriedigt. Demetrios gab sich derselben hin. Wenn ihm der Zwang in den Palast zu gehen mehr als gewöhnlich lästig war, ging er Nachts zum Garten der heiligen Hetären, welcher von allen Seiten den Tempel umgab.
Die Weiber, welche dort hausten, kannten ihn nicht. Uebrigens waren sie durch so viele überflüssige Liebe derart ermüdet, daß sie nicht schrieen, noch weinten, und so war die Befriedigung, welche er suchte, dort wenigstens nicht durch das Gejammer eines verliebten Kätzchens gestört, das ihn bei der Königin nervös machte.
Das Gespräch, welches er mit diesen ruhigen Weibern führte, war lässig und alltäglich. Die Besuche von heute, das Wetter des nächsten Tages, die Weichheit des Grases und die Milde der Nacht: das waren reizende Unterhaltungsgegenstände. Sie baten ihn nicht seine Theorien über die Bildhauerkunst vorzutragen und gaben über den Achilleus des Scopas keine Meinung ab. Wenn es geschah, daß sie dem Liebhaber, der sie wählte, dankten, oder daß sie ihn wohl gewachsen fanden und es ihm sagten, so hatte er das Recht, nicht an ihre Uneigennützigkeit zu glauben.
Wenn er aus ihren heiligen Armen kam, stieg er die Stufen des Tempels empor und überließ sich vor der Statue seinem Entzücken.
Zwischen den schlanken, von ionischen Voluten gekrönten Säulen erschien die Göttin wie lebendig auf ihrem Postamente von rosarothem Steine, mit Kleinodien beladen. Sie war nackt und geschlechtlich dargestellt, leicht nach den Farben des Weibes gefärbt; in einer Hand hielt sie einen Spiegel, dessen Griff einen Priapus vorstellte; die andere Hand schmückte ihre Schönheit mit einem Halsbande aus sieben Perlenreihen. Eine silberne und längliche Perle, welche größer war als die anderen, glänzte zwischen ihren beiden Brüsten, wie eine Mondsichel zwischen zwei runden Wolken.
Zärtlich betrachtete sie Demetrios und, wie das Volk, wollte er glauben, es seien die wahren heiligen Perlen, aus den Wassertropfen geboren, welche in der Muschelschale Anadyomene’s gerollt.
»Oh göttliche Schwester, sagte er, oh Blühende, Verklärte! Du bist nicht mehr die kleine Asiatin, die ich für Dich als unwürdiges Modell benützte. Du bist ihr unsterbliches Sinnbild, die irdische Seele der Astarte, welche die Erzeugerin ihrer Rasse wurde. Du glänztest in ihren feurigen Augen. Du branntest auf ihren dunkeln Lippen, Du erstarbst in ihren weichen Händen, Du keuchtest in ihren großen Brüsten, Du strecktest Dich in ihren umschlingenden Beinen, ehemals, vor Deiner Geburt; und was die Tochter eines Fischers befriedigte, streckte auch Dich, Göttin, hin, die Du die Mutter der Götter und der Menschen bist, Lust und Leid der Welt. Aber