Magisches Kompendium – Wissen und Weisheit der nordischen Magie. Frater LYSIR

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Magisches Kompendium – Wissen und Weisheit der nordischen Magie - Frater LYSIR


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Anteilen harmoniert, dass im eigenen Inneren das wahre „Goldene Herz“ schlägt, dass die „chymische Hochzeit“ zelebriert wurde, dass man seine verschiedenen energetischen und persönlichen Anteile kontaktieren kann, sein Ego kontrollieren kann, um dann effektiv zu arbeiten. Genau deswegen ist stets der Protagonist in der Magie – und somit natürlich auch in den Arbeiten des Seidhr/Seiðr – das absolut Wichtigste. Es ist spannend, dass in den verschiedenen Mythen, Legenden, Geschichten und Sagen (wie zum Beispiel die Sage von Erik dem Roten) Berichte auftauchen, dass Seidhr/Seiðr auch zur Verfluchung eingesetzt wurde, doch trifft dies auf alle Magiearten der Natur zu. Wenn der eigene Stamm, die eigene Sippe, die eigene Gemeinschaft, die eigene Familie bedroht wird, wird man sich zur Wehr setzen – egal wie und egal womit. Wenn man über die Fähigkeit verfügt, Seidhr/Seiðr zu zelebrieren, wäre man dumm, wenn man diese Möglichkeiten nicht nutzen würde. Dies bedeutet auch, dass man eben divinatorisch arbeitet, um zu erkennen, welche Möglichkeiten die Zukunft bereithält, um dann vom Zeitpunkt der Divination reflektiert zu agieren, sodass die Zukunft entweder eintritt, die in der divinatorischen Arbeit erkannt wurde, oder, dass diese eben nicht eintritt, wenn sie für die eigenen Ziele kontraproduktiv ist.

      Warum in Bezug auf Seidhr/Seiðr das Thema der Sexualität immer tabuisiert wird, liegt möglicherweise auch an den Autoren selbst. So wird zum Beispiel berichtet, dass die Frauen, die Seidhr/Seiðr betrieben, eben auch Stäbe hatten, sodass hier auch wiederum die Begrifflichkeiten / Titel „Völva“ oder auch „Spákona“, zu nennen sind, also Seherinnen, Prophetinnen oder auch „Stabträgerinnen“. Diese Stäbe sollen auch eine phallische Form gehabt haben, sodass hier natürlich die Sexualpraktiken der Masturbation denkbar sind.

      Doch warum sollte so etwas gemacht werden? Ganz einfach, der Grund ist der Gleiche, warum die Hexen nackt auf ihren Besen ritten. Hierbei muss man einfach reflektieren, dass man dem Körper verschiedene Drogen auf verschiedene Art und Weise zuführen kann. Natürlich kann man einige Drogen ganz einfach oral aufnehmen, sodass man irgendetwas schluckt, hofft, dass man sich nicht über gibt, dass die Leber nicht zu viel abbaut (First-Pass-Effekt) und dass letztendlich auch einiges vernünftig verstoffwechselt wird. Doch solche Substanzen, solche Drogen, solche phytopharmazeutischen Dinge, kann man auch rektal oder vaginal aufnehmen. Auch hierdurch kann man einen Rausch erzeugen, und genau dies ist denkbar, wenn über die entsprechenden sexuellen Praktiken spekuliert wird. Ob es wirklich so war, sei einfach mal in den Raum gestellt. Möglich ist es, denn einige Stoffe lösen bei der oralen Applikation größere Probleme aus, als sie es bei einer rektalen oder vaginalen Applikation tun. Gleichzeitig muss man reflektieren, dass die Energie, die sich bei einem Orgasmus aufbaut, gigantisch ist, und dass man genau diese Energie nutzen kann, um den magischen Akt wortwörtlich zu besteuern. Auch dies ist nichts Verwerfliches und ist ein ganz normales magisches Mittel der Wahl.

      Wenn man sich die verschiedenen Aufzeichnungen über Seidhr/Seiðr anschaut, bzw. sich auf das direkte Vorkommen des Wortes „Seidhr/Seiðr“ versteifen will, muss der Runenstein in der Kirche von Sønder Vinge in Dänemark betitelt werden. Hier ist es wichtig, dass es der Runenstein ist, der im 19. Jahrhundert in die Kirche geholt wurde, da der Ort Sønder Vinge über zwei Runensteine verfügt. Einer steht außerhalb und einer steht innerhalb der Kirche. Auf dem Stein, der innerhalb der Kirche steht, kann man folgende Inschrift lesen:

       Guði )/ Ǿði bryti rēsþi stēn þennsi øftiR Ūrǿkiu ok Kāðu, brǿðr sīna tvā. [Verði] særði ok sēðrǣddi sāR mannr es ǿði minni þvī.

       Auði / Guði Steward hob diesen Stein zum Gedenken an Órókia und Kaða, seine beiden Brüder. [Darf er betrachtet werden] ein Abnormer und ein Zauberer, dieser Mann, der dieses Denkmal zerstört.

      Es geht in diesem Kontext einfach darum, dass jemand diesen Runenstein zu einem Denkmal erhoben hat, welches aber geschützt ist, falls jemand auf die Idee kommen sollte, den Stein / das Denkmal zu zerstören.

      Das Wort „seðretti“ ist jedoch sehr umstritten bei den Forschern, kann aber – wenn man es will – auf die Magie, auf Seidhr/Seiðr gemünzt werden. Das große Problem ist jedoch wieder, dass die Datierung des Steins relativ jung ist, d. h. der Stein wurde in Dänemark zwischen den Jahren 970 und 1020 erschaffen, sodass auch hier schon wieder die Christianisierung deutlich vorhanden war.

      Wieder in anderen literarischen Quellen, die jedoch noch später erschienen, und zwar im 13. Jahrhundert, ist einmal die sogenannte „Laxdæla Saga“ und ein anderes Mal „Frithiofs Saga“ in Bezug auf die Herkunft, den Ursprung des Seidhr/Seiðr genannt. Beide Sagen stammen aus Island, und berichten darüber, dass für das Wirken der verschiedenen Zauber, der magischen Rituale, des Seidhr/Seiðr entsprechende Gerüste aufgebaut wurden, um den jeweiligen Zaubergesang in die Weite zu tragen. Manchmal wird auch davon berichtet, dass die Seiðkona/Seiðkonur (weiblich) bzw. Seiðmaðr/Seiðmenn (männlich) auch auf den Dächern der Häuser standen, um ihre Rituale laut und klar zu verbreiten. So wurden sogenannte Seiðhiall/Seiðhjallr (jene Zaubergerüste) erschaffen, um die Galdr, die Galsterei, den Zaubergesang zu verbreiten. In beiden sagen wird davon berichtet, dass das rituelle Ziel jeweils ein Sturm war, einmal ein Schneesturm und einmal ein Sturm, der ein Schiff vernichten sollte, sodass auch hier wieder Seidhr/Seiðr mit der Schadensmagie assoziiert wird. Dieser erhöhte Sitz, wenn man will, kann man von einem „magischen Hochsitz“ sprechen, taucht in vielen Legenden, Mythen, Geschichten und Sagen auf, sodass man hier schon einen gemeinsamen Nenner finden kann. Natürlich ist dies als Requisite, als dramaturgisches Werkzeug zu verstehen, um eine gewisse Theatralik an den Tag zu legen. Wie gesagt, manchmal wurde auch einfach ein Dach erklommen, sodass man auf der einen Seite gut gesehen wurde, gleichzeitig aber auch weit gehört wurde. Je größer der Zauber, das Ritual, der Ritus organisiert war, desto größer wird auch das jeweilige Zaubergerüst, das Seiðhiall/Seiðhjallr gewesen sein, um hier eine entsprechende Machtposition zu verdeutlichen. Interessant und fragwürdig zugleich wird es, wenn es um die Anzahl der Beteiligten geht. So wird manchmal davon berichtet, dass entweder 30 oder sogar 80 Menschen an den Ritualen beteiligt waren. Nun ja, dies ist sehr fragwürdig, denn ein Ritual wird sehr chaotisch, wenn hier zu viele Protagonisten mitmachen. Wenn man jedoch die ganzen Hilfskräfte mitzählt, die Personen, die für den Aufbau verantwortlich sind, die einfach am Ritual teilnehmen, und mit im Kreis stehen, die möglicherweise Instrumente spielen, die die Zaubergerüste aufgebaut haben, dann kann man sicherlich auf 80 Personen kommen. Dies spiegelt aber definitiv nicht das eigentliche Zentrum der magischen Arbeit wider. Wenn hier fünf Menschen magisch agiert haben, dann war dies schon viel. Es geht hierbei um die Menschen, die zu Recht und in einem vollen Ausmaß den Titel Seiðkona/Seiðkonur (weiblich) bzw. Seiðmaðr/Seiðmenn (männlich) verdient haben. Es ging nicht um irgendwelche Taschenspieler, die sich über Wert verkauft haben. Natürlich kann man dies jetzt nicht mehr nachvollziehen, und man muss den jeweiligen Quellen entweder glauben, oder seine Skepsis behalten. Aus der Praxis für die Praxis kann man sehr klar und deutlich sagen, dass magische Rituale, die sich auf 30 Personen oder auch auf 80 Personen beziehen, meistens so aussehen, dass magische Menschen zusammen im Kreis stehen, dass aber eine gewisse Auswahl die eigentlichen rituellen Handlungen ausführt, und somit auch die Verantwortung tragen.

      Da es im Seidhr/Seiðr auch immer wieder um einen Gesang ging, um „Seiðlæti“, ist es ohne Weiteres denkbar, dass am Ritual auch ein A-Capella Chor beteiligt war, um eine entsprechende Trance zu beflügeln, bzw. die Grundvoraussetzungen durch einen Gesang zu erschaffen. Hierbei ist es natürlich klar, wenn wirklich 30 oder 80 Personen beginnen zu singen, dass hier eine besondere Kraft entsteht. Dies findet man auch in aktuellen Ritualen immer wieder. Dennoch muss erwähnt werden, dass bei allen Ritualen, egal ob damals oder heute immer eine Ritualleitung zugegen sein wird, zugegen sein muss! Es wird in diesem Kontext des Seiðlæti und allgemeiner des Seidhr/Seiðr auch immer eine Ritualleitung vorhanden gewesen sein, die vielleicht aus zwei oder drei Personen besteht, meist aber aus einer einzigen Person, die das Ritual entworfen hat, und auch vollkommen kennt und beherrscht. In diesem Kontext wird die Ritualleitung eben alles beherrschen müssen, wozu eben auch der jeweilige Zaubergesang zählt, der in den literarischen Quellen auch als Varðlokkur betitelt wird, sodass hier ein besonderer Zaubergesang, eine besondere Art der Galsterei, des Galdr, gemeint ist, was dann auch allgemeiner als „Seiðlæti“ bezeichnet


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