Stammtischphantasien. Thomas Häring
Читать онлайн книгу.Piloten, Soziologen, Fallmanager, Eisverkäufer, Historiker, Totengräber, Ornithologen, Schüler, Ehefrauen, Ehemänner, Agenten, Möbelverkäufer, Fließbandkräfte, Gewerkschafter, Arbeitgeber, Asylanten, Call-Center-Mitarbeiter, Schiedsrichter, Talkshowmoderatoren, Busfahrer, Hundetrainer, Fotografen, Wissenschaftler, Bergsteiger, Fahrradfahrer, Fußgänger, Dealer, Lehrlinge und Meister.
Erzähl mir nichts vom Leben und von der Welt! Da draußen laufen mindestens 7,5 Milliarden Egoisten herum, von denen jede/r fast die ganze Zeit über nur an sich selbst denkt. Und das ganze Getue von wegen Liebe, Mitgefühl sowie Hilfe zur Selbsthilfe und so: Alles nur Kindergartentantengeburtstagskuchengewäsch. Man liebt den Anderen ja auch nur deshalb, weil man selbst etwas von ihm will. Würde man ihn freigeben und ihm nur das Beste, also eben gerade nicht sich selbst, wünschen, dann könnte man tatsächlich von wahrer Liebe sprechen. Meist handelt es sich jedoch leider nur um Narzißmus im Doppelpack und in formvollendeter Häßlichkeit. Man liebt den Anderen oft nur, weil der einen ganz toll findet, weswegen der sich wiederum in einen verknallt. Am Ende jeder Verliebtheitsphase fliegt der Narzißmus auf, man landet auf dem Boden der Tatsachen und schaut der bitteren Wahrheit in die häßliche Fratze. Was also soll der ganze Mist?
Verstehst Du nun schön langsam, warum ich bei meinen Mitmenschen nicht unbedingt zu den absoluten Lieblingen zählte? Ich sagte Sachen, die sie nicht hören wollten und da ihnen die bittere Wahrheit gehörig zusetzte, versuchten sie mich so oft wie möglich zum Schweigen zu bringen. Aber sie haben es nicht geschafft, denn selbst jetzt, nach meinem Ableben, melde ich mich nach wie vor eindrücklich zu Wort. Die Dummheit darf einfach nicht schon wieder siegen, dagegen kämpfe ich mit allen nur denkbaren Mitteln.
Da sind diese Leute, die immer mit dem Arsch das einreißen, was sie sich zuvor mühsam mit den Händen aufgebaut haben. Die verstehen dann nicht, warum ausgerechnet ihnen so etwas immer wieder passiert. Deshalb reden sie sich ein, man würde sie prüfen und ein sogenanntes "höheres Wesen" hätte ein großes Interesse an ihrer ganz persönlichen Weiterentwicklung. Nun gut, solange sie so etwas glauben wollen, ist das ganz allein ihre Sache. Ärgerlich wird es, wenn solche Gurus, Meister und Erleuchtete sogenannte "heilige Kriege" beginnen und manchmal leider sogar gewinnen. Und das alles nur, weil einige Witzfiguren nicht dazu in der Lage gewesen waren, ihre eigenen persönlichen Probleme anderweitig zu lösen. Eigentlich total lustig, wenn es nicht so oft tragisch enden würde.
Smalltalk ist die Gesprächsform für kleine Leute. Aber das nur mal so nebenbei.
Meistens sind die Autobahnen voll mit Horsten, nämlich mit Vollhorsten. Wenn man sich wirklich einmal ernsthaft vor Augen führt, was für Leute in unserem Land den Führerschein bekommen haben, dann muß einem einfach Angst und bange werden. Vom Rechtsfahrgebot haben diese Spackos natürlich noch nie etwas gehört und "Rechts vor links" kennen sie nur aus der Politik. Vielleicht sollte man zukünftig nicht mehr länger halbblinde und dreivierteltaube alte Männer als Prüfer hernehmen. Man könnte zunächst meinen, es würde nicht sonderlich schwierig sein, auf einer Autobahn schlicht und einfach nur geradeaus zu fahren, aber scheinbar täuscht das total, denn wieso gibt es sonst so viele Unfälle und Staus? Vermutlich, da die Leute beim Autofahren gerne mal was Anderes machen, zum Beispiel Moképons suchen oder sowas in der Art.
Frauen wollen mehr als nur Gleichberechtigung, denn ihre Privilegien möchten sie selbstverständlich ebenfalls behalten. Dabei müssen Männer in erster Linie deswegen mehr verdienen, weil sie den Frauen einen Drink spendieren dürfen, ihnen teuren Schmuck kaufen sollen und im Grunde sowieso immer die Deppen sind. Aber das hat ja auch schon seit Jahrtausenden Tradition.
Sehr beliebt war in bestimmten antiaslimistischen Kreisen die Aloha Nacktbar, wo Burkini Faser sowie Mahommed, Scharia und Yussuf nur Begriffe aus 1000 und einer nackt waren. Lustig wurde es immer dann, wenn die Eßgestörten auf die SS-Gestörten trafen. Sobald Letztere damit begannen, voller Nostalgie in den guten alten arischen Zeiten zu schwelgen, steckten sich Erstere den Mittelfinger in den Hals und kotzten was das Zeug hielt. Aber die wahren Faschisten der Neuzeit waren natürlich die Veganer. Vermeintlich allen Anderen hochhaushoch überlegen, berauschten sie sich an ihrer scheinbaren moralischen Superkraft und erwiesen sich doch oder gerade deswegen als die intolerantesten Arschlöcher, die man sich überhaupt vorstellen konnte. Warum mußte denn eigentlich fast alles, was angeblich so gesund sein soll, dermaßen beschissen oder nach nichts schmecken? War es nicht doch der Zucker, der das Leben versüßte?
Am allerbesten gefiel es mir immer am Nutten-Stammtisch, denn die Prostituierten riefen nicht nur häufig "Prost!", sondern plauderten auch allzu gerne aus dem Nähkästchen und was man von denen alles Interessantes erfahren konnte, dazu kommen wir später noch ganz ausführlich. Doch erst einmal, zum Abschluß meines Einleitungslamentos, das hoffentlich alle, die mit so einer Beschimpfungsorgie wenig oder überhaupt nichts anfangen können, so abschrecken wird, daß sie die Segel streichen und nicht mehr länger weiterlesen wollen und werden, komme ich noch auf die Absurdität in den meisten Gaststätten zu sprechen: Die Dünnen dort bedienen die Dicken, bis jene platzen und die bewundern die Dünnen und fragen sich, wie jene es bloß schaffen so schlank zu bleiben. Vielleicht sollte man es lieber umgekehrt angehen und die Dicken müßten den Dünnen das fettige Essen bringen. Jene würden ab- und die Anderen zunehmen, womit das kosmische Gleichgewicht wieder hergestellt sein dürfte. Selbstverständlich existieren auch Stammtische für Köche, Veganer, Fleischfresser und Vegetarier. Selbst Flaschenpostfetischisten haben ihren eigenen Stammtisch. Neben den warmen und den kalten Brüdern gibt es auch noch die eiskalten Brüder. Jene halten Homosexualität für eine lebensbedrohliche Krankheit, da sie ja zukünftiges Leben ausschließt, die mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden muß. Auch Nekrophilie und Kannibalen treffen sich regelmäßig zum Stammtisch.
Doch bevor das Vorspiel zu Ende geht, möchte ich noch ein paar ganz persönliche Tragödien loswerden, indem ich sie mit Dir teile. Es geht um meine vielen Freundinnen, von denen mir unglücklicherweise keine erhalten blieb. Eine nach der Anderen verließ mich. Eine wegen einem anderen Typen, eine wurde lesbisch, eine ging ins Kloster, eine lernte eine geile alte Sau kennen, eine Andere einen unheimlich coolen Hund. Am schlimmsten war es für mich allerdings, wenn ich wegen eines halbintelligenten Schimpansen, eines geistesgestörten Stinktiers oder eines hyperaktiven Faultiers verlassen wurde. Eine meiner Ex-Freundinnen lernte Dinge wieder zu schätzen. Ich war am Ende, dabei ging es doch erst los.
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