Die erstarrte Demokratie. Robert Kiauka
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Robert Kiauka
Die erstarrte Demokratie
Warum in einem System von gestern die Probleme von heute schwer zu lösen sind und Ideen für morgen
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Inhaltsverzeichnis
Sofortmaßnahmen und Erste Hilfe
Demokratisierung der Gewaltenteilung
Der Status quo
Die Gesellschaft mit ihren vielfältigen Strukturen entwickelt sich immer weiter. Es liegt nahe, dass sich dann auch das System der Demokratie in einer Gesellschaft weiterentwickeln sollte. Zum einen, weil nicht zu erwarten ist, dass mit Gründung eines demokratischen Staates oder auch zu einem anderen festen Zeitpunkt ein für alle Mal das bestmögliche System gefunden sein wird, zum anderen, weil sich in der Gesellschaft auch Kenntnisse und Strukturen entwickeln, die das System für sich ausnutzen wollen und sich als Nebeneffekt oder auch bewusst gegen die Ideale bzw. Werte der Demokratie wenden. Eine ähnliche Entwicklung findet auch in anderen Zusammenhängen statt. Betrachten wir etwa den Fußball. Es gab Regeländerungen, um das Spiel attraktiver zu machen, wie etwa die Abschwächung der Abseitsregel. Hat eine Änderung nicht den gewünschten Effekt, nimmt man sie eben wieder zurück, wie die Golden Goal-Regel bei der Europameisterschaft 1996. Und natürlich verhalten sich Spieler nicht immer fair. Fouls und Schwalben sind probate Mittel, dem Erfolg auch ohne fußballerische Leistungen unter die Arme zu greifen. Den Schiedsrichtern macht das das Leben schwer, aber andererseits bietet die fortschreitende Technik auch Lösungsmöglichkeiten. So ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit bis zur flächendeckenden Einführung des Videobeweises, gegen den Widerstand der Traditionalisten. Die Alternative-Tatsachen-Entscheidung wird damit vielleicht bald der Vergangenheit angehören. An Torkameras hat man sich schon gewöhnt. Daran ist der Fußball nicht zugrunde gegangen und wird es bestimmt auch nicht am Videobeweis, eher schon am Größenwahn seiner Funktionäre. Als weiteres Beispiel kann man Computer und Internet nehmen. Erst mal gab es einfach neue Möglichkeiten, Informationen zu erlangen und sie zu verbreiten, dann wurden schnell Firewalls und Antivirensoftware notwendig, die ständig aktualisiert werden müssen. Auch beim Online-Banking wurden und werden die Schutzverfahren immer weiterentwickelt, weil die Gegenseite eben nicht schläft. Es stellt sich also zumindest die Frage, ob unser System der repräsentativen Demokratie, dass mit dem Grundgesetz 1949 eingeführt und seitdem kaum verändert wurde, nicht durch tiefergehende Änderungen verbessert werden könnte und müsste. Für die später entwickelten Strukturen auf europäischer Ebene gilt Entsprechendes.
Im Folgenden einige Unzulänglichkeiten unseres gegenwärtigen Systems der repräsentativen Demokratie auf Bundesebene, vieles gilt auch auf anderen Ebenen. In den weiteren Abschnitten geht es dann um Verbesserungsmöglichkeiten.
Zunächst kann man mit der Stimme für den Direktkandidaten und der wirksameren Zweitstimme nur unter einigen Vorschlägen auswählen. Inhaltlich betrachtet kann ein Wähler damit nicht seinen Willen bezüglich einzelner Themen einbringen, sondern er kann sich nur für ein komplettes Paket aussprechen. Noch nicht absehbare, in der Zukunft notwendige Entscheidungen sind dabei gar nicht abgedeckt. Realistisch unter Betrachtung der Chancen des Einzuges in den Bundestag gesehen ist die Auswahl der Pakete sehr klein. Zu dem inhaltlichen Aspekt kommt der der Glaubwürdigkeit. Wahlversprechen werden ja nicht immer eingehalten. Das kann daran liegen, dass eine Partei ihren möglichen Einfluss im Vorfeld überschätzt oder aber auch an inhaltlich unrealistischen Einschätzungen. Es kann aber auch sein, dass Kandidaten und Parteien von vorneherein etwas anderes planen, als sie versprechen, mit anderen Worten, ihre Wähler bewusst täuschen. Die kriegen das ja vielleicht gar nicht mit und wenn doch, haben sie es bis zur nächsten Wahl womöglich wieder vergessen, 4 Jahre sind eine lange Zeit. Der Eindruck, den die Wähler gewinnen, wird schließlich noch durch Inszenierungen der Politiker bzw. Kandidaten unter Einsatz von professionellen PR-Leuten beeinflusst. Schließlich hat der Wahlkampf auch Einfluss auf die Politik. Im Vorfeld von Wahlen lähmt dieser die eigentliche politische Arbeit. Enormen Einfluss hingegen haben Themen, die gerade zu Wahlkampfzeiten viel diskutiert werden. Andere Problematiken, die viel wichtiger sein können, aber gerade mal nicht durch aktuelle Ereignisse befeuert werden, bleiben außen vor. Es ist davon auszugehen, dass durch alle diese Dinge der Wille des Volkes bei Entscheidungen verzerrt wiedergeben wird. Ein halbfiktives Gedankenspiel verdeutlicht diese Zusammenhänge: Die ökologische Orientierung der Grünen sagt mir grundsätzlich zu. Die Forderung nach Abschaffung des Ehegattensplittings hingegen sehe ich als Ausdruck der Intoleranz der Grünen gegenüber traditionellen Formen des Zusammenlebens. Der Sinn des Ehegattensplittings hat nur bedingt etwas mit Kindern zu tun. Ganz grundsätzlich ist es sinnvoll, einem Menschen ein Grundeinkommen zuzugestehen und dieses steuerfrei zu halten, ganz gleich, wer das Einkommen erarbeitet. Durch möglichen Missbrauch und einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand lässt sich aber eine Beschränkung der Steuerfreiheit auf Ehegatten rechtfertigen. Mit der Ehe gehen die Ehepartner dabei auch die Verpflichtung ein, füreinander aufzukommen, was den Staat von Sozialabgaben entlasten kann. Mit der Abschaffung des Splittings fiele die Gegenleistung dafür weg. Weiterhin können selbstständige Ehepartner ihr Einkommen in der Steuererklärung beliebig aufteilen, anders als Arbeitnehmer, womit Selbstständige bei einer Abschaffung des Splittings bevorteilt wären. Wenn ich jetzt trotzdem grün wählen würde und viele andere genauso, und die Grünen eine Koalition mit einer anderen Partei eingingen, die ähnlich trotz der Forderung nach Abschaffung des Ehegattensplittings gewählt würde, aber ökologisch eine ganz andere Linie fährt, so könnte am Ende meine Stimme zusammen mit den vielen anderen die Splittingabschaffung bewirkt haben, während sich im Rahmen der Ökologie wenig tut. Das wäre ein mögliches Beispiel für eine zufällige Verzerrung.
Je indirekter das Volk etwas beeinflussen kann, desto größer sind die zu erwartenden Verzerrungen. Diese können zufällig auftreten, aber durch Phänomene wie Lobbyismus können die Verzerrungen auch gesteuert und verstärkt werden. Man kann sich das klarmachen am Beispiel von Segelschiffen. Die können auch gegen den Wind fahren. Wenn der Wind dem Willen des Volkes entspricht, kann dann das Segelschiff Politik auch Maßnahmen gegen den Willen der Bevölkerungen treffen? Jahrelange Untätigkeit bei Cum-Ex-Geschäften, ein Alibi-Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung und ganz besonders die Aktivitäten rund um CETA, TTIP, TISA und Co. sind Beispiele dafür.
Sofortmaßnahmen und Erste Hilfe
Zunächst einige Maßnahmen, die sehr schnell umgesetzt werden könnten, wenn denn der politische Wille da wäre. Da wäre die Einführung von Volksentscheiden auch auf Bundesebene zu nennen. Mit Ausnahme von Neuregelungen des Bundesgebietes sind diese derzeit nicht vorgesehen. Verschiedene Vorstöße in diese Richtung sind in der Vergangenheit immer wieder gescheitert. Teilweise haben die Abgeordneten von Parteien, die Volksentscheide eigentlich befürworten, dagegen gestimmt, vermutlich, weil die Eingabe aus der „falschen“ politischen