Gangster in London. Edgar Wallace

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Gangster in London - Edgar Wallace


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mag es sein?«

      Jiggs stieg über den Leichnam weg, lieh sich von Terry die Lampe und stellte eine genaue Untersuchung an. »Er sieht wie ein Strolch aus. Man hat ihn aus nächster Nähe durch den Kopf geschossen, mit einer kleinkalibrigen Waffe. Er ist schon eine halbe Stunde tot. Können Sie sich das erklären?«

      Terry ging zum Haus zurück und fand eine Tür, die in die Küche führte. Er schickte einen der erschrockenen Dienstboten zum Polizeiarzt, der oben in Leslies Büro seinen Bericht schrieb. Während er auf ihn wartete, untersuchte er die Füße des Toten. Der Mann trug weiche Lederpantoffeln, die etwas zu klein für ihn waren, und darüber hatte er offenbar die Gummischuhe gezogen.

      In diesem Augenblick kam einer der Polizisten in den Hof, und Terry sandte ihn zurück, damit er den Sergeanten vom Erkennungsdienst hole. Dann begann er, die Kleider des Toten sorgfältig zu durchsuchen. In der linken Tasche des schäbigen Rockes fand er einen kleinen Blechkasten, der einer Kindersparbüchse glich, schwarz lackiert war und ein kleines Patentschloß hatte. Terry versuchte vergeblich, ihn zu öffnen. »An dem Blech werden wir wohl seine Fingerabdrücke finden. Er hat das Ding in der Tasche getragen. Haben Sie sonst noch was entdeckt, Jiggs?«

      Allerman hatte inzwischen Terrys Arbeit fortgesetzt, und der Chefinspektor hörte das Klingen von Münzen, als Jiggs ihm den Fund zeigte. »Das ist außergewöhnlich!«

      Terry staunte, als er zehn englische Pfundstücke sah.

      »Die fand ich in seiner Westentasche, in ein Stück Papier eingewickelt. Um so sonderbarer, da der Mann doch offenbar arm war. Wie kam er zu den Goldmünzen?«

      Sie überließen dem Arzt die genaue Untersuchung des Toten und fuhren in einem Dienstauto zum Präsidium zurück.

      Dort wartete Tanner in Terrys Büro. Er rauchte eine Zigarette und las eine Zeitung, als die beiden eintraten. »Haben Sie das Testament gefunden?« fragte er.

      »Nein. Aber wir haben verschiedene andere Dinge entdeckt. Wann waren Sie zuletzt in Ihrem Schlafzimmer?«

      Tanner runzelte die Stirn. »Sie meinen in Berkeley Square? Seit heute morgen bin ich nicht mehr dortgewesen.«

      Terry sah ihn scharf an. »Sind Sie Ihrer Sache ganz sicher?«

      Tanner nickte.

      »Haben Sie in Ihrem Schreibtisch etwas gesucht?«

      »Schreibtisch ...?. Ach, Sie meinen den kleinen Sekretär? Nein!«

      »Lag etwas Wertvolles darin?«

      Ed Tanner überlegte. »Ja – ich hatte etwa ein Dutzend englische Goldstücke darin aufbewahrt. Es machte mir Spaß, sie zu sammeln. Übrigens fällt mir eben ein, daß ich heute nachmittag noch einmal in mein Schlafzimmer wollte. Die Tür war aber verschlossen. Ich dachte, die Haushälterin hätte das getan. Ab und zu macht sie das nämlich. Später hab' ich nicht mehr daran gedacht ... Ist das Geld verschwunden?«

      »Ich habe es hier in meiner Tasche«, erwiderte Terry grimmig, »aber ich kann es Ihnen nicht geben!« Unterdessen hatte, er den kleinen Blechkasten aus der Tasche gezogen und ging damit zu seinem Schreibtisch. Aus der Schublade nahm er einen Bund mit Nachschlüsseln und versuchte das Schloß zu öffnen. Es dauerte auch nicht lange, bis er Erfolg hatte. Der Deckel sprang auf, und Terry sah ein Farbkissen. »Das ist ja ein Stempelkasten!« rief er überrascht.

      Jiggs nahm die drei Gummistempel heraus und betrachtete sie verblüfft. »Da hört doch alles auf!« Es waren Gummistempel von Fingerabdrücken, deren Oberflächen noch Spuren von Feuchtigkeit zeigten.

      »So erklären sich also die Fingerabdrücke!« sagte Terry langsam. »Decadons Mörder wollte die Schuld auf einen anderen abwälzen.« Er blickte zu Ed Tanner. »Sie müssen allerdings sehr mächtige Feinde haben ...«

      »Ja –; ich habe einen Feind, dem viele Freunde und Helfer zur Verfügung stehen.« Als Tanner aufsah, begegnete er dem fragenden Blick Allermans und lächelte.

      6

      Um drei Uhr morgens hielten die höheren Beamten von Scotland Yard eine Konferenz ab. Es war ein Zeichen für die Hochachtung, die man Allerman entgegenbrachte, daß man ihn dazu einlud.

      Der Leiter des Erkennungsdienstes konnte einige interessante Tatsachen melden. »Der Vagabund ist identifiziert worden. Es handelt sich um einen gewissen William Board alias William Crane alias Walter Cork. Er war siebenmal wegen Landstreicherei und kleiner Diebstähle vorbestraft.«

      Jiggs schüttelte nachdenklich den Kopf. »Der Mann hat keinen Mord begangen. Ich habe noch niemals einen Tramp getroffen, der sich ein solches Verbrechen hätte zuschulden kommen lassen. Möglich ist allerdings, daß er die Fingerabdrucke mit den Stempeln gemacht hat. Wie mag er in den Hof gelangt sein?«

      »Meiner Meinung nach hat Decadons Mörder auch diesen Board erschossen«, meinte einer der Inspektoren. »Ich erkläre mir die Sache so, daß der arme Kerl als Werkzeug diente und daß man ihn nachher aus dem Weg räumte, um einen lästigen Zeugen los zu sein. Der Arzt schreibt ja in seinem Bericht, daß der Mann mit einer Kleinkaliber-Pistole aus kürzester Entfernung erledigt worden wäre ... Haben Sie übrigens Tanner aus der Haft entlassen?«

      Terry nickte. »Ja. Nach Auffindung der Gummistempel konnten wir ihn nicht gut in Gewahrsam behalten. Die einzig haltbare Erklärung ist, daß Board schon früher am Tag in das Haus einbrach, und zwar, bevor die Polizei auf der Bildfläche erschien. Er muß sich in Tanners Schlafzimmer versteckt haben. Er trug übrigens Tanners Hausschuhe und Überschuhe. Wir haben auch festgestellt, daß seine Stiefel im Schlafzimmer standen. Ich kann nur nicht verstehen, warum er eine derartig gewagte Sache übernahm. Tanner ist doch den ganzen Tag in der Wohnung aus und ein gegangen.«

      »Wäre es nicht möglich, daß Tanner ihn absichtlich in seine Wohnung kommen ließ?« warf Jiggs ein.

      Alle Anwesenden sahen den Amerikaner erstaunt an.

      »Warum sollte er das getan haben?« fragte Terry. »Um Verdachtsmomente gegen sich selbst zu häufen?«

      »Es klingt zunächst unlogisch«, entgegnete Jiggs liebenswürdig. »Vielleicht bin ich auch um diese späte Nachtzeit schon ein bißchen müde und abgespannt. Eines aber ist sicher: Der erste Schuß in diesem Kampf ist gefallen. Und morgen früh werden die Zeitungen die Geschichte von dem Drohbrief und von der Forderung der fünfzigtausend Pfund bekanntmachen. Durch Decadons tragischen Tod will man die Leute in Schrecken und Angst versetzen ... Fragt sich, ob auch der andere Plan zur Ausführung gelangt. Ich glaube schon.«

      Terry Weston lachte. »Sie sprechen in Rätseln, Jiggs!«

      »Leicht möglich.« –

      Terry ging in sein Büro zurück und setzte sich an seinen Schreibtisch. In der Stille der Nacht versuchte er all die verschiedenen Tatsachen in einen faßbaren Zusammenhang zu bringen, was ihm aber einstweilen nicht gelang. Er hielt den Kopf in die Hände gestützt und war nahe am Einschlafen, als plötzlich das Telefon läutete.

      Der Beamte in der Zentrale meldete: »Eine Dame möchte Sie sprechen. Meiner Meinung nach kommt der Anruf von einer Fernsprechzelle.«

      Gleich darauf hörte der Chefinspektor eine ängstliche, ziemlich gewöhnliche Stimme: »Sind Sie Mr. Terry, der Detektiv von Scotland Yard?«

      »Jawohl, hier Terry Weston!«

      »Entschuldigen Sie bitte die Störung! Ich möchte nur fragen, ob Miss Ranger bald nach Hause kommt. Ich ängstige mich ein bißchen um sie ...«


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