Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig Bechstein

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Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch - Ludwig Bechstein


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Birnbaum, da kam ein graues Männlein auf

       einem Esel geritten, das sich schon mehrmals als des

       Schmiedes Schutzgeist bewiesen hatte. Dieses Männchen

       herbergte bei dem Schmied und ließ den Esel beschlagen,

       was jener gern tat, ohne Lohn zu heischen.

       Darauf sagte das Männlein zu Peter, er solle drei

       Wünsche tun, aber dabei das Beste nicht vergessen.

       Da wünschte der Schmied, weil die Diebe ihm oft die

       Birnen gestohlen, es solle keiner, der auf den Birnbaum

       gestiegen, ohne seinen Willen wieder herunter

       können – und weil er auch in der Stube öfters bestohlen

       worden war, so wünschte er, es solle niemand

       ohne seine Erlaubnis in die Stube kommen können, es

       wäre denn durch das Schlüsselloch. Bei jedem dieser

       törichten Wünsche warnte das Männlein: »Vergiß das

       Beste nicht!« und da tat der Schmied den dritten

       Wunsch, sagend: »Das Beste ist ein guter Schnaps, so

       wünsche ich, daß diese Bulle niemals leer werde!« –

       »Deine Wünsche sind gewährt«, sprach das Männchen,

       strich noch über einige Stangen Eisen, die in der

       Schmiede lagen, mit der Hand, setzte sich auf seinen

       Esel und ritt von dannen. Das Eisen war in blankes

       Silber verwandelt. Der vorher arm gewordene

       Schmied war wieder reich und lebte fort und fort bei

       gutem Wohlsein, denn die nie versiegenden Magentropfen

       in der Bulle waren, ohne daß er es wußte,

       ein Lebenselixier. Endlich klopfte der Tod an, der ihn

       so lange vergessen zu haben schien; der Schmied war

       scheinbar auch gern bereitwillig, mit ihm zu gehen,

       und bat nur, ihm ein kleines Labsal zu vergönnen und

       ein paar Birnen von dem Baum zu holen, den er nicht

       selbst mehr besteigen könne aus großer Altersschwäche.

       Der Tod stieg auf den Baum, und der Schmied

       sprach: »Bleib droben!« denn er hatte Lust, noch län-

       ger zu leben. Der Tod fraß alle Birnen vom Baum,

       dann gingen seine Fasten an, und vor Hunger verzehrte

       er sich selbst mit Haut und Haar, daher er jetzt nur

       noch so ein scheußlich dürres Gerippe ist. Auf Erden

       aber starb niemand mehr, weder Mensch noch Tier,

       darüber entstand viel Unheil, und endlich ging der

       Schmied hin zu dem klappernden Tod und akkordierte

       mit ihm, daß er ihn fürder in Ruhe lasse, dann ließ er

       ihn los. Wütend floh der Tod von dannen und begann

       nun auf Erden aufzuräumen. Da er sich an dem

       Schmied nicht rächen konnte, so hetzte er ihm den

       Teufel auf den Hals, daß dieser ihn hole. Dieser

       machte sich flugs auf den Weg, aber der pfiffige

       Schmied roch den Schwefel voraus, schloß seine Türe

       zu, hielt mit den Gesellen einen ledernen Sack an das

       Schlüsselloch, und wie Herr Urian hindurch fuhr, da

       er nicht anders in die Schmiede konnte, wurde der

       Sack zugebunden, zum Amboß getragen, und nun

       ganz unbarmherziglich mit den schwersten Hämmern

       auf den Teufel losgepocht, daß ihm Hören und Sehen

       verging, er ganz mürbe wurde und das Wiederkommen

       auf immer verschwur. Nun lebte der Schmied

       noch gar lange Zeit in Ruhe, bis er, wie alle Freunde

       und Bekannte ihm gestorben waren, des Erdenlebens

       satt und müde wurde. Machte sich deshalb auf den

       Weg und ging nach dem Himmel, wo er bescheidentlich

       am Tore anklopfte. Da schaute der heilige Petrus

       herfür, und Peter der Schmied erkannte in ihm seinen

       Schutzpatron und Schutzgeist, der ihn oft aus Not und

       Gefahr sichtbarlich errettet und ihm zuletzt die drei

       Wünsche gewährt hatte. Jetzt aber sprach Petrus:

       »Hebe dich weg, der Himmel bleibt dir verschlossen;

       du hast das Beste zu erbitten vergessen: die Seligkeit!

       « – Auf diesen Bescheid wandte sich Peter, und

       gedachte sein Heil in der Hölle zu versuchen, und

       wanderte wieder abwärts, fand auch bald den rechten,

       breiten und vielbegangenen Weg. Wie aber der Teufel

       erfuhr, daß der Schmied von Jüterbogk im Anzuge

       sei, schlug er das Höllentor ihm vor der Nase zu und

       setzte die Hölle gegen ihn in Verteidigungsstand. Da

       nun der Schmied von Jüterbogk weder im Himmel

       noch in der Hölle seine Zuflucht fand, und auf Erden

       es ihm nimmer gefallen wollte, so ist er hinab in den

       Kiffhäuser gegangen zu Kaiser Friedrichen, dem er

       einst gedient. Der alte Kaiser, sein Herr, freute sich,

       als er seinen Rüstmeister Peter kommen sah und fragte

       ihn gleich, ob die Raben noch um den Turm der

       Burgruine Kiffhausen flögen? Und als Peter das bejahte,

       so seufzte der Rotbart. Der Schmied aber blieb

       im Berge, wo er des Kaisers Handpferd und die Pferde

       der Prinzessin und die der reitenden Fräulein beschlägt,

       bis des Kaisers Erlösungsstunde auch ihm

       schlagen wird. – Und das wird geschehen nach dem

       Munde der Sage, wenn dereinst die Raben nicht mehr

       um den Berg fliegen, und auf dem Rathsfeld nahe dem

       Kiffhäuser ein alter dürrer abgestorbener Birnbaum

       wieder ausschlägt, grünt und blüht. Dann tritt der

       Kaiser hervor mit all seinen Wappnern, schlägt die

       große Schlacht der Befreiung und hängt seinen Schild

       an den wieder grünen Baum. Hierauf geht er ein mit

       seinem Gesinde zu der ewigen Ruhe.

       Hänsel und Gretel

       Es war einmal ein armer Holzhauer, der lebte mit seiner

       Frau und zwei Kindern in einer dürftigen Waldhütte.

       Die Kinder hießen Hänsel und Gretel, und wie

       sie so heranwuchsen, gebrach es immer mehr den

       armen Leuten an Brot. Auch wurde die Zeit immer

       schwerer und alle Nahrung teurer, das machte den

       beiden Eltern große Sorge. Eines Abends als sie ihr

       hartes Lager gesucht hatten, seufzte der Mann: »Ach

       Frau, wie wollen wir nur die Kinder durchbringen, da

      


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