Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig Bechstein
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das merkten, schämten sie sich ihrer wenigen Herzhaftigkeit
und verschwuren sich, diese ihre erste Hel-
dentat nicht weiter zu erzählen.
Weiter so kamen die sieben Schwaben auf ihrem
Zuge in einen Hohlweg, und wie sie so tapfer darauf
losmarschierten, merkten sie nicht, daß ein großmächtiger
Bär im Wege lag, bis der Allgäuer fast mit der
Nase an ihn stieß. Als er ihn nun sah, war er hin vor
Schreck, stolperte und stieß mit dem Spieße geradezu
auf den Bären los, wozu er aber nichts konnte, und
schrie dazu gottsjämmerlich: »E Bär! E Bär!« Vermeinte,
sein letztes Brot wäre gebacken und bereits
verzehrt. Doch rührte sich der Bär nicht, dieweil er
maustot war. Des war der Allgäuer hoch erfreut,
schaute nun nach seinen Brüdern, und sah mit neuem
Schreck, daß alle mäusleinstill für tot auf dem Boden
lagen, meinte, er habe sie gar mit dem Spieße hinterrücks
erstochen, und erhub ein Wehegeschrei. Als die
am Boden Liegenden vermerkten, daß der Bär den
Allgäuer nicht aufgefressen, denn sie waren nur vor
Schreck dahin gepurzelt, lugten sie vorsichtig in die
Höh, und wie sie sahen, daß der Bär tot war, erhoben
sie sich frisch und gesund, traten um den Bären herum
und auf ihn, und untersuchten, wie tief wohl die
Wunde sei, die der Spieß ihm beigebracht, fanden
aber keine, und der Blitzschwab sagte: »Hotz Blitz!
Der Bär ischt verreckt und schoh lang tot!« – »Joh
Joh«, sprach der Jockele, »mer schmeckt de Brohde.«
Wurden eins, dem Bär das Fell abzuziehen und als
Siegeszeichen mit sich zu führen, das Aas aber liegen
zu lassen. »Jetzt kennet d'Schoof de Bäre fresse, wie
er d'Schoof gfresse hod!« sprach einer unter ihnen,
und so zogen sie fürbaß mit ihrem Bärenfell und
ihrem Spieß.
Kamen nun just in einen Wald und gerieten tiefer
und tiefer in die Stauden hinein, bis sie darin stecken
blieben. Die Bäume standen zuletzt so dicht, daß des
Fortkommens kein Gedanke war, bis der Allgäuer
endlich vor einem derben Stamme stehen blieb, den
Spieß erhob und wie ein Löw brüllte: »Bygott! durch
muß e.« Sprach's und rannte den Spieß mit solcher
Gewalt zur Seite des Baums in den Boden, daß der
Knöpflesschwab zwischen Baum und Spieß eingeklemmt
wurde, wie ein Treibkeil, und sich weder rühren
noch regen konnte. Und das war eben kein Kinderspiel,
denn jetzt stockte der Zug vollends, konnte
keiner vor- noch rückwärts. Zwar machten die Gesellen
einige mächtige Versuche, den Knöpflesschwab
aus der Klemme herauszuziehen, aber es war eitel
Mühen: der Hans saß fest und wankte nicht. Da war
es plötzlich, als ob dem Allgäuer ein großer Gedanke
durch das Hirn dämmerte; er lugte um sich und rief:
»Bygott! i mießt 's Teufels sei, wenn mer Gott et helfe
tät!« Und er sagte: »Hui Ochs!« und packte den
Baum mit gewaltiger Faust und riß ihn heraus samt
Wurzel, Stumpf und Stiel. Der Knöpflesschwab, mehr
tot als lebendig, schnellte heraus just wie der Ball
beim Pritschenschlagen, flog sechs Klafter himmelanwärts
und plumpte hernieder, daß die Erde drob wakkelte.
Die fünf andern aber schauten gar ehrerbietig zu
dem Allgäuer empor, denn erst jetzt ging ihnen ein
Licht auf, welchen Fund sie an dem Herrn Schulz
getan.
Um ein weniges weiter, zeigte sich's abermals, daß
der Allgäuer das Herz nicht im Sprungriemen trug,
denn als die sieben sich aus den Stauden herausgefunden,
kam ein Bräuer aus München des Wegs, der trieb
ein Rudel Borstenvieh vor sich her und man konnt's
ihm auf hundert Schritt ansehen, wes Landes Kind er
war. Blieb groß und breit stehen, als er die sieben mit
dem Spieß erblickte und zog ein Gesicht, als wollt er
die wackern Leut auslachen. Gleich war der Blitzschwab
vor ihn her und fragte protzig: »Was luegscht
Gsell? hoscht du noh koan Schwohbe gseah?« – »O
genug«, gab jener zurück, »bei mir daheim auf der
Malzdarre laufen sie zu Tausenden herum.« Meinte
spottweise die schwarzen Käfer, also geheißen, weiß
keine Menschenseele warum. Das war genug, um dem
Blitzschwab, der zu Zeiten giftig war, wie ein Maifrosch,
die Laus über den Grind laufen zu lassen.
Machte sich an den Baier heran, und gab ihm flugs
eine Watschel, daß jenem die Augen hell aufblitzten
und die Ohren summten just eben so, wie die große
Horniß. Der Baier, nicht faul, langte mit den Armen
weitmächtig aus, um dem Schwäblein auch eine zu
versetzen; und es wär auch eine gewesen, an die er
sein Lebtag gedacht hätte. Nun war aber der Blitzschwab
ein putziges Kerlchen, drehte sich auf einem
Beine siebenmal herum, und hatte sein Lebtag nichts
besser gelernt, als das Ausreißen. So kam es, daß der
Baier gar mächtiglich in die Luft schlug, sich um und
um drehte wie ein Kreisel, stolperte und zu Boden
stürzte wie ein Wiesbaum. Das half ihm zum Garaus;
der Blitzschwab stürzte über ihn her wie ein Quekkenhamster
und packte ihn an der Gurgel, während
die andern Hände und Füße hielten und lustig darauf
lostrommelten. Er wäre ihrer aber doch letztlich noch
Herr geworden, weil er ein großer starker Kerl war,
wäre nicht auch der Allgäuer über ihn hergefallen, wie
ein Maltersack. Da mußte er Abbitte tun, wohl oder
übel, denn das Häufein ließ nicht eher locker und
ledig.
Und es geschah, daß die guten Gesellen auf ihrer
Weiterreise an einen weiten blauen See kamen, so
dünkete es ihnen, denn