Dog Soldiers. Thomas GAST

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Dog Soldiers - Thomas GAST


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zu schaffen!«

      Ich schrie es fast, worauf alle entsetzt zurückwichen. Ich musste wohl ausgesehen haben wie der Teufel in Person, doch ich sprach aus Überzeugung.

      Die Verwirrung dauerte nur einige Sekunden.

      »Und was ist mit den Niagarafällen?«, erkundigte sich Kenneth.

      »Das ist ein Gerücht, Ken«, erwiderte ich aus dem Bauch heraus, denn ich wusste die Antwort nicht. »Wer sollte schon so etwas Unsinniges gewagt haben wie die Niagarafälle zu überqueren? Niemand!«

      Ich hielt den Atem an.

      »Bis jetzt zumindest. Aber ich werde es tun. Wenn wir erst einmal berühmt sind, dann …«

      »Blondin!«, sagte plötzlich eine laute Stimme hinter mir.

      Ich drehte mich um und sah verwundert, aber auch etwas verärgert in Carmens haselnussbraune Augen.

      »Blondin?«

      Sie nickte, strich sich dabei eine rebellische Strähne aus dem Gesicht. Eine Geste, die ich nur allzu gut kannte. In diesem Augenblick wäre ich für sie sogar die Niagarafälle runtergesprungen, nackt mit einer Feder im Arsch, wenn sie es verlangt hätte!

      »Charles«, sagte sie. »Charles Blondin. Er hat die Niagarafälle vor sechs Monaten überquert und das mehrere Male, soviel ich weiß!«

      »Und woher weißt du das?«, fragte Phillip neugierig.

      Carmen wurde rot. »Er … Er hat es mir gesagt!«

      Nun war es heraus. Er hatte es ihr gesagt. Er, den ich gar nicht kannte, hatte sich nicht damit begnügt, mir meine Idee zu stehlen. Nein! Er hatte sogar die Dreistigkeit besessen in feindliches Gebiet vorzudringen, und das war Carmen allemal. Carmen, so dachte ich naiverweise, war mein Territorium, vermessen und abgesteckt in meinen kühnsten Gedanken. Doch was für ein Narr ich war! Hatte ich wirklich ernsthaft geglaubt, sie könnte mir allein gehören?

      Dies alles ging mir im Bruchteil einer Sekunde durch den Sinn.

      Mein Herz krampfte sich vor Enttäuschung zusammen. Alles Blut wich aus meinem Kopf, was dazu beitrug, dass ich keinen einzigen vernünftigen Gedanken mehr fassen konnte. Es schien, als konnten alle in diesem Augenblick meine Gedanken lesen, meine Angst und meine Enttäuschung riechen.

      »Charles ist mein Cousin!«

      »Und er hat die Niagarafälle überquert?«, hörte ich Kenneth wie von weitem fragen.

      Carmen nickte. »Als Erster!«

      Wieder stach ein Dolch in meine Eingeweide, aber meine Gedanken waren nun plötzlich klar, mein Angstschweiß getrocknet. Wie ein wütender Stier suchte ich nach der nächsten Herausforderung. In meiner Verzweiflung wandte ich mich an Phillip.

      »Weiß dein Freund auch, wie wir zum Grand Canyon kommen?« Und mit einem mahnenden Blick auf Carmen: »Oder war dein geliebter Cousin dort etwa auch schon?«

      Noch am selben Tag besuchten wir den unbekannten Alten, von dem Phillip gesprochen hatte. Er wohnte in einer Seitenstraße des Boulevard du Montparnasse und tatsächlich, der Mann schien sich auszukennen. Er erzählte uns von Landstrichen beiderseits zweier großer Flüsse, die er Mississippi und Missouri nannte. Während er erzählte, waren seine von einer mysteriösen Krankheit fast erblindeten Augen auf das halb geöffnete Fenster gerichtet. Sie erschienen mal trübe und matt, funkelten eine Weile später jedoch schon wieder wie glühende Kohlen. Wir selbst waren entzückt. Er sprach von satten grünen Wiesen, von Antilopenherden, welche die Ufer der Flüsse so zahlreich säumten, dass man ihre Zahl nur schätzen konnte, von endlosen Büffelherden, von friedlichen schwarzen Bären und von Wölfen, die in ganzen Rudeln auftauchten. Und er erzählte lebhaft von den Goldfunden und von den Menschen, die nach diesem Gold schürften. Obwohl er die Worte Milch und Honig nicht erwähnte, kam es uns genauso vor ... ein Land, in dem Milch und Honig floss! Was dieser Alte uns erzählte, sprengte bei weitem den Rahmen unserer Vorstellungskraft. Selbst den größten Gefahren, die von den Einheimischen, er nannte sie Indianer, ausgingen, gewann er nur eine gewisse träumerische, romantische Seite ab, und wir sahen das ebenso. Weshalb auch sollten die Indianer uns etwas anhaben wollen, würden wir doch nichts anderes verlangen, als dass sie uns in Ruhe ließen?

      Als wir dem Boulevard du Montparnasse den Rücken zukehrten, hatten wir den Grand Canyon längst aus unserem Gedächtnis gestrichen. Unser tatsächliches Ziel war nun dieses geheimnisvolle Land nordwestlich einer Ortschaft Namens Fort Benton am oberen Missouri. Ein Land, und davon waren wir überzeugt, das Zukunft hatte. Wir handelten rasch. Zunächst warfen wir all unsere Ersparnisse in einen Topf. Das Ergebnis? Umgerechnet etwas mehr als siebentausend Dollar! Das war zu der Zeit eine beträchtliche Summe. Dazu kam eine Handvoll Edelsteine. Ich glaube sogar, es handelte sich dabei um Diamanten. Meine Mutter, Gott sei ihrer armen Seele gnädig, hatte sie mir am Tag, bevor sie starb, anvertraut. Ein silberner Armreif, den sie jahrzehntelang getragen hatte, vervollständigte meinen Reichtum. Die Einzige, die davon wusste, war Carmen; und so sollte es auch bleiben. Die wenigen Habseligkeiten, die wir besaßen, reduzierten wir auf ein striktes Minimum, drei große Kisten alles in allem. An einem grauen Morgen, als Paris noch schlief, stiegen wir in eine Kutsche. Unser Ziel war Toulon, wo wir hofften, sobald als möglich ein Schiff zu finden, das uns in die Neue Welt bringen sollte.

      Adieu, altes Europa

      Glich die Fahrt über das Meer einer Herausforderung, einem Abenteuer, wie niemand von uns es je zuvor aufregender erlebt hatte, die Reise von der wilden Küste in New Orleans bis hinauf nach St. Louis war es nicht. Im Gegenteil. Sie war Ernüchterung, Schikane, eine Tortur! Die wilden Herbststürme schüttelten die Barke derart durch und es regnete so stark, dass wir uns nicht nach draußen ans Oberdeck wagen konnten, und wir alle litten an der Seekrankheit, Carmen, die Arme, am meisten. In St. Louis verbrachten wir unsere erste längere Etappe und dort bestätigten sich die Aussagen des Mannes in Paris prompt. Ich war eines Abends alleine losgezogen und hatte es mir in einer überfüllten Pinte gemütlich gemacht. An diesem schrecklichen Ort stank es penetrant nach Tabak, Bier und Schweiß. An der Bar lehnten bewaffnete, ungepflegte bärtige Männer, während in der mir gegenüber liegenden Ecke ein Mann mit Zylinder vergeblich versuchte, einem alten Piano ein paar Töne zu entlocken. Draußen in den schlammgefüllten Straßen fiel irgendwo ein Schuss. Laute Stimmen drangen zu uns herein. Ein zweiter Schuss beendete das Tohuwabohu. Mir gegenüber am Tisch saß ein alter und recht redseliger Mann.

      »Ja, ja! Nördlich von Fort Benton irgendwo an den Quellen des Missouri liegt ein Paradies. Wenn Sie reich und berühmt werden wollen, dann gehen Sie dorthin ... nach Fort Benton!«

      Solche oder ähnliche Sprüche hörten wir in St. Louis an jeder Straßenecke, doch der Mann, aus dessen Mund diese Worte nun kamen, machte einen ernsten und aufrichtigen Eindruck auf mich. Ich rückte näher an ihn heran, um mir bloß kein Wort von dem, was er zu sagen hatte, entgehen zu lassen. Die Neugier hatte mich gepackt. Bevor er weitersprach, drehte sich der Alte um und sah vorsichtig über seine Schulter hinweg. Fast ängstlich fügte er leise hinzu:

      »Da oben in Montana gibt es Gold, das hat mir ein alter Blackfeet Indianer vor kurzem erzählt. Derselben Meinung sind auch der eine oder andere Trapper, die meinen Weg dieser Tage kreuzten.«

      Gold! Es stimmte also. In mir brodelte es.

      »Und?«, fragte ich wie beiläufig. »Was hat dein Indianer-Freund noch erzählt? Gold, musst du wissen, interessiert mich nicht so doll.«

      Ich musste nicht mal lügen, doch der Alte sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren.

      »Nun, er sagte auch, dass es viele Stromschnellen gibt am oberen Missouri, und einen großen Wasserfall, vielleicht größer als der Niagara!«

      Mein Herz tobte in der Brust. Größer als der Niagara, das hieß bekannter und berühmter als dieser Blondin, das hieß ...! Ich spann diesen Gedanken nicht zu Ende, lächelte stattdessen dem Alten ermunternd zu, doch aus irgendeinem Grund wollte er nicht mehr preisgeben.

      »So, und nun sag ich besser gar nichts mehr«, bemerkte


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