Wenn die Liebe hinfällt.... Christian Friedrich Schultze

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Wenn die Liebe hinfällt... - Christian Friedrich Schultze


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nutzte, um über dieser herrlichen Welt zu schweben, dachte er. Aber er hatte keinen Mozart!

      Sie kam langsam und unentschlossen vom Parkplatz herüber geschlendert. Er hatte sie sofort bemerkt. Sie ziehen an solchen Tagen immer weiße Kleider an, dachte er, während er ihre Beine scannte. Er guckte immer zuerst auf die Beine und dann die Figur hinauf. Dann versuchte er, ihre Augen zu betrachten. Nicht, dass er Blickkontakt gesucht hätte, das war lange vorbei. Aber er brauchte die Information, was sie für Augen hatten, die Form und die Farbe, um sich sein Bild von ihnen machen zu können. Frauen interessierten ihn nur noch im Rahmen ihrer Erscheinung. Und immer noch rätselte er an dem Problem, ob man vom Äußeren auf das Innere schließen könne.

      Er hatte die letzten Jahre erfolgreich vermieden, sich noch einmal mit dem anderen Geschlecht einzulassen. Er wollte, dass das vorbei war. Zwei Scheidungen reichten! Warum sollte er den Gleichklang seines letzten Lebensviertels, den er mit Mühen erreicht hatte, wegen einer Affäre mit einer unberechenbaren Schönen aufs Spiel setzen? Aber er machte sich gerne seine Gedanken über sie, egal ob sie nun alleine, mit Begleiter oder mit Familie auftauchten.

      Natürlich trug sie eine Designersonnenbrille - Prada, Gucci oder Ray-Ban? Er kannte sich nicht genug aus. So etwas wusste Lina, seine Tochter. Im grellen Gegenlicht hätte er ihre Augenfarbe sowieso nicht bestimmen können. Sie hatte blonde Haare, dunkle Brauen und ein schmales Gesicht mit vollen Lippen. Und sie besaß diese langen, schlanken, aber muskulösen Beine, die er liebte. Sie trieb Sport, das sah er gleich. Die Füße steckten in Sandalen mit hohen Absätzen, deshalb hatte sie Schwierigkeiten, über die Wiese zu kommen. Es war fast noch überall frei, aber sie kam auf ihn zu. Klar, es war der beste Platz. Jedenfalls seiner Meinung nach. Deshalb fuhr er ja so früh los. Um diesen Platz zu bekommen!

      Es war sein Platz. Schon das fünfte Jahr, seit er sich von Claire getrennt hatte, oder sie sich von ihm. Genau war er sich darüber immer noch nicht mit sich einig geworden. Jedenfalls fuhr er immer hierher. Er hatte andere Liegeplätze ausprobiert. Aber nur zwei, drei Mal. Dann hatte er ihn endlich gefunden. Sie fand ihn offenbar gleich beim ersten Mal.

      Er hatte sie noch nie hier gesehen. Sie ging an ihm vorbei und streifte dabei durch die Brille hindurch kurz seinen Blick. Das Kleid lag an ihrer Figur an. Natürlich hat sie auch einen festen Hintern, stellte er fest. Die Haare sind blondiert oder mindestens aufgehellt. Er überlegte, wie alt sie sein könnte, während sie sich keine zehn Meter von ihm entfernt, nahe einer jungen Lärche, ihr Lager einrichtete. Sie sieht jünger aus, als sie ist, orakelte er. Jedenfalls ist sie nur wenig älter als Brian, könnte also gut seine Tochter sein.

      Er drehte sich leicht von ihr weg, um nicht nochmal ihrem Blick zu begegnen und um sein Desinteresse zu signalisieren. Schon merkwürdig, dass sie sich fast neben ihn legte. Es waren noch nicht allzu viele Badegäste da, überall wäre noch frei gewesen. Sie hatte wohl einen Instinkt für den besten Platz, wie er, dachte er. Er schloss die Augen und konzentrierte sich wieder auf seinen Mozart.

      Dann war er eingeschlafen. Bei lauter Musik im Ohr konnte er wunderbar abschalten und fest schlafen. Die Musik stellte nichts Bemerkenswertes mit ihm an, während er schlief. Jedenfalls hatte er noch nichts dergleichen bemerkt. Aber von der Hitze erwachte er. Die Sonne war höher gewandert, leuchtete schräg durch die Lärchen und brannte ihm genau auf den Pelz.

      Er sah wieder hinüber zu ihr. Sie lag ihm zugewandt auf der Seite. Die langen blonden Haare hingen jetzt offen über ihre Schulter auf die Decke hinab, auf der sie lag. Sie hatte einen blauen Bikini an und ihre Haut war gut gebräunt. Sie hatte die Sonnenbrille abgenommen und las in einem Buch. Jedenfalls sah es so aus. Ihre wohlgeformten Beine lugten zu ihm herüber. Die Farbe ihrer Augen konnte er immer noch nicht ausmachen. Der Bikini drückte auf den Ansatz ihres nicht großen Busens.

      Sie ist gut gewachsen, nicht direkt schön, aber unglaublich apart. Gut, dass man ruhiger geworden ist, dachte er bedauernd. Aber doch irgendwie schade, dass man alt geworden ist und nicht mehr mitmischen kann. Ein leichter Lufthauch bewegte die Bäume. Ein goldener Lichtstrahl schoss über das Lager der Blonden, tauchte ihren Kopf und ihren Körper einen kurzen Moment lang in einen magischen Schlagschatten. Dieser winzige Augenblick genügte, um ihn zu verändern.

      Während dieses Unvermeidliche in ihm vorging, drehte er sich weg von ihr. Er hörte den Mozart nicht in seinem Ohr und sah auch nicht die herrliche, in die Mittagssonne getauchte Landschaft. Er sah im Geiste sich und sie, in der Oper in Salzburg, auf einer Berghütte, auf seiner Liege, überall. Und war sich gleichzeitig darüber im Klaren, dass sein Gehirn gerade eine blödsinnige Illusion erzeugte. Der Zombie in ihm war munter geworden. In seinem Cerebrum hatte etwas eingeschlagen, das das Unterbewusstsein im Erwachenden geweckt hatte. Der Teufel arbeitete ab sofort gegen ihn. Und der hatte gerade seine Gefühle und Instinkte hochgepeitscht. Der wollte ihn aus seiner Ruhe bringen! Er würde sie nicht ansprechen, dachte er dagegen an. Sein Handeln würde der nicht unter Kontrolle bekommen.

      Es war zu blöd! Er brauchte sich nur anzusehen. Mühsam hielt er sein Gewicht. Sein Körper hatte sich verändert, seit er nicht mehr mit den „Alten Herren“ wenigstens einmal pro Woche Fußball spielen konnte, weil es seine Bandscheibe erwischt hatte. Die Muskeln zeigten deutliche Anzeichen von Erschlaffung. Seine Haut drohte, knitterig zu werden. Es gab schon einige braune Flecken auf den Händen. Nur wenige seiner Haare waren noch dunkel wie früher. Gut, er hatte die berühmten graumelierten Schläfen der älteren Herren. Aber er neigte zur Korpulenz und versuchte verzweifelt, mit Fahrradfahren und Bergwandern, im Sommer, an solchen warmen Tagen, mit etwas Schwimmen, seine Veranlagung zur Übergewichtigkeit zu bekämpfen. Aber sein Hang zu Rotwein und gutem Kochen hielt ständig dagegen. Er drehte sich wieder zu ihr herum. Er würde dem Instinktmeister zeigen, dass sein Wille und seine Vernunft stärker waren als er.

      Sie sprach ihn an, nachdem sie ihn kurz angelächelt hatte. Es hatte ein bisschen ausgesehen, als ob sie sich amüsierte.

      „Können sie mit Musik im Ohr sooo fest schlafen?“, fragte sie herüber. Sie hatte ihn also beobachtet.

      „Habe ich etwa geschnarcht?“, fragte er zurück, ziemlich erschrocken darüber, dass sie ihn so geradezu angesprochen hatte. Er wusste, dass er schnarchte, wenn er es selbst auch noch nie gehört hatte.

      „Ich hatte mich nur gefragt, bei welcher Art von Musik man so selig schlafen kann“, sagte sie. „Ich finde das beeindruckend.“

      „Na ja, es ist Mozart, aber es ist egal. Es geht bei jeder Musik“, sagte er, versuchte ein Lächeln und ärgerte sich, dass er dabei etwas verlegen wirkte.

      „Würden sie mich mal reinhören lassen?“

      „Nur wenn sie mir dafür ihr Buch zeigen“, erwiderte er knurrig. Er gab sich Mühe, es abweisend klingen zu lassen.

      „Gut, darf ich rüber kommen?“

      Sie nahm ein Badetuch und ihr Buch und kam zu ihm herüber. Sie war mit Pumps wahrscheinlich einen halben Kopf größer als er. Sie hatte blaue Augen, fast dieselbe Farbe, wie er selbst.

      „Ich bin Oskar“, sagte er, indem er sich halb aufrichtete und ihr die Hand hinreichte.

      „Ich bin Sue“, erwiderte sie und ignorierte seine Hand. Sie legte ihr Frottiertuch an seine Decke und gab ihm das Buch. 'Geliebtes, dunkles Land' las er. Er erklärte ihr die Funktionsweise seines MP3-Players. Sie bugsierte den linken und den rechten Ohrhörer wie angewiesen in ihre Ohrmuscheln. Sie hat zierlich anliegende Öhrchen, konnte er dabei feststellen. Der Zombie freute sich und röhrte. Winzige Ohrstecker, Brillianten?, glänzten an ihren Ohrläppchen. Sie hatte sich schon auf ihr Tuch gelegt und mit dieser unnachahmlichen Bewegung, die das andere Geschlecht ausmacht, ihre langen, blondierten Haare in den Nacken geworfen. Sie schloss die Augen. Es sah aus, als ignorierte sie ihn.

      Sie gibt dir Zeit, sie in Ruhe zu betrachten, flüsterte der Zombie.

      Ihre Haut war im Gegensatz zu seiner glatt und sportlich gebräunt. Sie hatte feste, nicht große Brüste und einen flachen Bauch. Sie hatte schöne Füße. Sie hatte wunderschöne gepflegte Hände. Lippen, Finger- und Fußnägel waren mit einem kaum merklichen Rouge belegt. Er schätze sie Anfang dreißig,


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