Der Wüstensklave. J. D. Möckli

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Der Wüstensklave - J. D. Möckli


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solltest du dich heute noch schonen«, meldet sich Kai nun das erste Mal zu Wort, während er ihm einen Becher Wasser hinstellt. »Lass es ruhig angehen. Morgen kommt eine Lieferung und wir wären froh, wenn du uns dann helfen könntest.« Da Kai spürt, dass es Yari beunruhigt, wenn er ihn zu lange ansieht, wendet er sich wieder seinem Großvater zu. »Ja, ich habe die Schramme schon mit Heilsalbe behandelt und die Haut um die Wunde ist auch nicht heiß.«

      Zufrieden nickt Ren, während er die geschälten Kartoffeln in Scheiben schneidet. »Dann sollte die Wunde ja bald wieder verheilt sein. Wann musst du denn Morgen am Hafen sein?«

      Seufzend blickt Kai zu dem Topf auf dem Herd, in dem ein Gulasch vor sich hin kocht. Er rührt darin herum. »Ich muss gleich nach Sonnenaufgang los. Du wirst also den Laden aufmachen müssen. Ich hoffe nur, dass es nicht wieder den ganzen Morgen dauert, bis ich zurück bin.«

      Schweigend hört Yari dem Gespräch der beiden Männer zu, die sich verhalten, als wäre er gar nicht da. Er beobachtet, wie Ren die geschnittenen Kartoffeln in die Bratpfanne fallen lässt, die er dann an Kai weiterreicht.

      »Na ja, die Lieferung kommt doch aus China. Dann könnte es wirklich länger dauern. Bestimmt sprechen die wieder nur ein paar Brocken Japanisch oder ein bisschen die allgemeine Händlersprache – wenn überhaupt.« Grinsend sieht er seinen Enkel an, der die Pfanne auf eine der heißen Herdplatten stellt. »Vielleicht solltest du mal etwas mehr Chinesisch lernen. Dann würde es bestimmt schneller gehen.«

      Seufzend blickt Kai an die Decke. »Ja. Oder ich suche mir einen Dolmetscher, der keinen Wucherpreis verlangt – und die sind ja bekanntlich so häufig wie ein Fisch in der Wüste.«

      »Ich spreche Chinesisch«, meldet sich Yari leise zu Wort, senkt aber gleich den Blick, als er plötzlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht.

      Überrascht blicken ihn Kai und Ren an. »Du sprichst Chinesisch? Also so richtig und nicht nur ein paar Brocken?«, fragt Kai nach und setzt sich Yari gegenüber an den Tisch.

      »Ja, so richtig. Ich kann auch die Schrift lesen.« Unsicher hebt Yari wieder den Kopf und sieht in ein erfreutes Gesicht.

      »Dann würde ich sagen, dass du heute früh schlafen gehst, sodass du morgen auch fit bist und mitkommen kannst.«

      Lachend legt Ren die Hand auf Yaris Schulter, nimmt sie aber schnell wieder weg, als er spürt, wie sich der junge Mann verspannt. »Du hast Kai gerade eine riesige Freude gemacht, mein Junge.« Immer noch grinsend steht er auf und räumt die Sachen vom Tisch, die jetzt nicht mehr gebraucht werden.

      Ratlos blickt Yari zwischen den beiden Männern hin und her.

      »Die Chinesen sind der Meinung, dass wir alle ihre Sprache können müssen«, erklärt Kai, »deshalb machen sie sich nicht die Mühe, andere Sprachen zu lernen. Und das als Händler – diese Idioten! Ich kann leider nur ein paar Brocken Chinesisch, was die Preisverhandlungen immer extrem in die Länge zieht. Darum bin ich wirklich froh, dass du Chinesisch kannst.«

      »Tja, dann hast du wohl deinen Wüstenfisch gefunden«, scherzt Ren, als er mit drei Tellern und Besteck wieder an den Tisch kommt.

      Im ersten Moment wird er von Kai verwirrt angesehen. Doch dann fällt die Silbermünze und sein Enkel grinst breit.

      Yari hingegen versucht irgendwie, das Gespräch einzuordnen. Er ist so in seinen Überlegungen vertieft, dass er gar nicht bemerkt, wie Kartoffeln und Gulasch auf den Tisch gestellt werden.

      »Yari, willst du nichts essen?«, reißt ihn Kai aus seinen Gedanken.

      Verwirrt blickt Yari vor sich auf den gedeckten Tisch, sieht die dampfenden Schüsseln und ist nun vollends überfordert. Wieso darf er hier sitzen?, fragt er sich. Warum sind die beiden so nett zu ihm? Ist das alles etwa nur ein Traum und wenn er aufwacht, liegt er wieder auf dem alten Strohsack in der kalten Kammer?

      Als Kai bemerkt, dass Yari das Essen nur anstarrt, ohne sich etwas zu nehmen, steht er kurzerhand auf, schiebt seinen Stuhl rüber und setzt sich mit seinem gefüllten Teller neben Yari. »Magst du Kartoffeln und Gulasch? Oder willst du nur eins von beidem?« Fragend sieht er den Größeren an, der ihn jedoch nur verwirrt anstarrt. »Weißt du was? Ich gebe dir einfach mal von beidem und du isst, was du magst.« Kurzerhand nimmt Kai den leeren Teller und füllt ihn auf. »Hier, iss so viel du möchtest und wenn du noch mehr willst, dann nimm es dir einfach.«

      Unsicher sieht Yari erst auf den gefüllten Teller, dann zu seinem Besitzer. »Warum? Warum seid ihr so nett zu mir? Ich bin doch nur ein Sklave, ein Nichts!«, bricht es plötzlich aus ihm heraus. Von sich selbst erschrocken springt er auf und rennt aus der Küche.

      Überrascht über den Ausbruch sitzen die beiden Mutsuos am Tisch und sehen zur Tür, durch die Yari gerade verschwunden ist.

      Erst nach einer ganzen Weile regt sich Kai und sieht fragend seinen Großvater an. »Was habe ich denn falsch gemacht?«

      »Ich glaube nicht, dass du etwas falsch gemacht hast.« Nachdenklich spießt Ren eine der Kartoffelscheiben auf. »Vermutlich ist Yari mit der Situation einfach nur überfordert. Lass ihm etwas Zeit. Nach dem Essen kannst du ihm seinen Teller hochbringen, aber bedräng ihn nicht.« Ren stellt Yaris Teller auf eine der warmen Herdplatten, um das Essen warmzuhalten.

      Schweigend essen die beiden weiter. Kai hofft, dass Yari zurückkommt, was aber leider nicht passiert.

      Als Kai später mit Yaris Teller die Treppe hochgeht, sieht er, dass aus seinem Zimmer Tageslicht in den Flur fällt. Allerdings hat Yari die Tür zu seinem eigenen Zimmer geschlossen, weshalb Kai anklopft.

      »Yari, darf ich reinkommen?«

      Obwohl er keine Antwort bekommt, drückt er die Klinke herunter und betritt langsam und vorsichtig das Zimmer. Er stellt den Teller auf den Tisch und blickt zu dem schmalen Bett, auf dem Yari mit angezogenen Beinen sitzt, die er mit den Armen umschlungen hält, den Kopf auf die Knie gelegt.

      In diesem Moment wirkt Yari so verloren, dass Kai am liebsten zu ihm gehen und ihn in den Arm nehmen würde, allerdings denkt er an die Worte seines Großvaters und unterdrückt den Impuls. Stattdessen bleibt er beim Tisch stehen.

      »Hier ist dein Mittagessen. Großvater hat es warmgehalten.« Da Yari nicht reagiert, dreht er sich seufzend um und geht zur Tür.

      Dort bleibt er noch einmal stehen und sieht wieder zu der zusammengekauerten Gestalt. »Du bist kein Nichts, Yari. Es stimmt, du bist ein Sklave, aber in erster Linie bist du ein Mensch.« Kurz zögert er, hadert mit sich, ob er weitersprechen soll. »Ich habe dich mit hierher genommen, weil ich auf dem Sklavenmarkt in deinen Augen etwas gesehen habe. Du glaubst vielleicht, dass du dich selbst verloren hast, aber ich weiß, dass irgendwo tief in dir drin noch die Person steckt, die du einst gewesen bist. Du hast einen starken Willen, das weiß ich.« Während er redet, fixiert Kai einen Punkt auf dem Türrahmen, sieht jetzt jedoch wieder zu Yari rüber. »Du gehörst jetzt zur Familie und wenn du willst, kannst du jederzeit zu mir oder auch zu Großvater kommen.« Mit diesen Worten verlässt Kai das Zimmer und gibt Yari den Raum, den dieser jetzt zu brauchen scheint.

      Immer wieder hallen die Worte durch Yaris Kopf: Du bist kein Nichts. Du bist ein Mensch. Ein Mensch. Ein Mensch Irgendwo tief in seinem Inneren regt sich etwas; ein Gefühl, nur ganz zart. Trotzdem verunsichert es ihn. Wenn er diesem Gefühl nachgibt, bricht auch noch der letzte Rest des Schildes zusammen, den er mühsam aufgebaut hat. Warum ist er jetzt nur so schwach?, fragt er sich.

      Schließlich sieht er zu dem Tablett hinüber. Wann hat er das letzte Mal mehr als eine Mahlzeit am Tag bekommen? Und dann noch so gutes Essen? Er weiß es nicht, aber trotzdem ist da ein Hauch eines vertrauten Gefühls. Obwohl er nicht wirklich hungrig ist, steht er mit einem Blick zur geschlossenen Tür auf und setzt sich an den Tisch. Das Essen ist nur noch lauwarm, aber das ist ihm egal.

      Satt legt Yari die Gabel auf den leeren Teller und blickt aus dem Fenster. Draußen scheint die Sonne. Plötzlich fühlt er sich in dem kleinen Zimmer eingesperrt, weshalb er sich seine Sandalen anzieht und den Teller mit dem Besteck nimmt.

      Im Flur


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