Blutiger Hauch. Sieglinde Breitschwerdt
Читать онлайн книгу.doch darunter lauert das Schwarze, das Böse –
unendlich stark und bittersüß wie Schokolade.“
„Ja“,
tippte sie ein.
Ihre Fingerspitzen fühlten sich vor Kälte ganz taub an.
„Töte ihn“,
schrieb Blacksoul zurück.
„Töte ihn mit der geballten Macht deiner Gedanken!
Töte ihn mit deinem Hass! Langsam, grausam!
Lass ihn leiden! Dann bist du ihn los! Für immer!“
Ihre Augen brannten, Tränen zwängten sich zwischen ihre Wimpern. Abscheu, Wut und abgrundtiefer Hass kroch unter ihrer Haut. Die feinen Härchen auf ihren Unterarmen stellten sich zitternd auf.
„Jetzt hast du die Gelegenheit“,
stand da.
„Töte die Erinnerung – und ihn! Für immer!“
Eine nie gekannte Erregung ergriff von ihr Besitz.
Ihre Finger huschten über das Keyboard. Sie fühlte sich als Mörder, der auf eine Chance lauerte und erfand im makabren Gedankenspiel das väterliche Todesurteil.
„Ich locke meine Eltern in ihre Jagdhütte.
Ich bitte meinen Vater um einen Cognac.
Meine Mutter fessele ich auf einen Stuhl,
kneble sie und fixiere ihre Augenlider
mit Klebeband. Und dann ist er dran!“
„Wie?“
„Ich schlage ihn nieder, hänge ihn an den Füßen auf und häute ihn ab. Natürlich bei lebendigem Leibe.
Die Hunnen machten das mit ihren Feinden.
Attila trug Handschuhe aus Menschenhaut.
Ja, das wäre geil. Handschuhe aus Papis Haut.
Dieses Schwein! Dieses abartige Schwein!
Er missbrauchte Maja! Er hat sie in den Tod getrieben.
Meine Mutter muss bei der Häutung zusehen.
Diese dämliche Kuh war dem perversen,
alten Bock völlig hörig. Sie hat ihn gedeckt!
Seine abartige Geilheit war nur Liebe,
schließlich hat er Maja nur angefasst,
geküsst und nicht gepoppt!“
„Was fühlst du jetzt?“
„Wut! Abscheu! Ekel!
O ja, so einen Tod wünsche ich diesem alten Mistkerl!
Ich häute ihn ganz langsam. Stückchen für Stückchen!
Ich höre zwischenzeitlich auf – bis er sich wieder etwas erholt hat! Dann fange ich wieder an!“
Sophie stierte auf den Monitor und schluckte, als sie ihre eigenen Worte las.
Hatte wirklich sie das geschrieben?! Sie wünschte ihrem Vater einen schrecklichen und grausamen Tod – dabei verspürte sie eine Erregung, die etwas
Orgiastisches hatte.
„Streichle dich!“,
riet ihr Blacksoul.
„Stell dir vor, dass du mich jetzt nimmst:
hart, brutal, grausam und gnadenlos! Leb dich aus!“
Ein feines Kribbeln zuckte in ihrer Vagina, erregt stöhnte sie leicht auf.
„Willst du mich häuten?“,
schimmerte es auf dem Monitor.
Sophie schluckte.
Nein, warnte ihre innere Stimme, doch der Hass, der Wunsch nach Rache war stärker, fegte das warnende Nein wie ein lästiges Staubkorn weg.
„Ja!“
„Erzähl mir, wie du das machst!“
Die blutrote Frage auf dem Monitor zerrieselte und tropfte wie Blut in die Schwärze.
Im Laufe der nächsten Woche stand Sophie völlig neben sich, sie konnte den Freitag kaum erwarten.
Als dieser heiß ersehnte Tag endlich kam, fuhr sie schon frühmorgens in die Stadt, besuchte die kleine Boutique und nahm mit klopfendem Herzen ein dekorativ verschnürtes Päckchen entgegen.
Lächelnd fischte sie einen winzigen, hauchzarten Slip heraus, daneben lagen zierliche, fleischfarbene Handschuhe. Als sie sie überstreifte, fühlten sie sich an wie ihre eigene Haut.
Blacksoul. Ihr Chat-Partner liebte die Details.
Er erinnerte sie an diese überwältigende Nacht, an ihren makaberen Chat-Sex, die nie zuvor erlebte
Sexualität, die Ambivalenz der Gefühle – Erregung und Ekel zugleich.
Errötend nahm sie Blacksouls Präsent und verließ eiligst den Laden.
Noch mindestens elf Stunden musste sie ausharren, bevor sie ihn wieder im Chat-Room traf.
Sie war süchtig nach Blacksoul, der alle Phantasien aus ihr herauslockte, ihr immer öfter den ultimativen Kick versetzte.
Wie in Trance ging sie durch ihr Haus. Tief in Gedanken versunken, verrichtete sie die tägliche Hausarbeit. Ihr ganzes Sein war nur von einem Gedanken beherrscht: Blacksoul.
Quietschende Autoreifen, das Spitzen kleiner Kieselsteine auf Blech, Türen schlagen und nachbarliches Hundegebell rissen sie aus ihren Tagträumen.
Sophie eilte ans Küchenfenster und linste neugierig
durch die Gardine. Mehrere Polizeiautos standen auf der Einfahrt, Männer kamen auf ihr Haus zu. Sie zählte fünf, davon zwei in Uniform.
In diesem Moment klingelte es an der Tür.
Was war los? War Ronald etwas passiert? Ein Unfall?
Nervös öffnete sie und stand einem kleinen untersetzten Mann gegenüber. Sie schätzte ihn auf Mitte bis Ende vierzig. Wache, lebhafte blaue Augen musterten sie von oben bis unten. Er lächelte verlegen und hielt ihr seine Dienstmarke hin.
„Ich bin Hauptkommissar Lundt! Sind Sie Frau Sophie Merk?“
Sie nickte, ihr Blick huschte unstet hin und her.
Die Männer lächelten freundlich, doch jeder vermied es, sie anzusehen.
Sie fühlte instinktiv, dass etwas geschehen war.
Aufgeregt leckte sie sich über ihre Lippen, räusperte sich und fragte mit brüchiger Stimme:
„Was... was ist passiert? Hatte Ronald... äh mein Mann... einen... einen Unfall?“
Hauptkommissar Lundt schüttelte den Kopf, er wich ihrem Blick aus und sah auf seine staubigen Schuhspitzen.
„Frau Merk, Sie... Sie müssen jetzt sehr stark sein!“, murmelte er. „Ihre Eltern sind einem Verbrechen zum Opfer gefallen! Ein Spaziergänger, der sich verirrte und nach dem Weg fragen wollte, hat sie zufällig entdeckt!“
Entgeistert starrte Sophie den Hauptkommissar an.
„Er... ermordet? Aber wie?... Was ist denn passiert?“, stammelte sie und spürte, wie sich das kalte Grauen in ihr ausbreitete.
„Das Monster hat Ihren Vater bei lebendigem Leibe gehäutet. Ihre Mutter hat er an den Stuhl gefesselt,