Die Gräfin von Ascot. Edgar Wallace

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Die Gräfin von Ascot - Edgar Wallace


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zu sehen wünschte.

      »Es tut mir leid, daß ich Sie störe, alter Freund«, sagte Julian, als er mit seinem stereotypen Lächeln ins Zimmer trat. Er trug einen Abendanzug. »Ich habe mit der Familie Weirs zu Abend gegessen. Ich rief Sie an, um Sie auch einzuladen, aber Sie waren nicht zu Hause. Geht die Uhr auf dem Kamin richtig? Dann ist es ja schon zehn.«

      Er hatte den Frackmantel vorsichtig über die Lehne des Sofas gelegt und setzte sich nun in den bequemen Sessel.

      »Ihr Diener erzählte mir, daß Sie nach Cheltenham gefahren seien. Außerordentlich liebenswürdig von Ihnen. Nach Ihrem Verhalten neulich im Büro dachte ich nicht, daß Sie bereit wären, den Fall zu übernehmen.«

      »Darin haben Sie sich auch nicht getäuscht. Ich habe nicht die Absicht, Ihren Auftrag auszuführen.«

      Lester runzelte die Stirn.

      »Sie wollen mir nicht helfen?«

      »Ich will Ihnen wenigstens eine Aufklärung geben«, sagte John langsam. »Mrs. Carawood ist meiner vollen Überzeugung nach eine durchaus ehrliche Frau. Wenn Marie Fioli überhaupt ein Vermögen besitzt, dann ist es vollkommen sicher in den Händen ihrer Erzieherin, genauso sicher, als ob es auf der Bank von England läge.«

      Julian lächelte.

      »Für einen Mann mit Ihrer großen Erfahrung –«

      »Bei meiner Menschenkenntnis«, unterbrach ihn John, »fällt es mir leicht, einen Verbrecher zu durchschauen, ganz gleich, ob es sich um einen Mann oder um eine Frau handelt. Und ich sage Ihnen, ich habe die größte Achtung vor Mrs. Carawood.«

      »Haben Sie sie eingehend nach allem gefragt?«

      John füllte seine Shagpfeife und grinste.

      »Selbstverständlich. Ich habe sie auf die Folterbank gespannt, und dann hat sie zugegeben, daß sie ehrlich ist! Meinen Sie, ich wäre so blöd, daß ich hinginge und sie geradewegs fragte? Daß ich sie traf, war ein Zufall – allerdings habe ich ihn herbeigeführt.«

      »Haben Sie auch Marie gesehen?« fragte Julian eifrig.

      »Ja.«

      »Was halten Sie von ihr?«

      »Meiner Meinung nach ist sie« – er zögerte einen Augenblick –, »sehr, sehr lieb. Außerdem bin ich davon überzeugt, daß sie für Sie viel zu jung ist.«

      Auf Julian machten diese Worte wenig Eindruck. Er war es gewohnt, daß sich die Leute ihm gegenüber unfreundlich und abweisend verhielten.

      »Möglich«, erwiderte er langsam. »Wenn wir alles mit der Goldwaage wiegen wollten, paßten die Leute überhaupt nicht zusammen, mein Lieber. Ich habe Sie wirklich nicht engagiert, um das zu entdecken.«

      »Ich möchte vor allem zunächst klarstellen, daß Sie mich nicht engagiert haben. Es war eine Laune von mir, daß ich nach Cheltenham fuhr. Und ich wiederhole noch einmal, daß ich den Fall nicht übernehme.«

      Julian seufzte.

      »Dann muß ich zu einem anderen gehen«, sagte er mißmutig. »Sie behandeln mich wirklich nicht liebenswürdig, John. Man sagt, Sie seien so unendlich klug und gewandt und könnten mit Leichtigkeit die Geheimnisse anderer Leute herausbringen. Deshalb dachte ich, dieser Fall müßte für Sie interessant sein. Wenn es sich nur um die Höhe des Honorars handelt, das Sie dafür beanspruchen –«

      »Nein, darauf kommt es nicht an. Es ist eine Prinzipienfrage. Erstens übernehme ich derartige Aufträge nicht. Zweitens spioniere ich junge Mädchen nicht aus, ebensowenig eine ehrbare Frau, die sich um die Erziehung einer ihr anvertrauten Person bemüht. Wenn Sie etwas wissen wollen, dann gehen Sie doch zu Mrs. Carawood und fragen sie.«

      »Das tue ich nicht, denn sie lügt mich doch nur an. Außerdem würde ihr Argwohn erregt werden. Das ist der schlechteste Rat, den Sie mir geben können!«

      »Glauben Sie?« erwiderte John ironisch und strich mit der Hand nachdenklich übers Kinn.

      »Sie lehnen also die Bearbeitung des Falles definitiv ab?«

      »Ja. Ich will nichts damit zu tun haben«, erklärte John energisch.

      »Wenn Sie mehr mit Damen verkehrten, würde ich sagen, daß Sie sich in Marie verliebt haben«, meinte Julian und seufzte tief.

      »Sie wissen doch, daß ich mir aus Frauen nicht viel mache«, entgegnete John kurz und öffnete dann die Tür, so daß Julian nichts übrigblieb, als fortzugehen.

      5

      Mrs. Carawood wurde Tag und Nacht von dem Gedanken gequält, daß Mr. John Morlay ein Privatdetektiv war. In ihrem kleinen Büro in der Penton Street dachte sie dauernd darüber nach. Diese Entdeckung hatte sie in panischen Schrecken gestürzt, und sie hatte sich von ihrem Entsetzen noch nicht wieder erholen können. Aber sie war jetzt wenigstens fähig, klar und vernünftig zu überlegen. Einen Entschluß hatte sie gefaßt: Sie mußte alles daransetzen, diesen jungen Mann auf ihre Seite zu ziehen. Er mußte ihr Freund werden, er durfte nicht eine unheimliche Drohung für sie bleiben. Aber wie sollte sie dieses Ziel erreichen?

      Er mochte Marie gern. Einen kurzen Augenblick hatte sie gesehen, wie er das junge Mädchen voll aufrichtiger Bewunderung und Verehrung anschaute. Gefühlsmäßig wußte sie, daß er nur nach Cheltenham gekommen war, um Marie zu sehen. Wer hatte ihm den Auftrag dazu gegeben? Die Familie Fioli war nahezu ausgestorben; es gab keine Mitglieder des alten Adelsgeschlechts, die sich für das Mädchen interessieren konnten. Manchmal war dieser schreckliche Gedanke allerdings schon in ihr aufgetaucht.

      Aber wenn andere Leute Privatdetektive bezahlen konnten, um die Geheimnisse um Marie zu lüften, konnte sie denn nicht auch derartige Leute engagieren, um sie zu hüten? Am Montag ging sie zu ihrem Rechtsanwalt und fragte ihn nach der Firma Morlay aus. Sie erfuhr, daß John bei seinen Geschäftsfreunden den besten Ruf genoß, und hielt es nun für ausgeschlossen, daß er eine Gefahr für sie bedeutete. Rasch entschied sie sich dafür, geradewegs in die Höhle des Löwen zu gehen.

      John Morlay war aufs höchste erstaunt, als sie ihm gemeldet wurde. Er schob seine Arbeit zur Seite und erhob sich.

      »Das ist aber ein unerwartetes Vergnügen, Mrs. Carawood«, begrüßte er sie freundlich.

      Ihre Lippen und ihr Gaumen waren trocken, und es dauerte ein paar Sekunden, bis sie sprechen konnte.

      »Ich komme in einer geschäftlichen Angelegenheit, Mr. Morlay«, erwiderte sie nervös.

      »Es tut mir leid, das zu hören«, entgegnete er lächelnd, während er ihr einen Stuhl hinschob. »Alle Leute, die herkommen, haben ihre Sorgen, und sie kommen erst dann zu mir, wenn sie von anderen Leuten rücksichtslos beschwindelt worden sind.«

      Sie schüttelte den Kopf.

      »Ich bin nicht beschwindelt worden – und ich glaube auch nicht, daß mich so leicht jemand betrügen kann.«

      Aus dieser Bemerkung schloß er, daß sie mit ihren geschäftlichen Erfolgen und ihrer Tüchtigkeit zufrieden sein konnte.

      »Nein, ich wollte Sie wegen einer anderen Sache fragen –«

      Sie machte eine Pause, und er sah sie erwartungsvoll an.

      »Es handelt sich um Mylady.«

      »Ach,


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