Jochen Klepper - Dichter und Zeitzeuge. Jochen Klepper

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Jochen Klepper - Dichter und Zeitzeuge - Jochen Klepper


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Sommer 1933 durchstreifen die Kleppers die Umgebung Berlins, den Park von Sanssouci, das Potsdamer Stadtschloss, wo Jochen Klepper die Gemälde von der Hand des Soldatenkönigs seltsam anrühren.

      Am 13. September schreibt er in sein Tagebuch: „Und dann mitten beim Abendbrot durchfährt es einen auf einmal am ganzen Körper: Das ist das neue Buch! Der Vater. Die Geschichte Friedrich Wilhelms I.“

      Tags darauf beginnt er bereits mit den Vorarbeiten, obwohl er nicht einmal weiß, ob dieses Buch jemals in Deutschland erscheinen kann.

      Klepper hat an dem Roman fast drei Jahre geschrieben. Nach eigenen Worten war es für ihn eine von Ängsten und Selbstzweifeln geprägte Zeit, die er nur „mit Zittern und Zagen“ und physisch angeschlagen, durchstand.

      Zweifel und Anfechtungen blieben natürlich nicht aus. So stand im Zentrum der mehrjährigen Entstehung des Vater-Romans für Klepper lange Zeit die Angst, dass Gott sein unzulängliches Werk wie den keine Frucht bringenden Feigenbaum, verwerfen würde (W.354). Gerade 1935 gab es immer wieder Durststecken bei der Arbeit mit dem Buch.

      Mitte Oktober 1936 kündigt die „Frankfurter Zeitung“ das Erscheinen des ‚Vater’ an. In den letzten Tagen dieses Jahres schließt Klepper endgültig die Korrekturen am ‚Vater’ ab und schreibt am 30.12.1936 „Um dreiviertel fünf Uhr nachmittags beendete ich wirklich und wahrhaftig den ‚Vater’.

      Kleppers Hauptwerk ‚Der Vater’ entstand nach gründlichen und zeitaufwendigen historischen Studien. Klepper hat dafür u. a. Fontanes „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ für Milieustudien zum ‚Vater’ gelesen, hat in Memoiren der großen Randfiguren Zar Peter, Karl XII. und Ludwig XIV. Bilder über die Zeit des Soldatenkönigs zu entdecken gesucht und nahm sich einige zeitgenössische Biografien über den Soldatenkönig vor von Autoren, die inzwischen längst im Orkus der Vergessenheit gelandet sind (Heyck, Rehberg, von Oppeln-Bronikowski, Karl Heidkamp). Klepper las außerdem die Memoiren der Markgräfin von Bayreuth, der Schwester Friedrichs II. In den Archiven wurde er mit nahezu 120 Bänden über Friedrich Wilhelm I. konfrontiert, auch die als unleserlich geltenden Briefe Friedrich Wilhelms I. hat er dechiffriert.

      Im Jahr 1938 edierte Klepper diese Briefe mit den allgemein wenig bekannten Bildern aus der Hand des Soldatenkönigs. Wichtige Impulse und weitere dichterische Inspiration für sein Werk empfing er im Frühjahr 1934 vor allem durch Reinhold Schneiders Hohenzollernbuch und durch die persönliche Begegnung mit Reinhold Schneider. (Schneider hat, nebenbei bemerkt, in „Verhüllter Tag“ seinem Freund Jochen Klepper ein Kapitel gewidmet.)

      Wenden wir uns nun dem Inhalt des Romans zu:

      Im Mittelpunkt des Romans (als er 1937 erschien, trug er den Untertitel „Der Roman des Soldatenkönigs“, nach 1945 hieß es „Roman eines Königs“) steht der auch heute noch vielfach umstrittene Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., der oft in einem nur negativen Licht gesehen wurde, im Gegensatz zu seinem Sohn Friedrich II., den manche Leute, wie mein Lateinlehrer zu sagen pflegte, den „Großen“ nennen. „Wohl niemand käme auf den Gedanken“, schreibt Christian Graf von Krockow in seinem Buch „Die preußischen Brüder – Prinz Heinrich und Friedrich der Große“, Friedrich ein Buch unter dem Titel „Der Sohn“ zu widmen.“ (S.12)

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       Der Vater: Preußenkönig Friedrich Wilhelm I.

       Von Atelier / Werkstatt von Antoine Pesne - 1. Unbekannt 2. The Bridgeman Art Library, Object 384437, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1153850

      Klepper indessen stellt gegen das überlieferte Bild des ungebildeten Soldatenkönigs, der seine Landeskinder prügelte, seine Interpretation des gläubigen, christlichen Königs und zeichnet den autokratischen Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) als einen pflichtbewussten, aufopferungsvollen Herrscher, der sich ganz unter das Gesetz seines Gottes gestellt hat, der sich von Gott in die Pflicht für Land und Leute genommen sieht und an dieser Aufgabe fast zerbricht.

      Reinhold Schneider schrieb in seiner Rezension zu dem Buch: „Klepper hat dem König ins Herz geblickt.“ Vorangestellt ist dem Buch der Ausspruch: „Könige müssen mehr leiden können als andere Menschen.“

      Zunächst erleben wir Friedrich Wilhelm als Thronfolger. Schon als Königsanwärter wird er gefürchtet. Er spricht ein grobes Deutsch und nennt alle Frauen, auch die eigene Stiefschwester, „Huren“. Er bevorzugt Reitstiefel statt elegante Schuhe, selbst im Schloss, und der Kunst ist er auch nicht gerade zugetan. Schon in jungen Jahren gilt er als „kleiner Geizhals“. Er kümmert sich um alles. Man sagt ihm nach, dass er gewalttätig, eigenwillig und beschränkt sei.

      Sein Vater Friedrich I. (1657-1713) wird als willensschwach, unfromm, verschwenderisch und hoch verschuldet dargestellt. Auch die Mutter, Königin Sophie Charlotte, wird negativ gezeichnet. Sie war die „verschwenderischste, schöngeistigste aller Mütter“.

      Nach dem Tod des Vaters, Friedrichs I., sorgt sein Sohn für Ordnung und Sparsamkeit und macht sich daran, die Schulden seines Landes auszurechnen. Nun beginnt das große Sparen. Dem König zur Seite steht ein einfacher Mann, der Rechnungsrat Creutz. Klepper malt auf vielen Seiten aus, wie und wo gespart wird. Das ist durchaus erhellend, fesselnd und amüsant zu lesen, und man hat den Eindruck, dass der König seinerzeit sicher mehr Geschick im Einsparen unnützer Ausgaben bewiesen hat als gegenwärtig unser Finanzminister... Der Etat des Hofes wurde auf den fünften Teil herabgesetzt, der König selbst bewilligte sich nur ein kleines Gehalt. Es gab keine königliche Tafel mehr. Kurzum, das Leben wird einfach und spartanisch.

      Friedrich Wilhelm I. hatte sein Amt angetreten inmitten maßloser Ansprüche sinkender Weltreiche und verzettelter, lähmender Kriege. Nun schickt er sich an, Brandenburg zum Zünglein an der Waage in der Wirrnis Europas zu machen.

      Er bemüht sich, verschleppte Kriege zu beenden, er erkämpft sich gegen Karl XII. von Schweden den Zugang zur Ostsee. Aber ansonsten gelang es ihm, Preußen zu seinen Lebzeiten aus allen großen militärischen Konflikten herauszuhalten und den Aufbau seines Riesenheeres und den der armen Ostprovinzen ungestört voranzutreiben.

      Kriege sollten künftig nur noch geführt werden, wenn es sich dabei um eine vor Gott gerechte Sache handeln würde. Der König wird als sehr friedliebend dargestellt, hat er doch erkannt, welchen Schaden Kriege anrichten, welche schlimmen Auswirkungen diese auf Land und Bevölkerung haben. Um die Kriege einzudämmen und sein eigenes Land stark zu machen, baut er ein wehrtüchtiges Heer auf. Innerhalb kurzer Zeit verfügt der König über zahlreiche neu angeworbene Truppen, nicht zuletzt dank seiner unermüdlichen Werber, die sich auch unlauterer Methoden bedienen, um junge Männer für den Soldatendienst zu gewinnen. Potsdam wird Sitz des preußischen Heeres.

      Ständig wächst das Herr. Aber das genügt dem König nicht. Er führt die Wehrpflicht ein und schafft als erster Landesherr in Preußen ein Heer aus rekrutierten Landeskindern, nicht mehr als Söldnern.

      „Das Heer war Schönheit, Wohlstand, Ebenmaß“ heißt es im Buch (791 und 794), ist der ganze Stolz des Königs sowie: „Ein wohl ausgerüstetes Heer von zweihunderttausend Mann ist die beste und einzige Bürgschaft des Friedens.“ Die Hauptsäule eines wohl eingerichteten Regiment jedoch sollte der Gottesdienst sein. (853)

      „Welcher Soldat den allerheiligsten Namen Gottes durch Beschwörung der Waffen, Festmachen oder andere dergleichen verbotene Teufelskünste und Zaubereien missbraucht, Gottes Majestät, Eigenschaften, Verdienst und Sakrament oder heiliges geoffenbartes Wort lästert, schmäht oder schändet, hat nach göttlichen und weltlichen Gesetzen sein Leben verloren“ lautet eine königliche Order. (212)

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       Schwerid Rediwanoff aus Moskau, Grenadier vom Roten Leibbataillon der königlichen Riesengarde. Er gehörte zu den Männern, die Peter der Große im Geschenkaustausch gegen das Bernsteinzimmer nach Berlin schickte

      „Die sichersten Mittel, einem Volk, einem Land, einem Königreich eine dauerhafte


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