Winnetou Band 1. Karl May

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Winnetou Band 1 - Karl May


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in

       demselben Augenblicke dessen Hörner ganz nahe an meinem Beine vorbeistießen. Unser Sprung ging

       grad in die Schlammlache hinein, in welcher der Büffel sich gewälzt hatte; ich sah es und nahm die Füße

       aus den Bügeln, zu meinem Glücke, denn das Pferd glitt aus und wir stürzten. Wie das so schnell

       geschehen konnte, ist mir heut noch unbegreiflich, doch stand ich schon im nächsten Augenblicke

       aufrecht neben der Lache, das Gewehr noch fest in der Hand. Der Büffel hatte sich nach uns umgedreht

       und sprang in ungelenken Sätzen auf das Pferd zu, welches sich auch aufgerafft hatte und im Begriffe

       stand, zu entfliehen. Dabei bot er mir seine Flanke zum Schusse; ich legte an; jetzt sollte sich der schwere

       Bärentöter zum erstenmal im Ernste bewähren. Noch einen Sprung, so hatte der Bison den Rotschimmel

       erreicht; ich drückte ab er blieb mitten im Laufe stehen, ob vor Schreck über den Schuß oder weil ich gut

       getroffen hatte, das wußte ich nicht; ich gab ihm sofort auch die zweite Kugel. Er hob langsam den Kopf,

       stieß ein mir durch alle Glieder gehendes Brüllen aus, wankte einigemal hin und her und brach dann auf

       derselben Stelle, wo er stand, zusammen.

       Ich hätte vor Freude über diesen schweren Sieg hell aufjubeln mögen, hatte aber Notwendigeres zu tun.

       Mein Pferd setzte reiterlos nach rechts hinunter, während ich Sam Hawkens am jenseitigen Talrande

       dahingaloppieren sah, von einem Stiere verfolgt, welcher nicht viel kleiner als mein Bulle war.

       Man muß wissen, daß der Bison, einmal gereizt, nicht von seinem Gegner läßt und es dabei an

       Schnelligkeit mit dem Pferde aufnimmt. Er entwickelt dann einen Mut, eine List und eine Ausdauer, die

       ihm vorher gewiß niemand zutraut.

       So war auch dieser Stier dem Reiter hart auf den Fersen. Um ihm zu entgehen, mußte Hawkens die

       gewagtesten Wendungen machen, welche das Pferd ermüdeten; es hielt jedenfalls nicht so lange aus wie

       der Büffel; da war also Hilfe dringend nötig. Ich hatte keine Zeit, nachzusehen, ob mein Bulle wirklich tot

       sei oder nicht; ich lud schnell beide Läufe des Bärentöters und sprang dann über das Tal hinüber. Sam sah

       dies; er wollte der Hilfe entgegenkommen und warf sein Pferd in die Richtung nach mir herum. Das war

       ein großer Fehler, denn der Stier, welcher eng hinter ihm war, bekam dadurch das Pferd quer vor sich; ich

       sah, daß er die Hörner senkte; ein Stoß und er hob das Pferd samt dem Reiter empor und ließ, als sie dann

       zur Erde stürzten, mit wütenden und schüttelnden Stößen nicht von ihnen ab. Sam schrie um Hilfe, was er

       schreien konnte. Ich war wohl noch hundertfünfzig Schritte entfernt und durfte keinen Augenblick

       zögern. Der Schuß wäre zwar aus größerer Nähe sicherer gewesen, aber wenn ich zauderte, konnte Sam

       verloren sein, und wenn ich ja nicht gut traf, hatte ich doch hoffentlich den Erfolg, das Untier von dem

       Freunde abzulenken. Ich blieb also stehen, zielte hinter das linke Schulterblatt und schoß. Der Büffel hob

       den Kopf mit einer Bewegung, als ob er horchen wolle, und drehte sich langsam um. Da sah er mich und

       kam auf mich zugerannt, doch mit sich verringernder Schnelligkeit; dadurch glückte es mir, den

       abgeschossenen Lauf mit fiebernder Eile wieder zu laden, und ich war damit fertig, als das Tier höchstens

       noch dreißig Schritte zu mir zu machen hatte. Es konnte nicht mehr rennen; seine Bewegungen waren nur

       noch ein langsames Laufen; aber mit tief gesenktem Kopfe und blutunterlaufenen, grausam vorwärts

       glotzenden Augen kam es auf mich zu, näher und näher wie ein schweres Verhängnis, welches nicht

       aufzuhalten ist. Da kniete ich nieder und legte das Gewehr an. Diese Bewegung verursachte den Bison,

       stehen zu bleiben und den Kopf ein wenig zu heben, um mich besser oder voller sehen zu können. Das

       brachte die tückischen Augen vor meine beiden Läufe; ich schickte eine Kugel in das rechte und die

       andere in das linke ein kurzes Zittern ging durch den Leib, dann stürzte die Bestie nieder.

       Ich sprang auf, um zu Sam zu eilen, doch war dies nicht notwendig, denn ich sah ihn gelaufen kommen.

       »Halloo!« rief ich ihm zu. »Ihr lebt? Ihr seid nicht schwer verletzt?«

       »Gar nicht,« antwortete er. »Nur die rechte Hüfte tut mir weh vom Sturze, oder ist's die linke, wenn ich

       mich nicht irre; ich kann es nicht genau wegbekommen.«

       »Und Euer Pferd?«

       »Ist hin. Es lebt zwar noch, doch hat ihm der Büffel den ganzen Leib aufgerissen. Um seine Leiden

       abzukürzen, müssen wir es erschießen, das arme Tier. Ist der Bison tot?«

       »Hoffe es; wollen ihn untersuchen.«

       Wir taten dies und überzeugten uns, daß kein Leben mehr in ihm war. Da sagte Hawkens mit einem

       tiefen, tiefen Atemzuge:

       »Hat mir dieser alte, brutale Ochse zu schaffen gemacht! Eine Kuh wäre zarter mit mir umgegangen.

       Freilich, Ochsen darf man nicht zumuten, ladylike zu sein, hihihihi!«

       »Wie ist er denn auf den dummen Gedanken gekommen, mit Euch anzubinden?«

       »Habt Ihr das nicht gesehen?«

       »Nein.«

       »Nun, ich schoß die Kuh nieder, und konnte, da mein Pferd im Galoppieren war, es grad erst in dem

       Augenblick anhalten, als es an diesen Ochsen anrannte. Das nahm er übel und nahm mich aufs Korn. Ich

       gab ihm zwar schnell die zweite Kugel, die ich in meiner Liddy hatte, sie scheint ihn aber nicht

       vernünftiger gemacht zu haben, denn er bewies mir eine Zuneigung, welche ich ihm nicht erwidern

       konnte. Er hat mich so gehetzt, daß es mir unmöglich war, das Gewehr wieder zu laden; ich habe es

       weggeworfen, weil es mir doch nichts nützte und ich dadurch die Hände zur besseren Leitung des Pferdes

       frei bekam, wenn ich mich nicht irre. Der arme Gaul hat sein Möglichstes getan, sich aber doch nicht

       retten können.«

       »Weil Ihr die letzte schnelle, verhängnisvolle Wendung machtet. Ihr hättet einen Bogen reiten sollen;

       dadurch wäre das Pferd gerettet worden.«

       »Gerettet worden? Ihr sprecht doch wie ein Alter. Das sollte man von einem Greenhorn nicht erwarten.«

       »Pshaw! Greenhorns haben auch ihr Gutes!«

       »Ja, denn wenn Ihr nicht gewesen wäret, so läge ich jetzt ebenso zerstochen und zerfetzt dort wie mein

       Pferd. Wollen doch einmal hin zu ihm.«

       Wir fanden es in einem traurigen Zustande. Die Eingeweide hingen ihm aus dem aufgeschlitzten Leibe;

       es schnaubte vor Schmerzen. Sam holte seine weggeworfene Büchse, lud sie und gab ihm den

       Gnadenschuß. Dann schnallte er ihm die Zügel und den Sattel ab und sagte dabei:

       »Jetzt kann ich mein eigenes Pferd machen und den Sattel auf meinen Rücken nehmen. Das hat man

       davon, wenn man mit einem Ochsen zusammenrennt.«

       »Ja. Wo werdet Ihr nun ein anderes Pferd herbekommen?« fragte ich.

      


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