Winnetou Band 1. Karl May
Читать онлайн книгу.drei Scouts und zwölf
Westmänner, welche uns gegen etwaige Angriffe zu beschützen haben.«
»Hm, was dieses anbelangt, so scheint Ihr ein Mann zu sein, der keinen Beschützer braucht. Also
Surveyors seid Ihr. Ihr befindet Euch hier in Tätigkeit?«
»Ja.«
»Was vermeßt Ihr da?«
»Eine Bahn.«
»Die hier vorübergehen soll?«
»Ja.«
»So habt Ihr das Gebiet gekauft?«
Sein Auge war während dieser Frage stechend und sein Gesicht ernster geworden. Er schien Grund zu
diesen Erkundigungen zu haben; darum antwortete ich:
»Ich bin beauftragt, mich an den Vermessungen zu beteiligen, und dies tue ich, ohne mich um das übrige
zu bekümmern.«
»Hm, ja! Denke aber, Ihr wißt trotzdem sehr wohl, woran Ihr seid. Der Boden, auf welchem Ihr Euch
befindet, gehört den Indianern, und zwar den Apachen vom Stamme der Mescaleros. Ich kann ganz
bestimmt behaupten, daß sie dieses Land weder verkauft noch sonst in irgend einer Weise an irgend
jemand abgetreten haben.«
»Was geht das Euch an!« rief ihm da Rattler zu. »Bekümmert Euch nicht um fremde Angelegenheiten,
sondern um die Eurigen.«
»Das tue ich auch, Sir, das tue ich, denn ich bin ein Apache, sogar ein Mescalero.«
»Ihr? Laßt Euch nicht auslachen! Man müßte ja blind sein, um Euch nicht anzusehen, daß Ihr ein Weißer
seid.«
»Ihr irrt Euch doch! Ihr dürft Euch nicht nach meiner Haut, sondern nach meinem Namen richten. Ich
werde Klekih-petra genannt.«
Dieser Name bedeutet in der Sprache der Apachen, deren Dialekte ich damals noch nicht kannte, so viel
wie weißer Vater. Rattler schien diesen Namen schon gehört zu haben, denn er trat in ironischer
Verwunderung einen Schritt zurück und sagte:
»Ah, Klekih-petra, der berühmte Schulmeister der Apachen! Schade, daß Ihr buckelig seid; es muß Euch
da außerordentlich schwer werden, von den roten Bengels nicht ausgelacht zu werden.«
»O, das tut nichts, Sir. Ich bin es gewohnt, von Bengels verlacht zu werden, denn vernünftige Leute tun
das nicht. Und nun ich weiß, wer Ihr seid und was Ihr hier treibt, kann ich Euch auch sagen, wer meine
Begleiter sind. Es wird am besten sein, ich zeige sie Euch.«
Er rief ein Indianerwort, welches ich nicht verstand, in den Wald zurück, worauf zwei außerordentlich
interessante Gestalten erschienen und langsam und würdevoll auf uns zukamen. Es waren Indianer, und
zwar Vater und Sohn, wie man gleich auf den ersten Blick erkennen mußte.
Der Aeltere war von etwas mehr als mittlerer Gestalt, dabei sehr kräftig gebaut; seine Haltung zeigte
etwas wirklich Edles, und aus seinen Bewegungen konnte man auf große körperliche Gewandtheit
schließen. Sein ernstes Gesicht war ein echt indianisches, doch nicht so scharf und eckig, wie es bei den
meisten Roten ist. Sein Auge besaß einen ruhigen, beinahe milden Ausdruck, den Ausdruck einer stillen,
innern Sammlung, die ihn seinen gewöhnlichen Stammesgenossen gegenüber überlegen machen mußte.
Sein Kopf war unbedeckt; das dunkle Haar hatte er in einen helmartigen Schopf aufgebunden, in
welchem eine Adlerfeder, das Zeichen der Häuptlingswürde, steckte. Der Anzug bestand aus Mokassins,
ausgefransten Leggins und einem ledernen Jagdrocke, dies alles sehr einfach und dauerhaft gefertigt. Im
Gürtel steckte ein Messer, und an demselben hingen mehrere Beutel, in denen alle die Kleinigkeiten
steckten, welche einem Westmanne nötig sind. Der Medizinbeutel hing an seinem Halse, daneben die
Friedenspfeife mit dem aus heiligem Tone geschnittenen Kopfe. In der Hand hielt er ein doppelläufiges
Gewehr, dessen Holzteile dicht mit
[Illustration Nr. 7: Erste Begegnung mit Winnetou und Intschu tschuna]
silbernen Nägeln beschlagen waren. Dies war das Gewehr, welches sein Sohn Winnetou später unter dem
Namen Silberbüchse zu so großer Berühmtheit bringen sollte.
Der Jüngere war genau so gekleidet wie sein Vater, nur daß sein Anzug zierlicher gefertigt worden war.
Seine Mokassins waren mit Stachelschweinsborsten und die Nähte seiner Leggins und des Jagdrockes mit
feinen, roten Nähten geschmückt. Auch er trug den Medizinbeutel am Halse und das Kalumet dazu. Seine
Bewaffnung bestand wie bei seinem Vater aus einem Messer und einem Doppelgewehre. Auch er trug
den Kopf unbedeckt und hatte das Haar zu einem Schopfe aufgewunden, aber ohne es mit einer Feder zu
schmücken. Es war so lang, daß es dann noch reich und schwer auf den Rücken niederfiel. Gewiß hätte
ihn manche Dame um dieses herrliche, blauschimmernde Haar beneidet. Sein Gesicht war fast noch edler
als dasjenige seines Vaters und die Farbe desselben ein mattes Hellbraun mit einem leisen Bronzehauch.
Er stand, wie ich jetzt erriet und später dann erfuhr, mit mir in gleichem Alter und machte gleich heut, wo
ich ihn zum erstenmal erblickte, einen tiefen Eindruck auf mich. Ich fühlte, daß er ein guter Mensch sei
und außerordentliche Begabung besitzen müsse. Wir betrachteten einander mit einem langen, forschenden
Blicke, und dann glaubte ich, zu bemerken, daß in seinem ernsten, dunklen Auge, welches einen
sammetartigen Glanz besaß, für einen kurzen Augenblick ein freundliches Licht aufglänzte, wie ein Gruß,
den die Sonne durch eine Wolkenöffnung auf die Erde sendet.
»Das sind meine Freunde und Begleiter,« sagte Klekih-petra, indem er erst auf den Vater und dann auf
den Sohn deutete. »Dieser ist Intschu tschuna Gute Sonne, der große Häuptling der Mescaleros, welcher
auch von allen übrigen Apachenstämmen als Häuptling anerkannt wird. Und hier steht sein Sohn
Winnetou, welcher trotz seiner Jugend schon mehr kühne Taten verrichtet hat, als sonst zehn alte Krieger
in ihrem ganzen Leben ausgeführt haben. Sein Name wird einst genannt und gerühmt werden, so weit die
Savannen und die Felsengebirge reichen.«
Das klang überschwänglich, war aber, wie ich später erfuhr, gar nicht zu viel gesagt. Rattler lachte
höhnisch auf und rief aus:
»So ein junger Kerl und soll schon solche Taten begangen haben? Ich sage mit Absicht "begangen", denn
was er ausgeführt hat, werden doch nur Diebereien, Spitzbübereien und Räubereien gewesen sein. Man
kennt das schon. Die Roten stehlen und rauben alle.«
Dies war eine schwere Beleidigung. Die drei Fremden taten so, als ob sie sie nicht gehört hätten. Sie
traten zu dem Bären und betrachteten denselben. Klekih-petra bückte sich nieder und untersuchte ihn.
»Er ist an den Messerstichen und nicht an einer Kugel gestorben,« sagte er, zu mir gewendet.
Er hatte meinen