Die Mensch-Erklärungsformel (Teil 2). K. Ostler

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Die Mensch-Erklärungsformel (Teil 2) - K. Ostler


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ihres Wesens für alle Menschen grundsätzlich gleich, jedoch verändert sich mit zunehmendem Alter sowohl die Art und Weise wie die Intensität der Vermittlung.

      Konkrete Grundbedürfnisse wie Annahme ohne Vorbehalt, Liebe, Geborgenheit, Anerkennung, Bestätigung, Bestärkung, Verlässlichkeit, Berechenbarkeit, Verständnis, Fürsorge, Präsenz, Wahrnehmung, Interesse und Aufmerksamkeit sollen – besser gesagt müssen - beim Kleinkind in einer anderen Form und Häufigkeit bzw. Frequenz mitgeteilt, gezeigt und geäußert werden als bei einem Kind, beim Kind wiederum in anderer Weise als beim Jugendlichen und beim Jugendlichen wiederum anders als beim jungen Erwachsenen.

      Geborgenheit, Annahme, Liebe und Sicherheit werden beispielsweise bei einem Säugling durch das Hören der Mutterstimme, den Körperkontakt (die Wahrnehmung des Herzschlags, das Tragen und das Streicheln des Kindes) und den Geruch von nahen Familienmitgliedern, das Stillen und die direkte Ansprache bekundet. Bei einem Kleinkind und Kind spielen der Körper- und Sichtkontakt (streicheln, schmusen, beim Gehen das an der Hand halten, das Sehen bzw. die Nähe der Bezugsperson) ebenfalls eine sehr wichtige Rolle, aber die verbale Kommunikation und die aktive Beschäftigung mit dem Kind treten immer mehr in den Vordergrund. Mit zunehmenden Alter und damit größerer Eigenständigkeit und Freiräumen des Kindes (und später Jugendlichen) übertragen die Eltern Geborgenheit, Annahme, Liebe und Sicherheit immer weniger durch konkrete Einflussnahme und verbale Bekundung, sondern indem sie zum Beobachter, Begleiter und Ratgeber des Kindes werden. Dialog, das Respektieren eigener Entscheidungen und auch Zurücknahme gewinnen an Bedeutung.

      Das System Mensch stellt eine Gesamtheit von Elementen (im Folgenden die beschriebenen fünf Bausteine) dar, die so aufeinander bezogen sind und sich wechselseitig beeinflussen (Beziehungsgeflechte, Austauschprozesse und teilweise reziproke Abhängigkeiten), dass sie eine aufgaben- und zweckgebundene Einheit ergeben können, die letztlich die menschliche Überlebens- und Funktionsfähigkeit ergeben.

      Ein System ist deshalb als ein nach Prinzipien geordnetes und gegliedertes Ganzes zu bezeichnen.

      Die Elemente wiederum bestehen aus und organisieren sich durch Strukturen (Eigenschaften, substanzielle Verfassung, Qualitäten), die in ihrer jeweiligen Summe entsprechende Subsysteme wie z. B. biologisches oder psychisches Subsystem, ergeben.

      Die Strukturierung unterliegt Gesetzmäßigkeiten (Art und Dosierung der Befriedigung der Grundbedürfnisse), deren Realisierung einerseits verantwortlich bzw. bestimmend für den Zustand des Gesamtsystems ist und auf der anderen Seite vom System selbst vorgegeben und eingefordert wird, somit dem System als Basis zugrunde liegt (Systemimmanenz).

      Die Betrachtung des Systems von außen lässt nur schwer Rückschlüsse auf die Beschaffenheit der Subsysteme zu, da deren gegenseitige strukturelle Kopplungen und eventuelle Vernachlässigungen (im Sinne von defizitären Bedürfnisbefriedigungen) einzelner Komponenten oftmals nicht offensichtlich sind.

      Konkret bedeutet dies, dass es für die Umwelt sehr schwer ist, die tatsächliche Verfassung eines Menschen zu erkennen und zu beurteilen, vor allem aufgrund der vielen bewussten und hauptsächlich unbewussten Ablenkungsmanöver (Stichwort: Aufbau einer Fassade als psychische Reaktionsform).

      Ein extremes Beispiel für so einen auf den ersten Blick nicht erkennbaren psychischen Zustand: Ein bisher nicht auffallender und zurückhaltender, sogar freundlicher Jugendlicher, der Amok läuft, mit aller Kaltblütig- und Grausamkeit viele Menschen tötet, und dessen Umfeld (Familie, Freunde, Nachbarn, Schule, Vereine) danach mit völliger Fassungslosigkeit und Erstaunen auf die Tat reagiert, da keine offenkundigen Anzeichen wahrgenommen wurden.

      Das System (der Mensch) selbst ist nur ein Teil eines übergeordneten Systems (Gesellschaft) und bestimmt – auch in entsprechender Wechselwirkung – deren Eigenschaften mit.

      Dass der Ausdruck von einem System Mensch, das sehr nach gefühlloser Maschine und automatisierten Prozessen klingt, nicht den Vorstellungen des Menschen von sich selbst entspricht und durchaus als ketzerisch empfunden wird, ist naheliegend, da der systemische Ansatz einer uneingeschränkten Selbstbestimmung und –bestimmtheit, einer großen Freiheit des Willens und der Gestaltung, einer übermäßigen Individualität menschlichen Verhaltens und einer besonderen Komplexität der Psyche und des Geistes gegenläufig ist.

      Diese Beschränkungen und Limitierungen konterkarieren das Selbstbild des Menschen als Krönung der Schöpfung im großen Maße.

      Beim eigenen Selbstverständnis wird der Mensch zum großen gefühlsbetonten Romantiker, der – obwohl sonst sehr technikorientiert und –verliebt, kühl kalkulierend bzw. berechnend (Aufwand zu Nutzen und Ertrag) und sich auf dem besten Weg zur Kreation eines synthetischen Lebensumfeldes (und am Ende des künstlichen Menschen) befindend – eine systemgemäße Grundlage für die Persönlichkeitsentwicklung als zu technokratisch, gefühllos, unbeseelt und damit als inhuman ablehnt.

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