Der EMP-Effekt. Peter Schmidt

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Der EMP-Effekt - Peter Schmidt


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einem Keller verschüttet, die Decke drohte einzustürzen. Kinder, alte Männer, Frauen, auch eine Schwangere. Ich war der einzige junge Mann unter ihnen. Über uns gab es einen eisernen Deckel. Doch um zu ihm hinaufzugelangen und Hilfe zu holen – es war stockfinster und kalt, die Halle des stillgelegten Heizungstrakts eines ehemaligen Gerichtsgebäudes –‚ hätte ich in einer halsbrecherischen Kletterpartie über morsche Zwischenwände, die bereits absackten, an einer dünnen Abwasserleitung entlang klettern müssen: in acht Metern Höhe über den eisernen Heizkesseln, die mit Alteisen und herabgestürztem Gemäuer bedeckt waren …

      Ich weigerte mich damals. Irgendein guter Engel gab mir ein, mich nicht zu opfern. Sehen Sie Eathscott, es wäre wirklich ein Opfer gewesen. Wie sich nachher herausstellte, stürzte die Abwasserleitung von allein herab. Sie hätte gar nicht mehr meines Gewichts bedurft. Wahrscheinlich stände ich jetzt nicht vor ihnen.»

      «Und die Menschen im Keller?»

      «Zwei Stunden später wurden wir von einem Suchtrupp befreit.»

      «Verstehe, was Sie damit sagen wollen: Manchmal scheint es, als müsse jemand sich für die Allgemeinheit opfern. Aber dann findet alles eine überraschende Lösung.»

      «Das will ich damit sagen.»

      «Aber liegt unser Fall nicht anders?»

      «Ich wüsste nicht, wieso.»

      Im oberen Fenster des Hauses erschien ein Mann in dunkler Uniformjacke und sah ihnen eine Zeit lang mit dem Fernglas entgegen.

      «Wer ist das?», fragte Whyler.

      «Kendall. Übernimmt in dieser Gegend Polizeiaufgaben. Ist befugt, jedes verdächtige Fahrzeug in der Nähe des Hauses zu überprüfen – gegebenenfalls auch von uns fernzuhalten. Wegen seiner Uniform erregt er bei den Einheimischen keinen Verdacht.»

      «Ausgezeichnet, Eathscott. Als ich eben vom Schiff ging, fragte ich mich, ob ich hier denselben Haufen seniler alter Narren antreffen würde wie in West Hartlepool, wo sie gerade daran arbeiten, den Schweden wegen der Verletzung ihrer Hoheitsgewässer durch fremde U-Boote zur Hand zu gehen. Man erprobt ein neues Unterwasserfrühwarnsystem. Als Freundschaftsgabe, obwohl sie nicht einmal Mitglied der NATO sind. Aber es ist so wirkungslos wie seine Vorläufer.»

      «Unsere Aufgabe liegt völlig anders. Und wir hoffen natürlich, erfolgreich zu sein.»

      «Richtig, wo waren wir stehengeblieben?»

      «Eine simple Rechenaufgabe, Sir: Wie viele Menschen man für einen einzelnen opfern will.»

      «Oder ob ein einzelner für viele geopfert werden sollte? Nein, das wären nur hypothetische Fragen. Wir wissen nicht, ob es jemals soweit kommen wird.»

      «Ich denke, das ist ein großes Glück, Sir. Unsere Hoffnung.»

      «Ihre Frage müsste anders lauten: Ob man einen einzelnen opfern will für den Vorteil vieler. Ein Vorteil, der erst eigentlich ein Vorteil ist, wenn ihn nur eine Seite – unsere Seite – besitzt.»

      «Das bringt mich auf den Gedanken Sir, ob es nicht besser wäre, wenn beide Seiten darüber verfügten?»

      «Nach der gegenwärtigen westlichen Doktrin, die von unseren großen Freunden drüben befürwortet wird, wohl kaum. Wir wollen Überlegenheit, kein Gleichgewicht.»

      Sie waren vor dem Haus angelangt. Whyler nahm seinen Südwester ab und schlug ihn vor der Fußmatte aus. Eathscott klopfte dreimal in längeren Abständen gegen die Holztür. Ein Mann in grobem Rollkragenpullover öffnete. Der Geruch von feuchtem Baumwollläufer schlug ihnen mit der Ofenwärme entgegen.

      «Was Neues, Gatsby?»

      «Es scheint, als bereite sich Bukarest auf einen heißen Empfang vor. Drei ihrer Spezialisten arbeiten an der Präparierung seines Hotelzimmers.»

      «Schon was über die Methode herausgefunden?»

      «Sie werden irgendeinen ihrer üblichen schäbigen Tricks anwenden, um ihn in Abhängigkeit zu bringen. Verstoß gegen die Einreisebestimmungen, Devisenvergehen oder dergleichen.»

      «Oder Spionageverdacht?»

      «Das würde im Westen zuviel Aufsehen erregen.»

      Eathscott nickte. «Ja, damit haben sie zu viele schlechte Erfahrungen gemacht.»

      «Wir versuchen auf dem laufenden zu bleiben.»

      «Und der Amerikaner?»

      «Erfolgreich.»

      «Sie meinen wohl, auf dem besten Wege dazu?», fragte Whyler.

      «Das ist genauer, Sir.»

      Der Korridor öffnete sich ohne weitere Tür zu einem großen Raum, der einmal das Wohnzimmer gewesen sein mochte. Neben dem zugemauerten Kamin stand ein gusseiserner Ofen. Den größeren Teil des Zimmers nahmen zwei hölzerne Kartentische ein. Auf der Anrichte an der Wand befand sich das Funkgerät. Neben einem der Tische saß ein etwa vierzigjähriger Mann, den dreiviertellangen Ledermantel mit hellem Kragenbesatz über der Stuhllehne neben sich. Seine tiefliegenden Augen warfen Whyler einen erleichterten Blick zu.

      «Gut, dass Sie kommen», sagte er mit deutschem Akzent. «Ich bin eigentlich schon auf dem Rückflug.»

      «Was Besonderes, Holler?»

      «Es kam heute morgen über die üblichen Kanäle.» Er reichte ihm ein Blatt Papier.

      Whyler las es schweigend. Dann gab er es an Eathscott weiter. «Die Amerikaner favorisieren den direkten Weg», meinte er mit trockener Stimme.

      «Sagen sie es so geradeheraus?»

      «Natürlich nicht, man muss es zwischen den Zeilen lesen. Sie bezweifeln, dass er auf Dauer kontrollierbar sein wird, ganz gleich, was wir mit ihm anstellen. Sie stellen es einfach in den Raum und lassen uns die Schlüsse daraus ziehen.» Er stützte sich schwer mit einer Hand auf den Tisch und schüttelte den Kopf. «Nicht mit mir. Wie denken Sie darüber, Hohler?»

      «Ich bin Deutscher – wir haben eine heikle Vergangenheit.»

      «Also weiter wie bisher.»

      «Hier in Schottland oder drüben in den Staaten mag man das ganz anders sehen. Es gibt Prioritäten, auch wenn man es in keinem Parlament offen aussprechen würde.»

      «Sie reden denen doch nicht das Wort, Holler?»

      «Ich bin für Fairness. Jedenfalls, soweit es sich realisieren lässt. Meiner Meinung nach ist dieser Bursche völlig unbedarft. Er weiß noch gar nichts von dem Los, das er gezogen hat.»

      «Damit stehen Sie aber ziemlich allein.»

      «Zwei meiner Leute wurden von ihm in der Wohnung überrascht. Sie machten ihm Andeutungen wegen seiner Vergangenheit, aber ohne Reaktion.»

      «Er ließ sich nicht provozieren, wollen Sie sagen?»

      «Im Laufe der Jahre bekommt man ein Gefühl für Ehrlichkeit. Er müsste ein ausgezeichneter Lügner sein.»

      «Da wäre er nicht der erste.»

      «Mag sein. Vielleicht irre ich mich, es gibt genügend Verdachtsmomente.»

      «Selbst wenn es sie nicht gäbe», sagte Whyler. «In einer Angelegenheit von dieser Tragweite spielt Unschuld keine Rolle.»

      «Unschuld … nein.»

      «Also doch eine Fehleinschätzung?»

      «So krass würde ich es nicht ausdrücken.»

      «Was glauben Sie, Eathscott?»

      «Ich neige eher Hollers Auffassung zu – dass er noch nicht vom Osten gekauft wurde. Dagegen spricht schließlich auch die Rührigkeit der Rumänen. Warum sollten sie seine Hotelzimmer präparieren, wenn er längst zu ihnen übergelaufen wäre?»

      «Aus Gewohnheit. Und aus Misstrauen.»

      «Natürlich würden sie jede Gelegenheit


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