Jenseits von Wo und Wann. Hans J. Unsoeld

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Jenseits von Wo und Wann - Hans J. Unsoeld


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Jene Vögel sagen, sie „glau­ben an einen abenteuer­lichen Geist, Entschlossenheit, Träume oder Visionen, die Hartnäckigkeit Hindernisse zu überwinden, die Bereitschaft kalkulierte Risiken einzugehen, und an Respekt und Beachtung für die Erde. Sie glau­ben an die Abenteuerlust im Herzen der Menschen, aus denen sich eine gesunde Gesellschaft ergibt. Sie glauben, dass Stabilität und Balance auf einem individuellen Familien- und Sozialniveau für Wohl­stand und Glück notwendig sind. Aber gebraucht und bewun­dert werden auch diejenigen, die bereit sind, den Status Quo in Frage zu stellen und herauszu­fordern. Durch Störungen wird unser Weltbild infrage gestellt, wobei Fehler in den vorherrschen­ den Paradigmen aufgezeigt und Bedingungen für ein besseres Verständnis geschaffen werden. Innerhalb unseres sozialen Rahmens müssen wir Raum für die Kreati­ven machen, die Herausfor­derer, die Federrupfer, wo die Präzision des Räderwerks der Gesell­schaft nicht das Leben von denen erdrückt, die bereit sind, unkonventionelle Dinge zu unter­nehmen.“

      Dem Raben gefallen diese Worte sehr, obwohl er meint, dass es sich nicht um Glauben, sondern Erfah­rungen handelt, die wenig mit religiöser Einstellung zu tun haben, sondern eben mit Philo­sophie. Es geht um die Erschließung neuer Räume in einem weiten, abstrakt anmutenden Sinn. Was macht diesen veränderten Sinn aus? Raum als reine Ortsangabe macht allein keinen Sinn mehr, zum Beispiel nur einfach ein Ortswechsel auf einer Reise. Als ebenso wesentlich erscheint die dort verbrachte Zeit und wie sie verwendet wird. Raum und Zeit sind auch in unserem Leben eng miteinander verknüpft, nicht nur in Einstein's Theorien.

      Kein Wann?

      Die Zeit? Auch in diesem Punkt haben jene Vögel, die das Abenteuer Philosophie auf ihr Banner geschrieben haben, eine dezidierte Meinung. Zeit sei „die einzige echte Währung. Damit gehen wir je nach Vor­haben verschieden um. Wir leben in vergleichsweise guter Freiheit zu wählen und zu handeln (wir sind keine Sklaven ). So ist es nur richtig, dass wir unsere Zeit nutzen, um unser Potential zu erfül­len. Im Rahmen unserer geneti­schen Vererbung und etwa 75 Jahren sollten wir das bestmögliche leis­ten, was wir können, die fittesten sein, gesündesten, möglichst sportlich sein, in unserem Beruf etwas erreichen, ein guter Freund, Sohn, Tochter, Eltern, Gemeindemitglied sein. Unsere Gaben zu ver­schwen­den bedeutet aufzugeben, was es heißt, Mensch zu sein. Wir stimmen zu, dass die Menschen in der Lage sein sollen, von der Nutzung des Landes profitieren zu können, und dass das individuelle Steuerung und Management umfasst. Wir glauben jedoch an eine Politik, die den öffentlichen Zugang zu Bereichen für nicht destruktive Erholung bewahrt. Zugang zu unse­ren schönen und unberührten Orten ist von grundlegender Bedeutung für Lebensqualität und wichtiger als die Profitgier einiger weniger.

      Ist Zeit etwas fiktives wie eine Währung, die nur auf erfahrungsmäßigem Einverständnis beruht? Waren die Menschen im Mittelalter unglücklich, oder bringt uns die Zukunft bessere Verhältnisse?

      In unserem Verständnis haben wir nur wenig Möglichkeit, unserer Zeit zu entfliehen. Wer jung ist, kann sich nicht alt machen; wer alt ist, kann sich nicht jung machen. Wer in einer modernen Zeit lebt, kann sich nicht ohne weiteres ins Mittelalter versetzen, und umgekehrt. Aber fast jede Regel hat ihre Aus­nahmen. Die eigene Ent­scheidung, in Thailand zu leben, hat durchaus, und das sei mit der Pfeife deut­lich hinaus geblasen, mit dem Wunsch zu tun, sich jung zu machen, eine klare Reaktion darauf, dass in Deutschland die älteren Menschen älter gemacht werden, als sie sich fühlen, und zwar in unseliger Ein­tracht sowohl von den jungen Frauen als auch von den Arbeit­gebern. Gleichzeitig bedeutet diese Ent­scheidung auch in vieler­lei Hinsicht eine Versetzung ins sprichwörtliche Mittelalter, genauer gesagt, in die früh-indus­trielle Neuzeit. Thailand hat noch eine nur wenig angekratzte Feudalstruktur. Die Kratzer kommen im wesent­lichen von der Technik.

      Wie kommt Zeit denn nun zustande? Sie verbreitet sich doch sicherlich nicht plötzlich aus einer Zau­bertüte. Hat sie etwas mit Uhren zu tun? Vielleicht sollten wir nach irgendwelchem Ticken forschen. Moderne Digitaluhren ticken nicht mehr, ältere mechanische Uhren dagegen durchaus noch. Was be­sagt jenes Ticken? Ob man es hört oder nicht, in den Uhren schwingt etwas, und der Trick besteht schlicht und einfach darin, die Schwingungen abzuzählen. Wenn man es noch genauer haben möchte, wird auch noch das Intervall einer einzelnen Schwingung in beliebig viele Teile aufgeteilt, und dann werden eben noch zusätzlich diese Teile abgezählt. Ganz abstrakt wird von Sekunden und verein­barten Vielfachen davon oder aber von Bruchteilen dieser Sekunden geredet. So macht es aber doch die Natur ganz gewiss nicht. Am abzählen scheint man aber nicht vorbei zu kommen. Was wird denn da in der Natur abgezählt?

      Ganz offensichtlich wird nicht überall in der Natur auf die gleiche Art abgezählt. Bei den Atomen und Elementarteilchen werden Schwingungen benutzt, was die Basis eben jener Digitaluhren ist, in denen die Schwingungen in einem Kristall registriert werden. Bei Lebewesen werden Generatio­nen gezählt, gleichermaßen auf einfachsten Niveau wie bei den Bakterien oder am anderen Ende bei den Menschen auf “etwas” höherem Niveau. Die Sterne und Galaxien rechnen ihren Energieverbrauch ab und und ermitteln so ihre “Lebenszeit”. Die Zeit ist also gewiss nicht ein universales Natur­gesetz, sondern hat je nach ihrer Ausprägung einen beschränkten Geltungsbereich.

      Während eines Zeitintervalls in einer bestimmten Umgebung können sich räumliche Veränderungen ergeben, die umgekehrt auch die Länge der jeweiligen Zeiteinheit ver­ändern. Der Mikrokosmos rechnet in Mikrosekunden oder noch viel kürzeren Reaktionszeiten, der Weltraum dagegen in Mil­lio­nen von Jahren, die das Licht durchläuft. Raum und Zeit hängen also uner­bittlich zusammen, und zwar generell, nicht nur in Einstein's Physik, sondern auch im Bereich unseres Lebens.

      Wie aber kommen jene Veränderungen zustande? Was treibt solche Veränderungen innerhalb eines Zeitintervalls an? Die Beantwortung dieser Frage scheint schwierig zu sein. Geben wir diesem Geheimnis zunächst einmal einen Namen und nennen es Entwicklung. Sofort ist gelangweiltes Gähnen zu hören. Entwicklung? Das ist doch nun wirklich nichts neues.

      Vorsicht, bei der Frage, was Entwicklung überhaupt ist und woher sie eigentlich kommt, handelt sich sogar um ein großes Geheimnis. Ist Entwicklung nur eine Eigenschaft des Bereiches, den wir Leben nennen, dort meist konkreter als Evolution bezeichnet, oder etwa ein allgemeines Natur­gesetz? Philosophen an die Front, - gibt es eine Philosophie der Entwicklung? Google und Wiki­pedia gähnen ebenfalls sofort gelangweilt, bieten nur eine Philosophie der Evolution. Was ist denn nun eigentlich Entwicklung und wie kommt sie zustande?

      Diese Frage mag viel sinnvoller sein, als es auf den ersten Blick scheint. Denn Entwicklung ist quasi die Fortsetzung einer immer noch völlig hypothetischen Weltentstehung. Damit vermeiden wir nicht definierbare Worte wie Gott oder Schöpfung, weil “nichts aus nichts entstanden sein kann”. Diese sind des­wegen nicht definierbar, weil sie einem statischen Denken entspringen, während es sich bei der Weltent­stehung und jeglicher Entwicklung um dynamische Prozesse handelt. Dynamik lässt sich logisch nicht aus Statik herleiten. Da die Welt aber tatsächlich ent­standen ist, kann zumindest strenge Logik hier nicht weiterhelfen.

      Neue Formen von komplizierterer Logik? Es sei hier nur kurz erwähnt, dass zum Beispiel rekursive Logik und “fuzzy logics”zumindest keinen einfachen Zugang ergeben. Ist aber nicht Einfachheit ein wichtiges Postulat? Offensichtlich bleibt uns “einfach” nichts anderes übrig, als statt von Entstehung oder Schöpfung nur von Entwicklung zu sprechen.

      Entwicklung

      Es geht hier aber nicht nur um Entwicklung in Teilbereichen. Moralische Entwicklung, psycho­logische Entwick­lung, Kinder-Entwicklung oder abstraktere Formen von Entwicklung in anderen Fachgebieten sind zumindest zunächst nicht gemeint, sollten wohl besser unter dem Begriff Evo­lution subsummiert werden, können aber vielleicht später einmal in die nun folgenden Betrach­tungen einbezogen werden.

      Eine allgemeine Grunderfahrung in allen Bereichen ist, dass Entwicklung entweder gleichmäßig oder aber plötz­lich geschehen kann. Atome und Elementarteilchen können gleichmäßig schwingen und reagieren oder aber sich abrupt umwandeln in andere Teilchen. Im Bereich des Lebens kann eine gleichmäßige Ver­änderung über längere Zeit vor sich gehen, oder aber eine Mutation oder eine Kata­strophe wie Krieg


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