Liebesbriefe von Alice.. Alice Zumbé
Читать онлайн книгу.ersten warmen Sonnenstrahlen ermunterte mich dies auch ihr gegenüber kundzutun und so führte eins zum anderen und wir fanden uns mitten in einem anregenden Gespräch wieder. Gefüllt wurde es mit Themen über Reisen in ferne Länder und die Erfahrungen, die wir dort machten, über unsere Herkunft und die Beweggründe dafür, dass wir unsere Zelte in Düsseldorf aufschlugen sowie ein paar Lebensgeschichten zu den zwischenmenschlichen Begegnungen und Erlebnissen, die uns in den letzten Monaten bewegten und bei denen die Liebe im Spiel war. Mir gefiel ihre offene Art und ihre positive Ausstrahlung und so gestaltete sich dieses Zusammentreffen zu einem fröhlichen und erkenntnisreichen Austausch über die jeweiligen Ansichten und endete mit dem Vertrauen, dass wir uns irgendwann wiedersehen würden, wenn der Lauf des Lebens es so vorsah. Das Gespräch inspirierte mich auch einen Gedanken weiter zu verfolgen, der mich schon seit letztem Jahr begleitete und mit der Erfüllung eines Traums zu tun hatte. Doch dazu möchte ich Dir jetzt noch nicht mehr verraten, da ich mir noch mehr Klarheit über die weitere Entwicklung der Idee verschaffen möchte.
Nach dieser Zusammenkunft regte sich in mir das Bedürfnis nach Weitsicht und Entspannung, um die neuen Eindrücke zu verinnerlichen. Diese fand ich an einem sonnigen Platz mit Blick auf den Rhein, diesem vielbefahrenen Fluss, der sich durch die Stadt schlängelte, wie eine Schlange durch den Wüstensand. Dort verharrte ich eine Weile, genoss die weite Aussicht, beobachtete die Schiffe, die vorbeizogen und ließ meine Gedanken kommen und gehen. Dem fließenden Wasser zuzuschauen, wie es sich seinen Weg durch die Stadt bahnte, hatte etwas Beruhigendes auf mich und ließ mich für einige Momente völlig die Zeit vergessen. Da war er wieder – der Fluss des Lebens, dem ich mich für den Augenblick hingab und der mich mit Ruhe und Gelassenheit beschenkte. Außerdem erinnerte mich das Wasser an die Liebe, die man, wie dieses Element, nicht festhalten konnte, selbst wenn sie spürbar durch einen floss – idealerweise gab man sich ihr dann einfach nur hin.
Nach einer Weile warf ich einen kurzen Blick auf meinen Email-Eingang, der mich mit einer Nachricht überraschte, die mich zunächst sprachlos machte. Ein Umstand, der sich nicht als tragisch erwies, da ja niemand in der Nähe war, dem ich mich mitteilen konnte. In der Betreffzeile offenbarten sich schon Worte, die auf etwas Erfreuliches hinwiesen, denn dort stand: „Der Stern-Verlag gratuliert!”. Bei näherer Betrachtung erinnerte mich eine Dame daran, dass ich wenige Wochen zuvor an einem Gewinnspiel teilgenommen hatte, dessen Auslosung dazu führte, dass ich mich zu den glücklichen Gewinnern zählen durfte. Zwei Kinokarten und der Roman, der die Grundlage zum Film bildete, warteten nun auf mich zur Abholung bereit, wie mir die Dame in der Nachricht versicherte. Das Glücksgefühl, das ich empfand, als ich die Zeilen noch einmal Revue passieren ließ und ich innerlich über den Gewinn jubilierte, erwies sich als genauso intensiv wie vier Monate zuvor in einer ähnlichen Situation. In diesem Moment erkannte ich, dass es für dieses Gefühl keine Wertigkeit gab, die sich vielleicht sogar an dem Wert des Gewinns gemessen hätte. Es stieg einfach in mir empor und erfüllte mich gleichermaßen, wie im November des letzten Jahres. Irgendwann zog allerdings auch die noch winterliche Kälte in meine Glieder und bewog mich, neben meiner fast unaussprechlichen Freude über die Gewinn-Nachricht, diesen Ort zu verlassen.
Neue Begegnungen mit bereits bekannten Menschen gaben mir dann die Möglichkeit mein Glück mit ihnen zu teilen und völlig unvermutet durfte ich mich dann noch zusätzlich daran erfreuen, dass das Glück in etwas anderer Form auch an die Tür meines Sohnes geklopft hatte. Meinen Gewinn nahm ich dann am nächsten Tag zur 13. Stunde im Stern-Verlag entgegen und somit betrat ich doch noch einmal nach zwei Wochen unvermutet die Räumlichkeiten des Verlagshauses, das zum Ende des Monats für immer seine Türen schließen würde.
Einen Tag später konnte ich charmanten Besuch empfangen und da wir uns einige Zeit nicht gesehen hatten, gestaltete sich ein erzählreicher Abend, der mit dem perfekten Gastgeschenk begann, kulinarische Genüsse offenbarte und für uns beide glückselig endete, da wir uns ein Stück Lebenszeit geschenkt hatten. Neben den Erzählungen zu den ereignisreichen letzten Tagen kam ich nochmals auf die „36 Fragen” zu sprechen. Du erinnerst Dich sicher noch an meinen Brief über „Frühlingsgefühle“, in dem ich darüber berichtete!? Damals erwähnte ich nicht die „4 Minuten”, die sich an die Fragen anschlossen und in denen sich die beiden Akteure schweigend in die Augen schauen sollten. Mein reizender Besuch wurde ganz neugierig und aufmerksam, als ich ihr von meinen „4 Minuten” zu erzählen begann. Diese erlebte ich genauer gesagt an dem Tag, als ich das letzte Mal den Mann sah, der zu einem Freund geworden war und mit dem ich fünf Monate vorher die „36 Fragen” beantwortet hatte. Er bat mich überraschend um diese Minuten und obwohl es mich aufgrund der Entwicklungen der letzten Monate wenige Sekunden irritierte, ließ ich mich darauf ein. In mir offenbarten diese vier Minuten das tiefe Gefühl, dass alles in Ordnung ist, so wie es war – es fühlte sich richtig an und ich sah die Liebe in seiner Seele, die sich in seinen bewegten Augen wiederspiegelte. Er erzählte mir danach, dass er mich von meiner Kindheit bis zu der Frau, die ich heute bin, wahrgenommen hatte. Ein unvergessliches Erlebnis, das uns die absolute Freiheit gab, den anderen jeweils in sein Leben zu entlassen und dies im besten Sinne – in bedingungsloser Liebe und dem Vertrauen, dass der Fluss des Lebens eine erneute Begegnung möglich machte, wenn er es vorsah.
Für heute enden meine Zeilen an Dich und dieses Mal begleitet mich schon eine gewisse Vorfreude auf meinen nächsten Brief an Dich, denn ich werde mein persönliches Wunderland besuchen, in dem alles möglich ist.
In Liebe,
Alice
PS. Dies möchte ich Dir noch auf den Weg mitgeben – Georg Bernard Shaw sagte einst:
„Liebe ist die Fähigkeit und Bereitschaft, den Menschen, an denen uns gelegen ist, die Freiheit zu lassen, zu sein, was sie sein wollen, gleichgültig, ob wir uns damit identifizieren können oder nicht.”
23. März 2016: Big Apple und Aloha.
„Lieber Freund,
erst wenige Tage waren vergangen seitdem ich meinen letzten Brief an Dich versendete und schon wieder hatten sich so viele Dinge ereignet, dass ich mich zunächst erst einmal sammeln musste. Während ich darüber nachdachte was für mich bedeutsam genug war, um Dir davon zu erzählen, nahmen sechs junge Herren an meinem Tisch Platz und lenkten meine Aufmerksamkeit ab und zu auf sich und die ein oder andere amüsante Geschichte, die auch mich zum Lachen brachte. Jasmin Tee, Kaffee mit Sojamilch, frisch gepresster Orangensaft, Investitionskapital, schweizer Franken, die Pille und Anleger-Geschäfte – mir schien es, als wenn sich die Welt der Kunststudenten in den letzten Jahrzehnten doch sehr verändert hatte. Doch zurück zu den Erlebnissen der vergangenen Tage, die mit vielen glücklichen Momenten gefüllt waren. Dies verdankte ich vor allem den Menschen, die ich traf und die mir erlaubten etwas Lebenszeit mit ihnen zu verbringen und ihren Lebensgeschichten zu lauschen. Manche von ihnen waren mir bereits bekannt, andere präsentierten mir ein neues Gesicht und manche hatte ich schon lange nicht mehr gesprochen, weshalb ich mich umso mehr auf ihre Neuigkeiten freute. Letzten Sonntag war Weltglückstag, der seinerzeit von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen und seit dem Jahr 2013 begangen wurde und der mich auch daran erinnerte, welche Bedeutung Glück in meinem Leben hat. Vielleicht hatte es mit dem Gesetz der Anziehung zu tun – denn wo Liebe ist, ist auch Glück.
Eine Zusammenkunft der besonderen Art erwartete mich dann letzten Donnerstag, als ich der Einladung einer jungen Dame folgte, die ich schon seit längerem kannte und die eine Leidenschaft hegte, die sie mir auf meinen Wunsch hin nun näher bringen wollte. Gemeinsam fuhren wir aufs Land zu einem Gehöft, um vor Ort zu Fuß unseren Weg zu einer Wiese fortzuführen. Dort holten wir schließlich jemanden ab – sie hieß „Diva” und war eine imposante Erscheinung mit ihrem Stockmaß von 1,80 Meter und folgte uns zurück zum Hof, wo wir uns erst einmal um ihre Pflege kümmerten. Diese Vorbereitung diente einem ausgedehnten Spaziergang durch Wald und Wiesen und trotz des Umstands, dass ich schon viele Jahre keinen Kontakt mehr zu diesen Wesen hatte, wurden mir unversehens die Zügel in die Hand gedrückt. So lernten Diva und ich uns etwas näher kennen, während wir an einem Bach entlang liefen. Aufgrund der unterschiedlichen Wesensart gestaltete sich die Konversation etwas einseitig, allerdings zeigte sich Diva immer sehr erfreut, wenn ich