SILBER UND STAHL. Nicole Seidel

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SILBER UND STAHL - Nicole Seidel


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an ihn.

      Wenig später lagen sie nebeneinander unter den wärmenden Decken und schauten sich tief in die Augen. Fuin'isengrims tätowierter Körper strahlte Stärke und Wärme aus, seine offenen Augen waren dunkelstes Walddickicht, er hielt seine zerbrechliche Frau schützend im Arm. Sie genossen die körperliche Nähe des anderen. Zwei schwarzhaarige wunderschöne Elfen, vielleicht beide ein wenig zu mager, ausgezerrt vom harten Leben.

      Fuin'isengrim aep Ellylon - ein edler Elfenmann mit königlichen Blut in den Adern, aber ar-talath en ar-tûr - ohne Land und ohne Macht. Er kapitulierte und fristete nun ein ärmliches Leben hinter den Mauern der Hauptstadt Wyzima. Seine Kriegergefährten, die sich nicht ihrem Schicksal ergeben hatten, waren alle getötet worden oder lebten in der Verbannung. Lange Zeit haderte Fuin'isengrim mit sich und seiner feigen Entscheidung, dann lernte er Calad'linna - was Lichtlied bedeutete - kennen und verliebte sich in das fröhliche Mädchen. Bei einem kleinen Fest hatte er sie singen hören und war von ihrer klaren Stimme verzaubert worden. Sie war ein fleißiges Mädchen, arbeitete als Näherin für einen angesehenen Designer und Kaufmann der Stadt. Ihr romantisches Gemüt brachte ihn schnell wieder auf andere Gedanken. Und nun, wo sie sein Kind unterm Herzen trug, vergötterte er sie umso mehr.

      Calad'linna war zufrieden mit dem, was sie hatten - auch wenn das meiste sie und ihre Familie beitrugen. Sie lebten im Anderling-Viertel von Alt-Wyzima in einem kleinen Stadthaus, zweistöckig, wie die meisten Häuser dort. Unverputzte Wände aus Stein und Holz, die Fenster aus milchigem Glas. Der Bereich des Erdgeschosses war für die Gemeinschaft, beherbergte im hinteren Teil einen offenen Küchentrakt, eine Waschgelegenheit hinter einem schmuckvollen Pavillon und den großen Esstisch, um den sich die Familienmitglieder oft versammelten. Die wenigen Möbel, waren auf Elfenart edel verziert und ließen das schlichte Heim weniger ärmlich aussehen. Im oberen Stockwerk - erreichbar über eine Holztreppe - lagen drei Zimmer. Im hinteren wohnte Fuin'isengrim mit Calad'linna. Daneben hatte ihr Bruder Celeborn und seine Frau Edhiel ihr Schlafgemach. Im vorderen, kleinsten Raum war ihre verwitwete Mutter I'worel untergebracht.

      Die alte Elfe I'worel stand am Herd und kochte für die ganze Familie eine Gemüsebrühe. Edhiel eine dunkelbraunhaarige Elfe mit harten Gesichtszügen deckte gerade den Tisch. Ihr Mann Celeborn kam die Treppe herunter, als Fuin'isengrim ins Haus trat. Draußen begann die Nacht.

      "Jetzt repariere ich schon den Galgen", murrte der Elf mit dem langen, lackschwarzem Haar. "Und mit dem Lohn haben sie mich auch betrogen." Er blickte sich um, suchend. "Ist Calad oben?"

      "Nein, oben ist niemand", meinte Celeborn, der ja gerade vom oberen Stockwerk gekommen war.

      "Sie hat der Herzogin Feodora Edenbrinck ihr Kleid bringen müssen, sie braucht es ja dringend für dieses große Fest, das König Foltest morgen Abend zu Ehren dieses Redanischen Prinzen gibt. Vermutlich musste sie es ein viertes Mal ändern und ist aufgehalten worden." Dumpfer Spott lag in der Stimme Edhiels.

      "Es ist schon dunkel. Ich werde ihr entgegen gehen." Fuin'isengrim holte ein Stilett von der Wand, an der noch zwei Schwerter und zwei Bögen hingen, und steckte sich die handliche Waffe in den Gürtel.

      Im leichten Laufschritt rannte er die Straße entlang, hielt sich östlich. Zügelte sein Tempo aber am Tor. Die Soldaten ließen ihn jedoch problemlos passieren. Über eine große Brücke und durch ein mächtiges zweites Tor kam er nach Neu-Wyzima, ins untere Tempelviertel. Ein Straßenwächter entzündete die ersten Pechfackeln an den Hauswänden, nach Mitternacht - wenn sich nur noch Wachpatrouillen auf den Straßen Wyzimas tummeln würden - wurden diese wieder gelöscht. Er lief eine sich leerende Straße nun Richtung Norden entlang - Fuin'isengrim wusste, dass das Haus der Herzogin Edenbrinck gleich nach der Abgrenzung zum oberen, königlichen Viertel zu finden war. Aber bis dorthin musste er gar nicht laufen.

      Er hörte eine Frau schreien, gefolgt von hämischem Männergelächter. Eine zweite Frau rief "Lasst uns in Ruhe!" und er erkannte Calad'linnas kristallklare Stimme. Er zog das Stilett und rannte dem Stimmengemurmel entgegen. Kurz darauf erreichte er eine Gruppe von fünf angetrunkenen Männern, die um zwei am Boden knienden Elfenfrauen standen.

      "Geht weg von ihr!" brüllte Fuin'isengrim und riss einen der Männer brutal aus dem Halbkreis, so dass dieser aufs Straßenpflaster stürzte. Den lachenden Mann daneben bedrohte er mit seinem Stilett. "Lasst die Frauen in Ruhe!"

      "Nimm dein Messerlein fort, Spitzohr!" blaffte ihn der Mann vor ihn an. "Bevor du dich noch schneidest."

      Der zu Boden geworfene hatte sich wieder aufgerappelt und stürzte sich unerwartet auf den Elf. Doch Fuin'isengrim trat zwei Schritte zur Seite und der Betrunkene taumelte an ihm vorbei. Der Elf gab ihm einen Stoß und der fiel erneut zu Boden. Da donnerte die harte Faust, des von ihm zuvor bedrohten, gegen sein Kinn. Der Elf stolperte gegen einen dritten Mann, der ihm seinerseits einen harten Stoß verpasste. Halt suchend taumelte Fuin'isengrim zur Seite und erwischte den ersten mit seinem Stilett, das den Ärmel und die Haut darunter aufschlitzte.

      Die stark nach Wein riechenden, in Kaufmanngewänder gekleideten Männer - drei davon mit modischen Bärten - gerieten, nun da Blut geflossen war, richtig in Prügellaune. Der Kerl, der ihn vorhin schon wegen des Messers gewarnt hatte, hielt nun einen Stock in der Hand und dreschte damit auf die Hand des Elfs ein. Schon der erste Schlag saß und brach dem Elf einen Finger und der musste das Stilett fallen lassen. Jetzt stießen und hieben alle fünf Männer abwechselnd auf den schwarzhaarigen Elf ein, der zwischen ihnen bald zu Boden brach. Nun bearbeiteten sie ihn mit harten Fußtritten, Fuin'isengrim wann sich unter Schmerzen.

      Calad'linna warf sich verzweifelt zwischen die Männer und versuchte ihren Mann zu schützen. Sie bekam selbst einen Tritt ab und ein anderer zerrte sie am Haarzopf hoch.

      "Was ist da los!" hörte man plötzlich eine autoritäre Stimme und drei Paar schwere Soldatenstiefel näherten sich der Szenerie. "Auseinander! Schluss damit!"

      Tatsächlich verharrten die betrunkenen Kaufmänner in ihren Bewegungen und entfernten sich von den am Boden befindlichen Elfen. "Der hat angefangen", deutete der mit der Schnittwunde auf den Mann am Boden und streckte dem Wachsoldat seinen blutenden Arm entgegen.

      Der Hauptmann besah sich den Arm mit der oberflächlichen Wunde. Besah sich dann den Elf am Boden, der sich die gebrochene Hand hielt und ihn mit geschwollenem, blutigem Gesicht anstarrte. Ein junges Elfenmädchen kniete schützend und bittend bei ihm.

      "Diesmal nur eine Verwarnung an euch, verschwindet!" Der Hauptmann bedachte die fünf betrunkenen mit einem vorwurfsvollen Blick.

      "Wir gehen ja schon." Die Kaufleute tummelten sich. Noch eine Weile war ihr Gelächter und angeberisches Gerede in den Gässchen zu hören. "Ha, der Ratte haben wir's aber gezeigt."

      "Um diese Zeit haben sich Anderlinge nicht mehr hier in der Stadt aufzuhalten. Ihr sollten schleunigst nach Hause gehen. Kann er laufen?"

      "Danke euch, Herr Hauptmann", wandte Calad'linna ein und versuchte ihrem Mann beim Aufstehen zu helfen.

      Der Hauptmann winkte einen seiner Adjutanten herbei, der dem Elf half, allerdings nur bis zum Haupttor. Auf der Brücke nach Alt-Wyzima kam den beiden Elfenfrauen, die Fuin'isengrim stützten, Celeborn entgegen. Gemeinsam brachten sie ihn nach Hause.

      Calad tupfte vorsichtig das Blut mit einem feuchten Tuch aus Fuin'isengrims geschunden Gesicht. Das rechte Auge war violett verfärbt und dick geschwollen, aus der langen Nase tropfte Blut, die vollen Lippen waren aufgeplatzt und ein unterer Backenzahn wackelte. "Haben sie dir weh getan, Calad?" stotterte Fuin'isengrim.

      Sie schüttelte den Kopf. "Du musst versorgt werden." Sie hob seine verletzte Hand an, tastete die Finger ab. Fuin stöhnte auf vor Schmerz. "Der Zeigefinger ist gebrochen, der daneben angebrochen. Ich muss deine Hand schienen."

      Celeborn und Calad entkleideten den verletzten und betteten ihn auf den großen Tisch im Erdgeschoss. I'worel hatte Wasser abgekocht und Edhiel saubere Leinentücher geholt. Die beiden Frauen richteten dann aus Kräutern einen Heilsud und bereiteten einen schmerzlindernden Tee vor.

      In dieser Zeit wusch Calad'linna ihrem Mann das Blut vom Körper. Ein filigranes Blattranken-Tattoo zierte seine linke Brustseite,


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