Zwischen meinen Inseln. Ole R. Börgdahl

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Zwischen meinen Inseln - Ole R. Börgdahl


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      Ua Huka, 11. Juli 1911

      Die Ropaatis hatten Besuch. Ein ganzer Klan hat sich auf unserem Gut eingefunden. Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen und zahlreiche Kinder. Ich habe lange über den Anlass nachgedacht und den wahren Grund noch immer nicht erfahren, selbst Onoo hat mir keine schlüssige Erklärung gegeben. Mir ist nur aufgefallen, dass ich des Öfteren im Mittelpunkt dieser Gesellschaft stand. Ich habe natürlich bei der Bewirtung geholfen, Mutter Ropaati hat mich sogar direkt dazu aufgefordert, was sie sonst nicht tut. Es war mir eine Freude. Am Abend haben sich die Männer zurückgezogen und sich beraten. Ich weiß nicht, worum es ging, denn diese Zusammenkünfte bin ich sonst in der Familie nicht gewohnt. Frauen und Männer sitzen am Abend stets beieinander. Neben der Männerrunde gab es auch eine Frauengesellschaft. Hier hatte ich wieder das Gefühl, im Mittelpunkt zu stehen.

      Ua Huka, 28. Juli 1911

      Onoo hat mir heute ein Stück Land geschenkt. Ich weiß nicht, ob es ein Spaß von ihm war. Wir sind hinauf zu den Vanille-Feldern gegangen. Er hat das Feld halbiert und mir erklärt, dass der Teil zum Meer hin mir gehören würde. Wir sind mein Feld dann abgeschritten. Onoo sagte mir auch, dass ich bestimmen könne, was in Zukunft hier angebaut werden soll. Ich habe mich dann auf Vanille festgelegt. Es soll alles so bleiben, weil es mir so gut gefällt und weil ich mit Onoo so gerne zwischen den Vanille-Pflanzen liege und den Himmel beobachte. Als wir später wieder auf dem Gutshof waren, wusste Onoos Vater bereits von dem Geschenk. Er nahm mich in den Arm und gratulierte mir. Er sprach davon, dass die Schenkung im Buch der Alten vermerkt sei. Ich habe dieses Buch noch nie gesehen und glaube auch, dass Onoos Vater es eher symbolisch gemeint hat, genauso wie auch dieses Land mir nur symbolisch geschenkt wurde. Es hat mich aber trotzdem sehr stolz gemacht.

      Ua Huka, 8. August 1911

      Endlich habe ich begriffen. Endlich weiß ich, was vorgeht. Ich bin ganz hin und her gerissen, ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Morgen reise ich erst einmal zu meinem Vater und werde mich ihm anvertrauen. Onoo will mich heiraten, oder besser gesagt, seine Familie will eine Heirat. Für Onoos Vater scheint es ganz selbstverständlich zu sein. Natürlich heiraten wir nicht sofort, wir sollen uns zunächst verloben, wenn das der richtige Ausdruck ist und wenn es auf den Marquesas überhaupt eine Ehe und Eheleute gibt. Auf jeden Fall ist eine Verbindung zwischen mir und Onoo abgemachte Sache. Ich wurde der Verwandtschaft ja bereits vorgestellt und habe wohl einen guten Eindruck hinterlassen. Natürlich ehrt es mich, dass die Ropaatis ihren ältesten Sohn mit einer Französin verheiraten wollen, nur was kommt dann? Ich will eines Tages mit Onoo nach Tahiti gehen oder noch weiter fort. Jetzt denke ich aber, dass der Hoferbe niemals fortgelassen wird, und schon gar nicht, wenn er eine Frau hat. Ich habe mit Vanessa gesprochen. Sie ist zwar noch ein Kind, aber sie war ganz begeistert, sie will mir nacheifern und ist unheimlich stolz, dass ich bald ihre Schwägerin bin. Es ist beschlossene Sache, nur ich weiß nicht, was eine solche Verbindung zwischen Onoo und mir bedeutet.

      Taiohae, 10. August 1911

      Ich habe mich mit Vater ausgesprochen. Er hat mir erst jetzt die ganze Wahrheit gesagt. Meine Beziehung zu Onoo wird von ihm zwar toleriert und respektiert, aber nicht von den Behörden. Es hat sich herumgesprochen, dass ich mit Onoo zusammen bin. Die Kirche hat sich mehrfach bei Vater gemeldet, er soll die Verbindung lösen, es gehört sich nicht. All dies ist in den letzten Wochen und Monaten an mir vorübergegangen, ohne dass ich eine Ahnung hatte. Vater stärkt mich und sagt, dass er dem Druck standhält und sich für mich gegen die Missgunst stellt. Vater sagt, er will mir diese Liebe lassen, es gehört zum Leben, zum Erwachsen werden. Ich denke noch immer über seine Worte nach. Vater und ich haben dann nicht weiter über die Sache gesprochen. In der Nacht habe ich wach im Bett gelegen und über alles nachgedacht. Ich wünschte, ich wäre einige Jahre älter und reifer und im Leben erfahrener. Ich muss dann mit diesem Gedanken eingeschlafen sein. Ich habe geträumt, wie ich Onoos Frau war, wie ich das Haus versorgt habe und mich um die Alten gekümmert habe. Onoo war der Bauer und ich die Bäuerin. Ich bin im Traum auf den Hof vors Haus gegangen und in Richtung Küste. Ich bin gelaufen, schneller als ich es je vermag. Ich stand schließlich an der Klippe, dort wo das Land ist, dass mir Onoo geschenkt hat. Ich habe aufs Meer hinausgesehen. Ich konnte alles sehen, die Länder fern am Horizont, Tahiti und rechts Australien und Neuseeland, so wie in meinem Atlas. Tahiti habe ich so gesehen, wie ich es kannte, mit grünen Palmenhainen, den schwarzen Sandstränden und den schroffen Felsen der Gebirge. Australien und Neuseeland lagen aber vor mir wie eine Karte. Und ich konnte sogar über den Ozean sehen. Dann war plötzlich Onoos Familie bei mir, sie umringten mich und hielten mich. Und obwohl ich diese Leute mag, sie sogar liebe, fühlte ich mich unfrei und bedrängt. Ich wollte schreien, doch Onoo hat mich geküsst und ich brachte keinen Laut hervor. Ich weiß nicht, ob ich noch mehr geträumt habe. Der Traum liegt zwei Tage zurück. Heute Abend werde zurück nach Ua Huka fahren.

      Ua Huka, 18. August 1911

      Ich war kaum eine Woche wieder auf Ua Huka, als mich ein Brief von Vater erreichte. Er will im September nach Tahiti. Ich wusste nicht, dass es schon so bald sein sollte. Vater schreibt, dass er aber Weihnachten wieder auf Nuku Hiva sei. Weihnachten, das ist so lang hin. Ich bin verwirrt und mir über meine Gefühle nicht ganz im Klaren. Ich sehe Onoo plötzlich ganz anders, ich sehe seine Familie ganz anders. Ich brauche Zeit für mich, ich hätte noch länger bei Vater bleiben sollen, solange bis zu seiner Abreise. Ich überlege auch, sofort nach Taiohae zu fahren und ein paar Tage Abstand von alldem hier auf Ua Huka zu finden.

      Ua Huka, 20. August 1911

      Onoo spricht schon über den Tag, den er aber nicht richtig benennt. Ich weiß, dass es der Tag unserer Verlobung sein soll. Onoo selbst würde mich auch lieben, ohne dass dieser Tag kommt, aber ich glaube seine Familie hat Einfluss auf ihn. Er ist ein folgsamer Sohn, das erkenne ich immer mehr und es erschreckt mich. Warum können Onoo und ich nicht einfach so glücklich sein. Ich habe plötzlich eine Idee, ich werde Vater begleiten und ich werde Onoo bitten, mir zu folgen, wenigstens für ein paar Wochen. Ein paar Wochen mit ihm auf Tahiti. Dann wüsste ich auch, wie ich zu ihm stehe.

      Ua Huka, 31. August 1911

      Es ist eine Entscheidung gefallen. Onoo lässt mich gehen, aber er macht keine Anstalten, mir zu folgen. Ich habe ihm erklärt, dass es nicht für lange ist, dass ich ihm Tahiti, dass ich ihm die Welt zeigen will, von der ich ihm so viel erzählt habe. Ich habe bisher nur mit Onoo gesprochen und er hat es keinem anderem aus seiner Familie erzählt. Das ist die erste Enttäuschung. Ich will wissen, was sein Vater, seine Mutter denken und ich will sehen, wie Onoo zu mir steht, wie er die Verlobung verschiebt, über die mich bisher noch keiner aufgeklärt hat. Er tut aber nichts. Er wartet nur ab. Ich habe Vater einen langen Brief geschrieben. Er soll mich von Ua Huka abholen und dann werde ich sehen, wie sich Onoo verhält. Vielleicht ist eine kurze Trennung auch sehr gut für uns. Ich kann jederzeit aus Tahiti zurückkehren, zurück zu Onoo. Ich werde es sehen. Ich weiß nicht, wann Vater kommt.

      Papeete, 14. September 1911

      Seit einer Woche sind Vater und ich auf Tahiti. Es gab keinen Brief, Vater ist selbst gekommen und hat mich abgeholt. Es ist alles so geschehen, wie ich es befürchtet habe. Onoo war traurig, das habe ich gespürt, gezeigt hat er es aber nicht. Seine Familie hat sich nicht eingemischt, zu groß war der Respekt, den sie vor Vater hatten. Er ist einfach nur auf die Insel gekommen. Er kam alleine zum Gut der Ropaatis, zu Pferd. Wir haben eine halbe Stunde miteinander gesprochen. Vater hat mich gefragt, ob ich mir mit meiner Entscheidung sicher bin. Ich habe es bejaht. Ich habe dann einen Teil meiner Sachen gepackt, nicht alles, ich wollte nicht, dass es wie ein Abschied für immer aussieht und das soll es ja auch nicht sein. Wir sind dann zu Fuß ins Dorf und zum Anleger gegangen. Vater hat das Pferd am Zügel gehalten. Onoo hat uns begleitet. Wir haben den ganzen Weg nicht miteinander gesprochen, aber Onoo hat meine Hand gehalten. Ich war überrascht, dass das große Postschiff vor Reede lag. Ein Boot wartete auch schon. Wir sollten sofort nach Tahiti aufbrechen. Vater hat mir und Onoo noch fünf Minuten gegeben.


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