Hands up!. Edgar Wallace

Читать онлайн книгу.

Hands up! - Edgar Wallace


Скачать книгу

      Zwei Tage hindurch lebte Margaret Leferre in einer Welt schrecklicher Unwirklichkeit. Merkwürdige Leute suchten sie auf: ein großer starker, dunkelgekleideter Mann, der in schwerfälliger Weise versuchte, einen Klang von merkwürdiger Sympathie in seine geschäftlichen Besprechungen zu bringen, ein Bankdirektor, der wild und unverständlich durcheinander sprach, bis glücklicherweise Danty erschien und ihn verschwinden ließ.

      Eine einzige Tatsache stand Tag und Nacht in ihrem schmerzenden Gehirn: Rex war tot, hatte sich selbst das Leben genommen, und der Mann, den sie heiraten wollte, der Mann, der halb irre in seiner Angst um sie drei-, viermal am Tage vorsprach und nicht angenommen wurde, dieser Mann hatte den Tod ihres Bruders verursacht. Geld war sein Gott! Es war schwer, sich an diese unerwartete Seite seines Charakters zu gewöhnen, noch schwerer war es, diese gefühllose Brutalität zu verstehen, die eine junge Seele in die ewige Nacht wandern ließ.

      Die Verlobung zwischen ihnen beiden war auf ganz natürliche Weise entstanden. Beide Familien waren seit Jahrzehnten miteinander bekannt. Sie hatte schon als Kind mit Luke Maddison gespielt. Es war zwischen ihnen kein plötzliches Zusammentreffen, keine Liebe auf den ersten Blick gewesen, und sie erinnerte sich nicht, ihn jemals nicht gern gehabt zu haben, war aber auch nicht imstande, Tag, Monat oder Jahr anzugeben, als Sympathie zur Liebe wurde.

      Das war das wirkliche Unglück in ihrer Situation. Sie erinnerte sich nun an alles, was Rex von ihm gesagt hatte – er war »zugeknöpft« ... Immer hatte sie gedacht, daß Luke großzügig wäre, von einer Großzügigkeit, die beinah an Dummheit grenzte. Aber hier wurden die nackten Tatsachen vor sie gelegt – Männer kannten ihn besser. Sie biß die Zähne zusammen und zwang sich zu einer Frage an Danty, der ihr in diesen furchtbaren Tagen merkwürdig nähergekommen war. Danty zuckte die Achseln.

      »Ich befürchte, es ist wirklich so – Maddison denkt zu viel an sein Geld. Ich sah ihn kürzlich, und das einzige, was er von Rex erwähnte, war, daß es ein Glück wäre, Rex sei versichert gewesen.«

      (Und hiermit sagte er die Wahrheit, denn Luke hatte die Versicherung als einen Schutz für das junge Mädchen erwähnt, das sonst auch noch für die Schulden ihres Bruders hätte einstehen müssen.) »In diesem Punkt ist er wie närrisch. Natürlich wird er Ihnen nicht in diesem Licht erscheinen; das Geld und Sie sind seine beiden Hauptleidenschaften.« Er sah, wie sie zusammenzuckte, und fuhr schnell fort: »Es ist furchtbar, so etwas zu sagen, aber es ist wahr – mit der Ausnahme vielleicht, daß ich im Augenblick nicht so sicher bin, ob Sie nicht jetzt an erster Stelle stehen.«

      Es war nach dieser kurzen Unterredung, daß der Haß, den sie in sich gegen den Mann wachsen fühlte, dessen Namen sie tragen sollte, bestimmte Formen annahm. Sie konnte nicht wissen, wie sehr dieser beinahe wahnsinnige Haß durch die Intrigen ihres neuen Ratgebers geschürt wurde.

      Danty war geschickt – teuflisch geschickt. Er dachte schnell, plante schnell und handelte ebenso schnell. Ein Gedanke war ihm in der Nacht von Rex' Tode gekommen. Im ersten Augenblick erschien er ihm allzu phantastisch, und er arbeitete seinen Plan nicht weiter aus, bevor er nicht bei Margaret vorsichtig sondiert hatte. Wenn sie Maddison liebte, wirklich liebte, würde sie seine Handlungen milder beurteilen. Sie würde, wenn auch halb widerwillig, durch das Urteil der Totenschaukommission befriedigt sein und den letzten Brief ihres Bruders in anderem Lichte betrachten. Das würde natürlich die noch halb fertigen Pläne Mr. Morells durchkreuzt haben. Aber er fand Margaret in einer Stimmung, ja sogar in dem Wunsche, das Schlimmste von ihrem Verlobten zu glauben, und so stand sein Plan fest.

      »Geld ist sein Gott«, das war sein Text. Und er arbeitete diesen Text tagtäglich aus. Bearbeitete dies Thema eifriger, sprach überzeugender, als jemals in den Tagen, wo er von der Leichtgläubigkeit neugefundener Bekannter lebte. Alle seine professionellen Tricks, alle nur möglichen Überredungsmöglichkeiten, die oft wirksamer in indirekter Weise wirken, alle seine suggestiven Kräfte wandte er an.

      »Jetzt im Augenblick ist er meiner Meinung nach so sehr darauf aus, Sie zu heiraten, daß er jeden Pfennig opfern würde. Ganz ehrlich gesagt, ich glaube, wenn Sie von ihm verlangten, Ihnen sein ganzes Vermögen zu verschreiben – und das könnte ja natürlich in Ihrem Heiratsvertrag geschehen – er würde die Unterschrift ohne jedes Zögern geben. Er würde es natürlich später bereuen, und ich glaube, schon während der Flitterwochen würde er versuchen, diese Überschreibung rückgängig zu machen. Ich habe oft darüber nachgedacht, was diese so überaus großzügigen Liebhaber wohl tun würden, wenn ihre Frauen sich einmal weigerten, ihren Wünschen nachzukommen...«

      Sie starrte an ihm vorbei durch das Fenster hinaus. Sie war bildschön, nicht von jener etwas herausfordernden Schönheit von Millie Haynes, die im Asyl gestorben war, sondern von einer so feinen, sensitiven Schönheit, daß ihm der Atem stockte. Seine Augen wanderten über sie hinweg. Er kalkulierte mit der Strenge ihres Charakters und mit Luke Maddisons Schwäche, und in Luke lag sicher etwas von einem Schwächling, oder er müßte sich sehr irren – aber Mr. Danton Morell irrte sich selten in seiner Beurteilung eines Mannes.

      »Es ist fast unmöglich«, sagte sie langsam. »Wenn ich glauben sollte ...« Dantys Pläne standen jetzt unerschütterlich fest.

      »Sie meinen, daß das Geld Maddisons Gott ist?« Sein Ton klang überrascht. Es kränkte ihn beinah, daß sie nicht dieselbe Meinung über ihren Verlobten hatte wie er selbst. »Du lieber Himmel! Ich könnte Ihnen Dutzende von Beispielen bringen ...«, und er gab sie ihr. Wenn auch nicht ein Dutzend, so doch völlig genügend. Dantys erfinderischer Geist benötigte keinen besonderen Anreiz.

      »Ich kenne einen Mann in Norfolk – übrigens einer der besten Freunde Maddisons – Maddison hatte einen Haufen Aktien einer Ölgesellschaft, deren Produktion fast auf Null gesunken war. Eines schönen Abends hatte er seinen Bekannten zum Essen eingeladen, und bevor noch die Nacht vorüber war, waren hunderttausend absolut wertlose Aktien in den Besitz des Mannes übergegangen, der ihm vertraute, wie ... nun, wie Sie ihm trauen! Noch ein anderer Fall – und darüber sprach seinerzeit die ganze City – da war ein Mann, der...«

      Auch diese zweite Lüge lief ihm ebenso glatt von den Lippen wie die erste. Es war alles sehr roh, was er vorbrachte, und hätte bei einem unbefangenen Zuhörer nur auf verächtlichen Unglauben stoßen können. Hätte er eine Woche früher derartiges versucht, wäre er sicher sofort vor die Tür gesetzt worden. Aber Rex lag in der kleinen Kammer der Leichenhalle, und ein Beamter der Kommission sammelte schon zwölf brave Leute zusammen, die ihr Urteil über einen Geisteszustand abgeben sollten, der die Veranlassung war, daß ein Revolver sich entlud und ein Leben abgeschlossen war.

      Danty sah, wie die roten Lippen sich zusammenpreßten.

      Er hatte einen Diener, der früher einer seiner Helfershelfer gewesen war. Pi Coles war Falschspieler, bis eine gerechte Vorsehung seinen Händen Rheumatismus schenkte. Er war ein ungewöhnlich kleiner Mann, kahlköpfig, mit einem Gesicht, in das Alter und Schmerzen ihre Zeichen gegraben hatten. Ihm vertraute Danty die meisten seiner Gedanken, ohne jedoch Namen zu erwähnen. Das tat er niemals.

      »Es ist doch eigentlich komisch, Pi, wie die Dummköpfe auf irgendeine gute Geschichte hineinfallen. Erinnerst du dich noch, wie wir beide auf demselben Korridor im Strangeway-Gefängnis saßen? Kommt mir gar nicht so vor, als ob das acht Jahre zurückläge, und jetzt bin ich hier in der feinsten Gesellschaft und gebe Leuten Ratschläge, die Hunderttausende besitzen – Leute, die mit ganz feinen auf du und du stehen!«

      »Und du bist immer Kavalier gewesen, Larry – solange ich dich kenne, hast du dich sogar immer fürs Abendessen umgezogen«, sagte Pi schmeichelnd.

      »Nicht immer ›Larry‹, paß doch auf«, warnte Mr. Morell. Er saß in seinem behaglichen Zimmer und konnte darüber nachdenken, wie gnädig ihm das Schicksal gewesen war. Seine Lage war allerdings nicht ganz einzigartig – war denn nicht einmal ein berüchtigter Hochstapler der geehrte Gast einer fremden, hochstehenden Persönlichkeit gewesen und war nicht derselbe später an verschiedenen europäischen Höfen als der Freund Königlicher Hoheiten empfangen worden?

      Es war am dritten Tage nach dem Drama. Die zwölf braven Leute, die die Leichenschaukommission bildeten, hatten sich am Nachmittag zusammengefunden. Es war nicht der glücklichste


Скачать книгу