Digitale Evolution, Revolution, Devolution?. Brendan Erler

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Digitale Evolution, Revolution, Devolution? - Brendan Erler


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Subjektivierung des Wissens fungiert“ (ebd., 90). Link unterlässt eine genaue Abgrenzung beider Begriffe, jedoch scheint der Interdiskurs vornehmlich Subjektivierungsangebote zur Verfügung zu stellen, während dann im Alltagsdiskurs entschieden wird, welche Deutungsmuster und Subjektivierungsweisen sich tatsächlich in Überzeugungen und Handlungen übertragen (vgl. Waldschmidt et al. 2009, 62f.).

      Zwar hat Foucault sein Interesse für das ereignishafte „Wuchern an den Randzonen des Diskurses“ bekundet, jedoch nicht weiter konkretisiert. Daher verbleiben die diskursiven Effekte auf den Alltag eine Leerstelle Foucaultscher Diskurstheorie. Im vorliegenden Fall gilt das Interesse aber gerade nicht den Stammtischgesprächen des „gemeinen Volkes“, sondern den elaborierten Deutungs- und Kulturkämpfen der gesellschaftlichen Eliten in ausgewählten Spezial- und Massenmedien. In diesem Zusammenhang können die öffentlichen Auseinandersetzungen zu einzelnen Themen als „diskursive Ereignisse mittlerer Reichweite“ innerhalb des Interdiskurses bezeichnet werden und der „zivilgesellschaftliche Interdiskurs“ kann als „Diskurs im Sinne Foucaults“ mit der Kopplung „ritualisierte[r] Redeformen, Handlungsweisen und Machteffekte[n] (Link zit. nach Keller 2004, 32) betrachtet werden.

      Keller adaptiert zwar das Konzept des Interdiskurses, nicht jedoch seinen Namen wegen dessen explizit strukturalistischer Tradition im Sinne von Foucault, Pêcheux und Link und plädiert dafür „von öffentlichen Diskursen zu sprechen, im Unterschied zu den Spezialdiskursen, für die sich Foucault in erster Linie interessierte“ (Keller 2005, 66). Da auch diese Arbeit nicht der reinen Lehre des Strukturalismus folgt, auch das Subjekt als Akteur in seiner Widersprüchlichkeit zwischen Handlung und Struktur in den Blick nimmt und im Sinne Kellers an Methoden der qualitativen Sozialforschung anknüpft, des Weiteren der Begriff des öffentlichen Diskurses (in Anbetracht der Fokussierung auf die Massenmedien) den Sachverhalt schlicht besser beschreibt und sich eher erschließt, wird in Folge in diesem Zusammenhang vom öffentlichen Diskurs gesprochen.

      2.4.5 Hermeneutik und interpretative Analytik: Die vergebliche Suche nach Sinn?

      Rainer Keller verbindet in seiner „Wissenssoziologischen Diskursanalyse“ wie erläutert handlungstheoretische und strukturalistische Elemente und offeriert einen Weg zur Versöhnung von Diskurs- und qualitativer Sozialforschung. Cultural Studies und konstruktivistische Wissenssoziologie eint die Annahme des „kreativen Potentials“ der Subjekte: „Ähnlich wie Foucault betont die sozialkonstruktivistische Wissenssoziologie die gesellschaftlichen und historischen Konstruktionsprozesse des Wissens, die der Wirklichkeitskonstitution im Bewusstsein einzelner Akteure zugrunde liegt. Im Unterschied zu Foucault verweist sie jedoch auf das ‘kreative‘ Potenzial bzw. den mehr oder weniger ‘eigenwilligen‘ Umgang sozialer Akteure mit den gesellschaftlichen Wissenspolitiken und -strukturen sowie den Widrigkeiten ‘weltlicher Umstände‘“ (Keller 2005, 64).

      Zentral für die Annäherung von Diskurs- und qualitativer Sozialforschung sind die Begriffe der „Hermeneutik“ und „interpretativen Analytik“. Der (Post-)Strukturalismus und insbesondere Foucault verstanden sich als Gegenentwurf zur Tradition der Hermeneutik und dem interpretativen Paradigma der Geistes- und Sozialwissenschaften. Die Verweigerung der Suche nach Sinn war eine bewusste und beabsichtigte Abkehr von der hermeneutischen Praxis des Verstehens, der er vorwarf, das zum Schweigen zu bringen, was sie zum Reden zu animieren gedachte. Der diskursive Akt untersteht demnach keiner Sinngebungsinstanz, sondern stellt in seiner Materialität einen positiven Fakt des Diskurses dar, der möglicherweise auf andere Akte verweist. Diskursanalyse will in diesem Verständnis nicht den subjektiven Sinn verstehen, sondern die Streuung und Regelhaftigkeit von Aussagen in diskursiven Formationen messen, weshalb Foucault die Diskursanalyse in Abgrenzung zur Hermeneutik auch als „glücklichen Positivismus“ bezeichnete: „Eines muss auf jeden Fall unterstrichen werden: Die Analyse des so verstandenen Diskurses enthüllt nicht die Universalität eines Sinnes, sondern sie bringt das Spiel der - mit der fundamentalen Kraft der Affirmation - aufgezwungenen Knappheit an den Tag. Knappheit und Affirmation, Knappheit der Affirmation - und nicht kontinuierliche Großzügigkeit des Sinns, nicht Monarchie des Signifikanten. Und nun mögen jene, deren Sprache arm ist und die sich an dem Klang von Wörtern berauschen, sagen, dass das Strukturalismus ist“ (Foucault1974, 44).

      Gerade weil die Foucaultsche Diskursanalyse sich theoretisch mehr oder weniger stark von vom interpretativen Paradigma der qualitativen Sozialforschung abzugrenzen sucht(e), ist die theoretische Verortung des eigenen Diskursverständnisses für die dann folgende empirische Forschungspraxis von elementarer Bedeutung. Eben diese Forschungspraxis verblieb bei Foucault jedoch ein blinder Fleck, seine methodischen Anleitungen vage und sein eigenes Vorgehen konnte der Stringenz seiner theoretischen Ausführungen nicht entsprechen. Insbesondere seine theoretische Absage an die Hermeneutik steht seinem eigenen Hang zur freien, qualitativen Interpretation gegenüber (vgl. z.B. Jäger 2007, 7; Keller 2005, 57f.): „Der in der Archäologie des Wissens entwickelten Methodologie und ihrem Ideal des objektiven Blicks steht mithin eine empirische Praxis gegenüber, die mit diesem Blick bricht und das interpretierende Verstehen in die Diskursanalyse reintegriert“ (Schwab-Trapp 2003, 178).

      Keller erhoffte sich mit Hilfe der Foucaultschen Diskurstheorie eine Überwindung des „mikrosoziologisch-situativen Bias des interpretativen Paradigmas“ (2004, 58), ohne auf die Vorzüge qualitativer Methoden und Instrumente verzichten zu müssen. Analog dazu wird mit den interpretativen Werkzeugen der Wissenssoziologie die Hoffnung verbunden, mittels der Einführung einer strukturalistischen Handlungstheorie und deren Anschlussfähigkeit an die qualitative Sozialforschung die „methodische Unterbelichtung“ strukturalistischer Theorien zu überwinden. Auch der Diskursanalytiker bedient sich der Mittel der Inhalts- und Textanalyse, jedoch ist das Ziel einer derartigen Analyse ein anderes: „Von den Texten als Materialisationen diskursiver Praktiken wird also auf die ordnenden Regeln, Muster und Strukturen dieser außerhalb liegenden Praxis geschlossen. Insofern unterscheiden sich die beiden hier vorzustellenden Diskursanalysen von jeglichem inhaltsanalytischen Vorgehen, welches - grob verkürzt - entweder das Textmaterial nach (vorgegebenen) Bedeutungen (Semantiken) durchsucht bzw. strukturiert oder darin explikativ nach ‘neuen‘, bisher (dem analytischen Zugriff) noch nicht bekannten Bedeutungen Ausschau hält“ (Diaz-Bone / Schneider 2003, 465).

      Ausgangspunkt und Analyseschwerpunkt einer poststrukturalistischen Diskursanalyse ist eigentlich die Struktur, das dem Diskurs zugrundeliegende Regelsystem, nicht die Handlung oder der Akteur. Ziel ist es, die Mechanismen aufzudecken und darzustellen, die die Entstehung von Sagbarkeitsräumen steuern und über Wahrheit und Lüge, richtig oder falsch entscheiden. Dies erscheint jedoch ohne die Suche nach Bedeutung und die (hermeneutische) Figur des Autors nur schwer denkbar. Eine Analyse, die über die quantitative Auszählung von Häufigkeiten hinausgehen, sich also qualitativ betätigen will, wird um den Akt der Interpretation nicht umhin kommen. Und jegliche Form der inhaltlichen Kategorisierung und Codierung, beispielhaft die Sammlung von Diskurspositionen, erfordert den Rückschluss auf Bedeutung, die von Foucault befürchtete und abgelehnte Suche nach dem Hintersinn von Texten, Sätzen, Worten, „in anderen Worten, auch die Diskursanalyse kommt schwerlich ohne das basale Handwerkszeug hermeneutischer Methodik aus“ (Waldschmidt et al. 2009 142).

      Schon in der Kritik am Strukturalismus wurde darauf verwiesen, „die Rede von Codes und Kodierung komm[e] nicht ohne einen Begriff von Bedeutung aus“ (Keller 2008, 107). Die Relevanz und Bestimmung des Subjekts mag strittig sein, eine qualitativ-interpretative Analyse des Diskurses ist ohne Vorstellung von Subjekt und Autor nicht vorstellbar: "Structuralist semiotics does not avoid the problem of interpretation by defining the subjective actor as a mere speaker, selector, or bricoleur. The hidden interstices are those linking the norms, rules, codes, and other formalized structures with the behaviour, practice and doing of social life" (Manning zit. nach ebd.). In diesem Sinne stehen der vermeintlichen Unversöhnlichkeit strukturalistischer und subjektivistischer Theorielager deutliche Übereinstimmungen im Forschungsalltag gegenüber. Dreyfus und Paul Rabinow (1994) betonten die Überschneidungen der Diskurstheorie mit hermeneutischer Interpretationspraxis und deklarierten Foucaults Methododologie „jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik“ als „interpretative Analytik“.

      Reiner Keller adaptiert den Begriff der „interpretativen Analytik“ in seinem Versuch, Subjekt und Struktur gleichberechtigt


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