Der Doppelgänger. Edgar Wallace

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Der Doppelgänger - Edgar Wallace


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      »In Knightsbridge.« Die Köchin wollte auch etwas berichten.

      »Wir sprachen gerade zusammen und lachten, als die Köchin sagte: ›Sieh mal, Nelly, da ist der gnädige Herr.‹«

      »Nein, ich sagte: Sieh mal, der Kerl hat ganz die Visage von unserem Herrn«, verbesserte Mr. Magglesark.

      »Und richtig, er war es«, fuhr Eleanor fort. »Denken Sie sich, er hatte ein Mädel, schlank, groß und ganz in Schwarz gekleidet, neben sich – und er streichelte ihre Hand!«

      »Aber doch nicht auf der Straße?« fragte Trenter ungläubig.

      »Nein, er saß mit ihr in einem Auto. Von dem Autobus aus konnten wir gerade in den Wagen hineinsehen.«

      »War sie hübsch?« fragte Trenter.

      Eleanor kräuselte die Lippen.

      »Nun ja, ich könnte mir denken, daß es Leute gäbe, die sie hübsch fänden. Was meinst du, war sie hübsch?« wandte sie sich an die Köchin.

      Mrs. Magglesark, die schon ziemlich bejahrt und infolgedessen etwas milde in ihrem Urteil geworden war, sagte, sie sei hübsch gewesen.

      »Er hat ihre Hand gehalten und gestreichelt?« fragte Trenter nachdenklich. »Es war doch nicht etwa Mrs. van Oynne?«

      »Wer ist denn das?«

      »Oh, sie war schon zweimal zum Tee hier, sie ist eine Amerikanerin, ist immer sehr vornehm gekleidet und heißt Heloise mit Vornamen. Sie sieht sehr schön aus. Gewöhnlich geht sie in Schwarz und trägt einen Hut mit einem Paradiesvogel.«

      »Ja, sie trug Paradiesvogelfedern auf dem Hut«, bestätigten die Köchin und Eleanor.

      »Dann war sie es bestimmt. Aber da ist nichts dabei – das ist eine gebildete Dame, die viele Bücher liest. Als sie das letzte Mal hier war, unterhielten sie sich von der Seele des eigenen Ichs. Ich habe nicht viel von der Unterhaltung gehört, es war auch so hohes Zeug, daß ich es nicht verstanden habe.«

      Auf Eleanor machte diese Mitteilung großen Eindruck.

      »Das ist doch merkwürdig, Sie sind doch sonst so klug«, meinte sie.

      Gordon Selsbury konnte über alles sprechen. In seinen Unterhaltungen und philosophischen Betrachtungen mit Heloise van Oynne zergliederte er alles auf dem Seziertisch seines Verstandes, von gemeinen Bohnensträuchern bis zur höchsten Metaphysik. Allerdings führte er gewöhnlich das Gespräch, aber sie hing wie verzückt an seinem Munde, und er glaubte, daß sie seinen schwierigen Gedankengängen folgte.

      Gordon saß am Nachmittag mit ihr in einem Teesalon des Hotels Coburg. Es waren außer ihnen nicht viele Gäste da.

      »Ich möchte Ihnen, schon seit ich Sie kennenlernte, etwas sagen, meine liebe Heloise.« Gordons wohltönende Stimme klang dunkel und geheimnisvoll. »Es ist kaum einen Monat her, es scheint mir fast unglaublich! Wir sind einander schon früher begegnet, in längst versunkenen Zeiten, vor Tausenden von Jahren, in dem Tempel der Atlantis, wo weißgekleidete, ernste Priester mit langen Bärten Zauberformeln beteten. Sie waren damals eine große Dame, aber ich war nur ein niedriger Gladiator. Daß die Kampfspiele des späteren Roms und selbst die Zirkusspiele unter den Kaisern viel älter sind und in ein graues Altertum hinaufreichen, dessen bin ich ganz sicher. Könnten denn nicht die Überreste der sterbenden Atlantis den Beginn der etruskischen Kultur bedeuten ...?«

      Sie schaute ihn wie verzaubert an.

      »Wie glänzend, daß Sie die Etrusker mit der mythischen Kultur von Atlantis in Verbindung bringen!« Aber ihre entzückten Blicke verrieten wenig von dem, was sie dachte.

      »Das Schönste an unserer seelischen Freundschaft ist doch, daß sie nichts mit dieser brutalen, materiellen Welt zu tun hat«, sagte er.

      »Wie meinen Sie das?«

      Sie hatte sich vorgebeugt und erinnerte ihn durch die Bewegung einen Augenblick an Trenter – er war unangenehm berührt.

      »Ich meine«, – er wischte mit seiner Hand einen Kuchenkrümel von seinem Knie –, »wir haben unsere Freundschaft niemals durch eine gewöhnliche Liebelei erniedrigt.«

      »Oh!« Heloise van Oynne lehnte sich in ihren Stuhl zurück. »Da haben Sie recht.« Es lag etwas unendlich Süßes und Wohltuendes in ihrer Stimme. Sie sprach so befriedigt, daß sie selbst jemand getäuscht hätte, der auf ihre seelische Wellenlänge eingestellt war.

      »Die vollkommene innere Übereinstimmung, das Verständnis von Seele zu Seele überragt alle sinnlichen Eindrücke, auf so hoher Stufe sie auch stehen mögen.«

      Sie sah ihn mit einem zärtlich lächelnden Blick an. Das tat sie immer, wenn sie nicht recht verstand, was Gordon zu ihr sagte, besonders wenn er in diesen hohen Regionen schwebte.

      »Die Seele ist sicher das Vornehmste und Schönste, was es überhaupt gibt«, sagte sie in tiefen Gedanken. »Die meisten Menschen sind zu gefühllos, sie verstehen das nicht. Das ist nicht gut für uns, denn wer könnte unser Verhältnis zueinander verstehen, Gordon? Für gewöhnlich kann man sein Herz und sein Innerstes nicht offenbaren. Instinktiv schreckt man zurück, wenn man mit Leuten in Berührung kommt, die zu materiell sind.«

      Sie seufzte tief auf, als ob sie schon viel Böses im Leben erfahren hätte und als ob ihre zarte Seele von dieser rauen Außenwelt gekränkt und verletzt worden sei. Plötzlich schien sie an gewissen Anzeichen zu ahnen, daß er sein Innerstes erschloß und daß seine wunderbare Seele nun überströmen wollte. Sie hatte eine gewisse Angst davor; denn bei früheren Gelegenheiten war es dann schwer gewesen, ihn, der in den unermeßlichen Regionen höherer Welten weilte, mit zarten Händen wieder zur Wirklichkeit zurückzuführen.

      »Gordon, Sie haben mir schon viel von Ihrer Kusine in Australien erzählt«, sagte sie deshalb schnell, um dem Gespräch eine mehr irdische Wendung zu geben. »Sie muß sicher sehr interessant sein. Sprechen Sie doch noch ein wenig von ihr – ich höre es so gern, wenn Sie mir von Ihren Verwandten erzählen. Ich bin Ihnen so zugetan, Gordon, daß alles, was irgendwie mit Ihnen in Zusammenhang steht, mich anzieht und fesselt.« Sie legte ihre behandschuhte Hand auf sein Knie.

      Keine andere Frau hätte es wagen dürfen, das zu tun – er hätte sofort die Polizei gerufen. Aber Heloise ... Er legte seine Hand freundlich auf die ihre.

      »Ich weiß nichts Genaues über sie. Es ist mir nur bekannt, daß sie eine schreckliche Liebesaffäre mit einem gewissen Dempsi gehabt hat. Ich habe Ihnen das doch schon alles gesagt. Aber jetzt geht es ihr gut, wie ich annehme. Ich habe mich immer ein bißchen um sie gekümmert, habe ihr ab und zu Bücher geschickt und einige Briefe geschrieben, in denen ich ihr gute Ratschläge gab. Ich denke mir immer, daß der Rat eines Mannes von einem jungen Mädchen viel leichter befolgt wird als der einer Frau. Wann haben wir doch neulich über sie gesprochen? Ach ja, ich erinnere mich, als wir unsere tiefgründige Unterhaltung über die Seele des eigenen Ichs führten.«

      »Hat sie eigentlich hellen oder dunklen Teint?« Mit dieser Frage verbarrikadierte Heloise schnell und schlau wieder den Weg in die Metaphysik.

      »Das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Kurz bevor meine Tante starb, bekam ich noch einen Brief von ihr. Darin sagte sie mir, daß Diana Dempsi vergessen habe, aber doch gern ein Foto von ihm gehabt hätte – der Mann ist nämlich auch gestorben. Ist Ihnen jemals zum Bewusstsein gekommen, Heloise, wie sonderbar die Beziehungen zwischen Tod und Leben sind?«

      »Dieses arme Mädchen in Australien! Ich würde doch soviel darum geben, wenn ich sie einmal sehen könnte, Gordon.«

      Er schüttelte den Kopf und lächelte liebenswürdig.

      »Ich glaube kaum, daß Sie ihr jemals begegnen werden.«

      3

      Cheynel Gardens ist einer der wenigen Plätze, die kein Chauffeur ohne die Hilfe von Leuten finden kann, die dort in der Nähe wohnen. Die Chauffeure haben wohl davon gehört, können sich dunkel darauf besinnen, daß sie schon


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