Rassistische Polizeigewalt und Diskriminierung in den USA. Michael Miller

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Rassistische Polizeigewalt und Diskriminierung in den USA - Michael Miller


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135 Kilogramm Körpergewicht eine stattliche Figur. Von seinen Freunden wurde er einfach „Big Mike“ genannt. Sein Gemüt soll „sanft“ gewesen sein. Kontaktsport, wie dem American Football, soll er trotz seiner Statur abgelehnt haben. Vorstrafen hatte Brown keine. Gewalt lehnte er laut seiner Freunde ab.

      Michael Brown stirbt gegen 12:00 Uhr noch am Tatort. Seine Leiche wird rund vier Stunden auf der Straße in seiner Blutlache bis 16:15 Uhr liegen gelassen, bevor sie zur Obduktion ins städtische Leichenschauhaus abtransportiert wird. Die überwiegend afroamerikanischen Bewohner des Viertels versammeln sich recht schnell am Tatort und machen trotz Absperrung durch die Polizei mit ihren Mobiltelefonen Fotos und Videos des mit einem weißen Tuch abgedeckten Leichnams. Schnell spricht sich im Viertel die Tötung des jungen Mannes herum. Immer mehr Menschen kommen zum Tatort. Auch die Großmutter, die nur zwei Blocks vom Tatort entfernt wohnt, wird am Ort eintreffen und ihren Enkel wiedererkennen. Blumen, Andachtskarten und Kerzen werden in der Nähe des Tatorts niedergelegt und in den Tagen darauf den ehemaligen Tatort großflächig überdecken. Schnell kocht die Wut der Anwohner hoch, denn die Tat wird als ein rassistisch motivierter Übergriff eines weißen Polizisten gewertet, denn Michael Brown war unbewaffnet und stand etliche Meter vom Polizeischützen entfernt. Die Sinnlosigkeit dieses genommenen Lebens macht nicht nur fassungslos.

      Die Ermittlungen vor Ort erweisen sich als chaotisch. Laut Polizeiprotokolle war am Samstag nur eine Rumpfmannschaft von Ermittlern im Dienst. Um 12:10 Uhr treffen die ersten Beamten am Tatort ein. Gegen 13:00 Uhr sind auch Ermittler aus dem St. Louis County zur Unterstützung eingetroffen. Während die umstehenden Bewohner unruhiger werden, ermahnt der eingetroffene Polizeichef von Ferguson, Thomas Jackson, seine Polizisten zur Eile. Sprüche wie „kill the police“ werden von einzelnen jugendlichen Gruppen zu den Beamten gerufen. Eintreffende Einsatzfahrzeuge der Polizei und des Rettungsdienstes werden gegen 14:30 Uhr blockiert. Weitere Einsatzkräfte werden von umliegenden Polizeidienststellen angefordert. Es sollen Schüssen in der Umgebung während der Ermittlungen gefallen sein; verletzt wurde jedoch niemand. Die aufgebrachte Menschenmenge wirft vereinzelt Wasserflaschen auf die Ermittler. Die Mutter von Michael Brown, Lesley McSpadden, versucht trotz emotionalen Schockzustands zusammen mit dem Polizeichef das Publikum zu beruhigen. Doch die bewaffneten Einsatzkräfte samt ihren Polizeihunden lassen die Stimmung noch aggressiver werden. Gegen 15:00 Uhr treffen die ersten SWAT-Teams zur Sicherung des Tatorts ein. Die Untersuchung vor Ort muss mehrmals aufgrund der feindseligen Haltung der Schaulustigen abgebrochen werden. Erst nach 16:00 Uhr wird die Tatortbegehung abgeschlossen und die Leiche abtransportiert.

      Sonntag, 10. August 2014

      Die Wut ebbt am folgenden Tag jedoch nicht ab. Abends skandieren hunderte Bewohner der Stadt Fergusons am Tatort und vor der Polizeistation „Wir sind Michael Brown“ und „Erschießen Sie mich nicht“. Dazu halten sie die Hände hoch, als würden sie sich ergeben. Die Situation spitzt sich zu, als die Polizei mit voller Kampfmontur samt Sturmgewehren und mit angeleinten Schäferhunden versucht, die Demonstranten einzuschüchtern. Doch die Demonstranten fordern „Keine Gerechtigkeit! Kein Frieden!“. Für sie ist es ein kaltblütiger Mord eines weißen Polizisten, der von seinen Kollegen geschützt wird. Denn Informationen über den betroffenen Polizisten werden von der Polizeidienststelle nicht herausgegeben. Es kommt zu einzelnen Handgreiflichkeiten zwischen der Polizei und den Demonstranten. Der Einsatz von Schäferhunden, die an der Leine bellend und schnappend von den Polizeibeamten gehalten werden, sorgt für weitere Verstimmung bei den afroamerikanischen Demonstranten. Für sie ist es ein weiteres Zeichen der Unterdrückung und ein Erbe aus der Sklavenhalterzeit, gegen unfolgsame Schwarze Hunde einzusetzen.

      Die Medien machen eine erste Zeugin ausfindig, die zum Zeitpunkt des Geschehens auf dem Weg zur Arbeit war. Sie will gesehen haben, wie Michael Brown sich vom Polizeiauto entfernt und seine Hände dabei hochgerissen haben soll. Mehrere Kugeln aus der Dienstwaffe des Polizisten sollen Brown anschließend getroffen haben. Damit wird den Protestierenden klar, dass wieder einmal in den USA ein unbewaffneter Afroamerikaner vorsätzlich von einem weißen Polizisten erschossen worden war. Und das Verhalten der Polizei in Ferguson trägt auch nicht zur Beruhigung der angespannten Lage bei.

      Der Polizeichef von Ferguson, Thomas Jackson, registriert die sich anstauende Wut der Protestierenden und wendet sich mit dem Fall an das größere St. Louis County Police Department. Dieses bittet auch das FBI Ermittlungen im Fall Brown einzuleiten. Der Justizminister Eric Holder bestätigt, dass es eine Bundesuntersuchung über den Tod des 18-jährigen Brown durch das FBI geben wird. An die Presse gibt Jackson jedoch nur sehr wenige Informationen heraus. Die Hautfarbe, der Name und das Alter des Polizeischützen bleiben vorerst geheim. Nur die Tatsache, dass der Officer mit vollen Bezügen vom Dienst befreit wurde, wird von der Dienststelle herausgegeben. Die Demonstranten sehen in der fehlenden Informationspolitik des Polizeichefs einen schützenden Akt zur Deckung des Polizeischützen. Allein seine Aussage, eine „gründliche Untersuchung“ angeordnet zu haben, beruhigt die Bewohner des Viertels nicht.

      Der Bürgermeister von Ferguson, James Knowles III, erklärt, dass seine Stadt in Trauer sei und nennt den Tod Michael Browns eine „Tragödie“. Er mahnt zugleich zur Ruhe in seiner Gemeinde, um die laufenden Untersuchungen nicht zu beeinträchtigen sowie Vertrauen in die lokalen und bundesstaatlichen Institutionen zu haben. Für viele afroamerikanische US-Bürger klingen diese Worte wie Hohn. Ist doch das Vertrauen in die örtliche Polizei unter den schwarzen Bewohnern der Stadt seit langem nicht mehr vorhanden und das Verhältnis auf beiden Seiten gestört.

      Über die sozialen Medien, wie Facebook und Twitter, werden wilde Verschwörungstheorien, aber auch Fotos vom Tatort und vom Leichnam, verbreitet. Die Empörung reicht über die Stadtteile von Ferguson hinaus und treibt weitere Menschen den Demonstrationen in die Vorstadt von St. Louis zu. Aufrufe zu Protestkundgebungen verbreiten sich unter den afroamerikanischen Jugendlichen innerhalb von wenigen Stunden. Für die kommenden Tage sind weitere Protestveranstaltungen und Aktionen gegen Polizeigewalt und gegen den alltäglichen Rassismus in den USA in Ferguson geplant.

      Es sind vor allem junge Menschen, die sich mit Michael Brown identifizieren und sich über seinen Mord echauffieren. Michael Brown ist einer von ihnen. Nicht wenige Schaulustige am Tatort kannten ihn sogar. Und dieser Fall eines weiteren schwarzen toten Jugendlichen auf der Straße mobilisiert viele Schüler und Studenten, die über Twitter Nachrichten von jungen Aktivisten lesen, die zuvor keine hundert Followers hatten. Die sozialen Netzwerke werden großflächig zum Austausch von Informationen über Veranstaltungen und Demonstrationen genutzt. Die meisten Protestierenden sind politisch nicht aktiv. Sie eint allein die Wut gegenüber der Polizei und der gefühlten weißen Vorherrschaft über die größtenteils von Schwarzen bewohnten Vierteln.

      Der Stiefvater von Michael Brown, Louis Head, sitzt am Sonntag am ehemaligen Tatort seines Stiefsohns, der mit vielen Blumen, Kerzen, Protestschilder, Plüschtieren und Andachtskarten bedeckt ist und spricht von einem „kaltblütigen Mord“ an Michael Brown. Am Abend versammeln sich dort viele Menschen für eine Mahnwache. Kerzen werden gehalten und Gebete gesprochen. Doch viele Anwesende sind erzürnt. Ob die Polizei mit ihrem martialischen Aussehen und ihrer ständigen Präsenz in Ferguson der ausschlaggebende Faktor ist, bleibt in der späteren Untersuchung der Geschehnisse unklar. Die ersten Flaschen und Steine werden am späten Sonntagabend auf Polizisten und Polizeifahrzeuge geworfen. Es trifft in dieser Nacht auch einen Einkaufsladen, der von mehreren Vermummten aufgebrochen, geplündert und später niedergebrannt wird. Auch in der West Florissant Avenue, der langen Geschäftszeile von Ferguson, gehen etliche Fensterscheiben von Geschäften zu Bruch. Die Polizei geht mit einem SWAT-Fahrzeug samt einem aufsitzenden Polizisten am Maschinengewehr gegen die Demonstranten und Plünderer vor. Doch scharf geschossen wird nicht. Die Polizei verschießt jedoch etliche Tränengaskartuschen in Menschenansammlungen. Auch friedliche Demonstranten mit erhobenen Händen, die zu einem Symbol der Protestierenden geworden sind, werden durch die rüde Polizeitaktik bedrängt und mit Tränengas beschossen. Die Polizei vermeldet rund 30 Festnahmen in der Nacht.

      Die Armut und Segregation in den USA

      Auch wenn für viele Außenstehende die Gewalt überraschend kam, für viele afroamerikanische Bewohner waren die gewaltsamen Krawalle nur ein Ventil über die nun unbändige


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