Barmherzigkeit und Gnade - Jesu Versprechen. Rudolf Hopmann

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Barmherzigkeit und Gnade - Jesu Versprechen - Rudolf Hopmann


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will, so sei er, so fordert Jesus, für dich wie ein Heide oder ein Zöllner. Im Kontext Jesu Urteilens müssen wir das als eine schwerwiegende, harte Massnahme ansehen! Die Aussage gibt uns einen Eindruck, wie wichtig für Jesus die Gemeinschaft und ihr ungestörtes Leben sind. Dies unterstreicht er in zwei weiteren Versen (18,19-20): „Weiter sage ich euch, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlichen Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Auch Paulus beschreibt in seinen Briefen immer wieder, wie bedeutsam die Gemeinde für das religiöse Leben ist, und wie sich die Gemeindemitglieder untereinander verhalten sollen.

      Angesichts seines Todes forderte Jesus seine Jünger auf, bei ihm zu bleiben. Er hatte sie mit in den Garten Getsemani genommen, wo er beten wollte. Doch war Jesus in jener Nacht ganz auf sich gestellt. Denn die Jünger schliefen, während er betete, obwohl er sie gebeten hatte (Mt. 20,38): „Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibet hier und wachet mit mir!“ Selbst, als er sie nochmals aufforderte: „Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet!“ (20,41), sanken sie wieder in Schlaf. Er musste sich ganz einsam und verlassen fühlen angesichts der ihm vor Augen stehenden Qualen und Marter, die er zu gegenwärtigen hatte und vorausahnte.

      Christus hat also in jener Nacht vor seinem Tode im Garten Getsemani das Ausgestossen-sein, das Alleinsein-müssen und das Verlassen-werden erfahren müssen. Dass seine Jünger ihn in jener Nacht im Stich liessen, war für Jesus vielleicht schmerzhafter als die Gewissheit des bevorstehenden Leidens und Todes. Unwillentlich allein sein müssen, verlassen werden von jenen, auf die es ankäme, wenn es erforderlich wäre, ist schwer zu ertragen und trifft tief. Viele von uns sind alleine, einsam oder auch verlassen. Liebe Menschen verlassen uns. Sie verlassen uns vielleicht, weil sie glauben, sie könnten nicht mehr mit uns zusammenleben; sie verabschieden sich von uns manchmal ohne Gruss und sind nicht mehr da. Manche verlassen uns, weil sie ins himmlische Reich heim gerufen werden. Sie lassen uns zurück in Trauer und Betrübnis.

      Die Jünger Jesu waren wie weggetreten, waren für ihn nicht da. Sie hatten Jesus aus den Augen verloren, sie schliefen. Sie waren nicht mehr auf den Mittelpunkt ihres Lebens, auf den Herrn, ausgerichtet. „Bleibet bei mir und wachet mit mir!” bat Jesus vergeblich. Musste er nicht bitter enttäuscht sein? Er, der uns versprochen hatte: „Wenn drei in meinem Namen zusammen sind, bin ich mitten unter ihnen.“

      Für uns Christen sind Christi Leid und Tod Pforte zu neuem Leben. Wie Christi Leid und Tod Pforte zu ewigem Leben sind, kann Alleinsein in Gebet und Meditation auch eine Pforte, eine Chance sein. „Aber ist nicht auch Einsamkeit eine Pforte?, fragt Martin Buber, „Tut sich nicht zuweilen im stillsten Alleinsein ein unvermutetes Schauen auf? Kann sich nicht der Verkehr mit sich selbst geheimnishaft in einen mit dem Geheimnis verwandeln? Ja, ist nicht erst der keinem Wesen mehr Verhaftete würdig, dem Wesen gegenüberzutreten?” Weichen wir daher nicht dem Alleinsein und der Stille mit uns aus. Lassen wir sie an uns heran. Versuchen wir nicht, ihr aus dem Weg zu gehen, wenn sie naht. Sie kann uns helfen, die Mitte des Lebens zu finden. Die Stille des Alleinseins, von der Martin Buber spricht, darf allerdings nicht mit Alleingelassenwerden verwechselt werden.

      Das Rund der Rosette führt den Menschen auf sein Selbst zurück, in welchem er ganz sich selbst sein sollte. Unsere Unzuglänglichkeit hindert uns oft daran. Versuchen wir wenigstens, zu uns selber ehrlich zu sein, unsere Gefühle wahrzunehmen und zu ihnen zu stehen. Versuchen wir aber auch, wenn erforderlich, den Verstand nicht weg zu lassen. Und so, wie wir mit uns umgehen, sollten wir mit unserer Mitwelt umgehen: offen, ehrlich, einfühlsam, vernünftig. Treten wir der Welt mit wachem Blick und Verstand gegenüber! Der Mensch soll, muss zu seiner Gemeinschaft stehen. Die Gemeinschaft braucht ihn ebenso wie er ihrer bedarf. Es ist eine Wechselbeziehung, ein Geben und Nehmen.

      „Bleibet bei mir und wachet mit mir!” forderte Jesus seine Jünger auf, war sein Wunsch vor seiner Festnahme. „Bleibe bei mir und wache mit mir!” richten auch immer wieder todkranke, hilfsbedürftige Mitmenschen als Bitte an uns. Braucht vielleicht ein Kind meine Hilfe? ein Hilfloser? ein Armer? Erwartet oder erhofft ein Kranker sich einen Besuch? Haben wir ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte eines bedrückten Menschen? Ein Wort des Trostes für einen Nachbarn in seinem Leid? „Wache und bleibe bei mir!” Suchen und helfen wir also, das Alleinsein unserer Mitmenschen zu überwinden. Es ist die beste Arznei und wird die beste bleiben, ihrer und unser Alleinsein und Einsamsein zu überwinden. Wir Menschen werden uns selbst in der Gemeinsamkeit des gegenseitigen Annehmens und Tröstens. Sei du heute für einen anderen da, damit morgen einer für dich da ist.

      Die Versuchungen Jesu

      Ein Kampf um Macht und Hoheit

      Die berühmte Geschichte der Versuchungen Jesu ist eine dramatische Auseinandersetzung mit dem Satan. Sie wird von Matthäus und Lukas berichtet. Im Folgenden stütze ich mich auf Matthäi Bericht (4,1-11).

      Viele Bibelwissenschaftler meinen, dass Jesus, zwar Gottessohn, ihm selber aber dies zunächst nicht unbedingt bewusst war. Die Taufe im Jordan durch Johannes brachte ihm die unausweichliche Gewissheit (Mt 3,16-17): „Kaum war Jesus getauft und aus dem Wasser gestiegen, da öffnete sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich zukommen. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe!“

      Diese grundstürzende Botschaft veranlasste Jesus, sich in die Wüste zurückzuziehen, und zwar veranlasst durch den „Geist“, den Widersacher Satans. Dort fastete er vierzig Tage, denn Jesus, „vollkommener Mensch“, sah sich genötigt, die Fülle seines Seins selber zu begreifen. Seinem Beispiel sind viele Menschen, die man Eremiten nannte, gefolgt, weil sie das Bedürfnis hatten, sich selber und ihren Weg zu Gott zu finden.

      Über diese Zeit in der Wüste berichtet Matthäus (4,2-4): „Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, bekam er Hunger. Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird. Er aber antwortete: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht nur von Brot sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.

      Der Versuchung des Satans begegnet Jesus mit einem Satz aus dem 5. Buch Mose, Deuteronomium (Dt. 8,3). Dort heisst es: „Durch Hunger hat er dich (das Volk Israel) gefügig gemacht und hat dich dann mit dem Manna gespeist, das du nicht kanntest und das auch deine Väter nicht kannten. Er wollte dich erkennen lassen, dass der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern dass der Mensch von allem lebt, was der Mund des Herrn spricht.“, eine Weisung, die allerdings sehr fundamental ist und uns Menschen heute gleichermassen fordert wie jene der damaligen Zeit, an die diese Worte gerichtet waren. Dass neben dem körperlichen Wohlergehen das Geistige nicht zu kurz kommen darf, wird immer wieder gesagt, aber von vielen heute ignoriert. Sie hecheln dem Konsum nach, dröhnen sich mit Popp zu und übersehen dabei, dass sie ihrem Geist jene notwendigen Ressourcen vorenthalten, die für Ausgeglichenheit im Leben unabdingbar sind. Die Folge ist oft eine Sinnentleerung, der neuerlich durch oberflächliche Hektik zu entfliehen versucht wird, und oft Depressionen, die in Medikamenten und in psychiatrischen Behandlungen endet.

      „Unser tägliches Brot gib uns heute!“ Beim Beten dieses Satzes aus dem Vaterunser denke ich am wenigsten an das tägliche Brot, das uns zu nähren vermag – dafür ist Gott nicht zuständig –, sondern vor allem an das geistige Brot, von dem oben die Rede ist.

      Für Jesus ist das Ansinnen des Satans ein No-go, doch der Satan lässt nicht locker. Auch er kennt sich in den alten Schriften aus (Mt. 4,5-6): „Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zu tragen, damit dein Fuss nicht an einen Stein stösst.“ (Ps.91,11-12). Doch vorsichtigerweise lässt er den Vers 13 weg: „Du schreitest über Löwen und Nattern, trittst auf Löwen und Drachen.“, denn mit diesen Tieren könnte ja genau er gemeint sein!

      Der


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