Der Mensch auf dem Wasser - Kulturgeschichte der Schiffe. Jürgen Ruszkowski
Читать онлайн книгу.Schippers wäst, berichtet der eine, und ein anderer stellt sogar fest: 1857 wieren in Dierhagen soebenunviertig Schäpen, dee in Fohrt wieren.
Aus Dändorf liegen folgende Berichte vor: In Dändorf waren in meiner Jugend zweiundfünfzig Häuser, davon besaßen sechs Bauern, ein Müller, ein Schmied, drei Arbeiter je ein Haus, alle übrigen gehörten Seeleuten. – Dändörp wier de riekste Uurt up ’n Fischland, so bi viertigdusend Mark rüm hadd jeder Schipper, oft ok mihr.
Soweit die Blütezeit der Segelschifffahrt in der Erinnerung. Dem großen Geschäft (Soebenteihn bet twintig Prozent hebben de Schäpen bröcht) folgte die Krise. Und dies sind erinnernde Berichte über den beginnenden Verfall: Utgangs von de achtziger Johren güng de Sägelschippfohrt daal. Bi 1890 rüm sünd de Schäpen all verköfft na Sweden un Nuurwägen. Wat wi in Düütschland nich mihr bruken künnen, dat kreegde Skantehuw (so säden wi to den Sweden); dat wier so von 1885 bet 95. De Memeler un Danziger köfften ok Mäkelbörger Schäpen up, oewer am meisten de Sweden. –
De Schippshändler Paul Gramp in Rostock up ’n Borgwall hett donntomal väl Schäpen köfft un verköfft. He köffte de ollen Schäpen un verköffte se an de Sweden. Se würden ’n bäten upfient, alle Löcker tostoppt un oewersmeert.
Manchmal erkannten in späteren Jahren die ausgedienten Seeleute, die ihr täglicher Gang in den Hafen führte, ihr altes Schiff voller Stolz und Trauer wieder: Den Haifischswanz heff ik noch sülben an ’t Boogspriet annagelt. Und die Geschäftsleute klagten: Wat is de Welt retour gahn, wat bröcht so ’n Schipper Nohrung in de Stadt!
Die alten Seeleute empfanden auch schmerzlich den Rückgang der alten Bräuche auf den Schiffen. Früher wier dat all in den Gang mit den ollen Seemannsbruuk, nu hett sik de Welt dreiht. – De ollen Seemannsbrüke hadden sik oewerläwt – dat wier vör dissen. Vielen Jüngeren standen die Bräuche so fern, dass auf meine Frage ein Seemann meinte: Dee Moden sünd woll vör Christi Geburt wäst. Andere sagten: To mien Tiet – so bi 1900 rüm – wier dat all mihr utstorben. Dat wier all in ’n Vergäten, as ik jung wier.
Als erster Raddampfer überquerte SIRIUS den Atlantik
Mit Geringschätzung schaut so ein alter Segelschiffer auf den Dampferbetrieb herab: Nu kann jo jeder Buerknecht to See fohren. Nu is dat jo bloot noch Winnschendriben un Farwwaschen un an ’t Roder stahn. Hüüt up ’n Damper lihrt so ’n Jung jo wider nicks as ’n Bessen anfaten un mit ’n Pinsel ümgahn.
So ’n Madrosen as früher gifft dat jo nich mihr. Hüüt kann ’n oll Wiew ’n Schipp roewerbringen. Und krass ausgedrückt: Früher geew dat höltern Schäpen un isern Madrosen, nu gifft dat isern Schäpen und höltern Madrosen. – Bi ’n Damper heit dat: Vullkraft voraus! Oewer ik müsst dat Schipp – nach dem Tod des Kapitäns – mit Sägel roewerbringen, erzählte stolz ein früherer Steuermann.
Klingt aus solchen Worten die Hochschätzung der gewiss schweren, aber doch vielseitigen Arbeit auf den Segelschiffen, so tadelte man an der Dampfschifffahrt auch die Eintönigkeit und Hetze bei der Arbeit. Man wier mihr Minsch up ’n Sägelschipp. Nu heit dat: Rin in ’n Haben un wedder rut. Bi de Sägelschippfohrt künn man sik doch mal verpusten, nu geiht dat jo all mit de Klabatsch.
Der wirtschaftliche Rückgang am Jahrhundertende wird aus der Sicht von 1930 auf die Maschine zurückgeführt. Früher wier Handel un Wandel un Arbeit, de Maschinenkraft verdarwt uns. Dor hett sik dat sammelt mit de Fracht, dat se wat to doon hadden. Hüüt ward Winter un Sommer fohrt – dat is jo grad de Verdarw. Ob hier nicht ein früherer Segelschiffreeder seine qualmende Konkurrenz doch ein wenig verkannt hat? Überlassen wir die Entscheidung über Wert und Schönheit der Segelschifffahrt dem Urteil der Fahrensleute!
Segel bergen
Die Verringerung der Mannschaftszahl wurde zum Teil durch eine technische Neuerung ermöglicht. Früher hadden de Schäpen enzelt Mastsägel, naher kemen de duwwelten up, dee laten sik jo leichter räwen. Oft .kam es vor, dass unterwegs Besatzungsmitglieder wegen Krankheit ausfielen. Dann wurde das Manövrieren sehr schwer.
Singen an Bord – Shanties
Das Singen. war untrennbarer Bestandteil der Arbeit des Seemanns. Sogar bei Sturm ließ die Sangeslust nicht nach.
Un wenn wi bet an ’n Arm in ’t Water stünnen, sungen würd likers! Wenn ’n teihn Meter von af wier, wier nicks to hüren vör den Storm. Und gern erinnert man sich: Wat wier dat ’n Singsang früher up de Schäpen!
Hermann Strobach schreibt in dem von ihm 1968 bei Hinstorff in Rostock herausgegebenen Buch „Shanties“:
Um das Jahr 1880 hatte die Anzahl der Segelschiffe auf den Weltmeeren ihren Höhepunkt erreicht. Von da an ging es abwärts; das schnellere und sicherere, vor allem auch größere Dampfschiff trat zunehmend an die Stelle der Klipper.
In der Erinnerung der alten Seeleute und Segelschiffskapitäne verdichtete sich nun die große Zeit der Segelschifffahrt zu einem Bilde stolzer und kühner Taten; doch gehörte zu diesem Bilde auch das Wissen um die Nöte und Entbehrungen des Dienstes auf den schönen, schnellen, aber gefährdeten Klippern. Denn Leben und Arbeit auf den Segelschiffen waren unvorstellbar hart und schwer. Die Schiffe waren sehr lange unterwegs und lagen bei ungünstigem Wind viele Tage fest, besonders bei den schwierigen Kap-Umsegelungen. Disziplin und Ordnung unter den zumeist bunt zusammengewürfelten, nicht selten auch mit Zwang oder Erpressung zusammengebrachten Mannschaften wurden von den Kapitänen oft mit brutaler Gewalt durchgesetzt, und besonders die amerikanischen Paketschiffs-Linien waren dafür berüchtigt. Die gewaltig vergrößerte Fläche des Segeltuchs auf den schnellen Seglern des Klipper-Typs machte jedes Manöver zu einer ungeheuren körperlichen Anstrengung. Aber auch alle anderen, sämtlich mit den Händen auszuführenden Arbeiten, an den Pumpen, beim Ankerhieven usw., erforderten großen Krafteinsatz der gesamten Mannschaft in einem gleichmäßigen, sich wiederholenden Rhythmus. Und um diesen gleichen Arbeitsrhythmus zu gewährleisten, doch auch die gleichförmige Arbeit sich etwas zu erleichtern, sangen die Seeleute Lieder, die sie Shanties nannten.
Der Name Shanty kommt wahrscheinlich von dem englischen chant: singen, das oft zur Bezeichnung von Negerliedern diente, oder auch von dem französischen Wort für singen, chanter, beziehungsweise chantez, wie es die französisch sprechenden Neger unter den Schauerleuten von New Orleans gebrauchten. Denn aus dem Arbeitsgesang der Neger, besonders der Baumwollstauer in den Südhäfen der Vereinigten Staaten, stammt so manches Lied, das schließlich als Shanty auf den Segelschiffen heimisch wurde. Es gibt noch andere Erklärungen für die Herkunft des Wortes, doch scheinen sie weniger überzeugend.
Stets aber wurde als Shanty nur jenes Lied bezeichnet, das die Seeleute bei der Arbeit sangen. Diese unmittelbare Verbindung zur Arbeit bestimmt auch die charakteristische Form des Shanty. Seine Strophen bilden zumeist einen Wechselgesang zwischen einem Vorsänger, dem Shantyman, und der Mannschaft. Dabei ist der Vorsänger der führende Teil. Ihm fällt der eigentliche, von Strophe zu Strophe veränderliche Text zu, der erzählend, oft auch anfeuernd, aufmunternd oder belustigend ist und den der Vorsänger nach Belieben und vor allem nach Phantasie und Können improvisierend erweitern oder verändern kann. Es gab für diese Lieder keine feste, gleichbleibende, verbindliche Form. Jeder Shantyman sang sie etwas anders, und ein geübter und herausragender Vorsänger konnte hier immer neue Varianten schaffen, die dann von anderen übernommen wurden und so – wieder variiert – in die Seemannstradition eingingen. Die Mannschaft antwortet im Chor auf den Gesang des Shantyman mit dem meistens gleichbleibenden Refrain, der