Veränderungen von Verhaltensstandards im Bereich familialer Erziehung und Sozialisation seit 1945. Winfried Wolf
Читать онлайн книгу.jeweiligen redaktionellen Anteil einer durchschnittlichen Ausgabe wiedergeben. Alle redaktionellen Seiten einer durchschnittlichen Ausgabe entsprechen 100%.
Um die Vergleichbarkeit verschiedener, weit auseinanderliegender Jahrgänge zu gewährleisten, mussten Themenkategorien gewählt werden, die „breit“ genug sind, die vorgefundene Themenvarianz aufzunehmen. Die in den Inhaltsverzeichnissen des „Ratgebers“ angegebenen Sparten bzw. Themenkategorien sind mit den in den Tabellen gebrauchten nicht identisch, wenn auch die Abweichungen nicht gravierend sind. So wurden zur Sparte „Kind, Familie“ etwa auch Beiträge gezählt, die lt. Inhaltsverzeichnis in der Sparte „Allgemeines“ aufgeführt sind. Es handelt sich hier um Beiträge, die sich z.B. mit der Einschulung, dem Familienurlaub, Umgangsformen oder generell mit Themen beschäftigen, die für die qualitative Inhaltsanalyse der vorliegenden Untersuchung in Frage kommen. Nicht mitgezählt wurden hingegen Beiträge, die zwar lt. Inhaltsverzeichnis zur Sparte „Kind, Familie“ gehören, aber nicht eigentlich zum hier interessierenden Bereich ‚Kindererziehung’ und ‚Leitlinien der Erziehung’ gerechnet werden können.
In der Sparte „Sonstiges“ finden sich Inhaltsverzeichnisse, Vorschauen und interne Haumitteilungen, Reportagen, Verbraucherhinweise, Rechtsbelehrungen, wirtschaftskundliche Hinweise etc.
Die Prozentangaben der Stichproben weisen auf einen gleichbleibenden Anteil der Themenkategorie „Kind, Familie“ von durchschnittlich 12 % am gesamten redaktionellen Teil der Zeitschrift hin. Interessant ist in diesem Zusammenhang die vom Institut für Demoskopie, Allensbach für den „Ratgeber“ durchgeführte Studie zum Themen-Interesse und Themen-Angebot35. Danach gehören Beiträge zur Kindererziehung zu 45% zu den erwünschten Themen der Ratgeber-Leser, zu 73% aber zu den im „Ratgeber“ angebotenen. Diese nicht gerade hohe Übereinstimmung zwischen Themen-Erwartung und Themen-Angebot spricht zunächst einmal dafür, dass der „Ratgeber“ nicht der Erziehungsberatung wegen gekauft wird: diese wird vom Leser eher als „Beigabe“ angenommen. Dass der „Ratgeber“ aber wiederum auf diese Sparte nicht verzichtet oder sie umfänglich verkleinert hat, deutet auf ein gewisses „Aufklärungsbestreben“ auf diesem Gebiet hin. Darauf wird aber in der Interpretation später noch einzugehen sein.
Der Bereich „Kind und Familie“ im „Ratgeber“
Seit Erscheinen des „Ratgebers“ ist der Themenberiech „Kind und Familie“ in der Zeitschrift vertreten. Er nimmt konstant einen Anteil von 10 – 12% aller redaktionellen Seiten ein. Es soll nun untersucht werden, welche Inhaltsbereiche diese Sparte abdeckt und wie sich deren Gewichtung im Zeitverlauf von ca. 30 Jahren ausnimmt. Hierzu wurden alle dieser Sparte zurechenbaren Beiträge wieder zu Themenkategorien zusammengefasst und in Diagrammen dargestellt. Die Einteilung erfolgte nach 12 Kategorien:
Bei dieser Einteilung wurde in kauf genommen, dass möglicherweise auch „Nullmengen“ auftreten, dass also u.U. bestimmte Kategorien inhaltlich nicht aufgefüllt werden können.
Die folgenden vier Diagramme geben einen Überblick über die Gewichtung der Kategorien für die 50er, 60er, 70er und 80er Jahre. Die ausgezählten Beiträge entsprechen jeweils 100%. Die Zuordnung einzelner Beiträge ist nicht immer ganz eindeutig; bei offensichtlichen Überschneidungen, nehmen wir als Beispiel den Beitrag „Lassen Sie Ihre Tochter zur Tanzstunde gehen“ (8/57/572), wurden Mehrfachzuordnungen vorgenommen: (1) Geschlechtsrollen, (2) Freundschaft, Liebe, (3) Jugendprobleme. Beiträge, die keine oder nur mittelbar erziehungsrelevante Normen enthalten und mehr „technischer Natur“ sind, gleichwohl aber im redaktionellen Teil „Kind und Familie“ aufgeführt werden, finden keine Berücksichtigung.
50er Jahre: Themenkategorien in Prozent
100% = 158: berücksichtigt wurden die Jahrgänge 54, 55, 57 und 58
60er Jahre
60er Jahre: Themenkategorien in Prozent
100% = 213: berücksichtigt wurden die Jahrgänge 61, 63, 67 und 68
70er Jahre
70er Jahre: Themenkategorien in Prozent:
100% = 121: berücksichtigt wurden die Jahrgänge 70, 75 und 78
80er Jahre.
80er Jahre: Themenkategorien in Prozent:
100% = 98: berücksichtigt wurden die Jahrgänge 81, 82 und 83.
Die Säulenhöhen stellen Mittelwerte dar, d.h. dass in den angegebenen Zeiträumen alle einschlägigen Beiträge zusammengezählt und dann die arithmetischen Mittel gebildet wurden; so kann etwa aus der vorgestellten grafischen Übersicht nicht ersehen werden, dass beispielsweise der Themenbereich „Umgangsformen“ in den frühen 50er Jahren wesentlich stärker vertreten war als gegen Ende dieses Jahrzehnts. Die Säulenwerte sind außerdem gerundet und lassen eine Differenzierung der einzelnen Säulen nur bis 1% zu; kleine Unterschiede werden also nicht veranschaulicht, können hier aber auch vernachlässigt werden, da aufgrund der nicht immer eindeutigen Zuordnung ohnehin nur gröbere Trends interpretiert werden können.
Veränderungen der Inhaltsstruktur
Ein Vergleich der Grafiken zeigt, dass die Themenkategorie „Krisen der Erziehung, Erzieherverhalten, Entwicklung“ über die Jahrzehnte hinweg stark vertreten ist und in den 80er Jahren das Doppelte ihres anfänglichen Umfanges erreicht. Dieser Zuwachs ist u.a. auf eine redaktionelle Neuerung zurückzuführen: Seit 1966 bietet der „Ratgeber“ einen psychologischen Beratungsdienst an, den jene Leser in Anspruch nehmen können, die mit ihren „Erziehungssorgen“ nicht allein fertig werden36. Das regelmäßige Aufgreifen von Problemfällen der Erziehung in Frage und Antwort durch einen ausgebildeten Psychologen sichert der Kategorie „Krisen der Erziehung, Erzieherverhalten, Entwicklungsprobleme“ seit Mitte der 60er Jahre einen gleichbleibenden hohen Anteil. Ein Vergleich der hier angesprochenen Themen zeigt, dass sich über die Jahrzehnte hinweg inhaltlich wenig geändert hat37. Typische „Fälle“ dieser Themenkategorie wie ‚Diebstahl bei Kindern’, ‚Unordentlichkeit’, ‚Einschlafschwierigkeiten’, ‚Aggressivität’, ‚Trotz’ etc. werden immer wieder aufgegriffen, im zeitlichen Längsschnitt betrachtet, jedoch mitunter verschieden gewertet, wie Inhaltsanalyse und Interpretation noch zeigen werden. Es sind sozusagen die Alltagsprobleme der Erziehung, die hier Berücksichtigung finden. Ein weiterer, seit den 50er Jahren umfänglich konstant gebliebener Bestandteil dieser Themenkategorie ist die Entwicklung des Kindes im ersten Lebensjahr.
Zahlenmäßig zurückgegangen sind die Beiträge, die eine betonte Normierung der Geschlechterrollen vornehmen. Fragen der besonderen Mädchenerziehung, denen man sich noch in den 50er Jahren in eigenen Artikeln widmete, werden in den 70er und 80er Jahren kaum mehr aufgegriffen. Die Eltern in ihrer geschlechtlichen Vorbildfunktion als Mann und Frau bzw. Vater und Mutter sind in späteren Beiträgen „Nur mehr“ Freunde und Partner des Kindes.
Das Thema Sexualität nimmt in keinem der untersuchten Jahrgänge einen hohen Stellenwert ein. Vom Umgang mit der eigenen Sexualität ist in den 50er Jahren überhaupt nicht, in den 70er und 80er Jahren nur wenig die Rede.
Nicht völlig verschwunden, aber doch merklich zurückgegangen sind die Beiträge zum Thema Umgangsformen und Manieren. Serien wie „Höflich und nett – von A bis Z“ oder „Fibel des guten Tons“, die sich von Heft zu Heft fortsetzen, sind seit den 60er Jahren nicht mehr anzutreffen38, wenn man