Die Faehlings - eine Lübecker Familie. Eckhard Lange

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Die Faehlings - eine Lübecker Familie - Eckhard Lange


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eine kleine Schar Gewappneter verfügen und außerdem über genügend Knechte, mit denen du den Wall erhöhst und sicherst. Das Holz im Umkreis steht dir zur Verfügung, und auch die Dorfbewohner hier sind zukünftig zur Dienstleistung verpflichtet. Aber belaste sie nicht zu sehr, höchstens zwei Tage in der Woche, sie sind solchen Tribut nicht gewöhnt, und ich wünsche keinen neuen Aufruhr. Diese Wenden sind stets sehr empfindlich, wenn man sie in die Pflicht nimmt, wir werden sie erst daran gewöhnen müssen.“

      Reginald hatte schweigend zugehört. Er war zwar ritterlich erzogen, aber eben doch ein Höriger seines Grafen wie die anderen Ministerialen. Er hätte kein Recht zum Widerspruch, und warum sollte er auch widersprechen? Diese Aufgabe war eine Ehre, ein Lohn, und sie erlaubte ihm, in eigener Verantwortung zu planen und zu befehlen, so als wäre er frei, ein Edelherr wie sein Graf. „Ich werde in allem bemüht sein, Euch nicht zu enttäuschen, edler Herr,“ sagte er und neigte den Kopf – auf dem Pferderücken die einzige Möglichkeit, Ehrerbietung zu zeigen.

      Adolf nickte und wandte sich Hinrich von Soest zu, der schweigend, aber aufmerksam zugehört hatte. „Auch für Euch habe ich eine Aufgabe, Kaufmann, und es soll Euer Schade nicht sein. Ich weiß wohl, dass Ihr für einige Monate keine Handelsfahrten unternehmen könnt, wenn Ihr meinem Wunsch nachkommt. Ihr seid ein freier Mann und könntet Euch verweigern, aber ich denke, Ihr werdet gerne einwilligen.“ Er unterbrach sich, um sein Pferd näher an den Kaufmann heranzuführen. Jetzt schaute er ihm gerade in die Augen:

      „Wer eine Stadt gründet, braucht Bürger, braucht Handwerker und Händler. Und im Reich gibt es genug - nicht nur Bauern - die kaum ein Auskommen haben, denen Land und Arbeit fehlen und die mutig genug sind, etwas neues zu wagen. Aber sie müssen geworben werden, und wer vermag das besser, als ein ehrenhafter Mann, der weiß, wovon er redet, der den Ort kennt, an den sie ziehen sollen, der die Zukunft ausmalen kann, die alle neuen Bürger hier erwartet. Ist das Land nicht fruchtbar und wenig besiedelt? Ist der Hafen nicht wie geschaffen für den Handel? Und kann nicht jeder zu Besitz und Reichtum kommen, der sich getrost auf Meer hinaus wagt wie Ihr selbst und die Waren der Pruzzen, der Gotländer, der Russen gewinnbringend weiterverkauft? Ihr seid der rechte Mann dafür, Hinrich von Soest! Zieht in Eure Heimat und bringt mir tatkräftige Leute in diese neue Stadt. Ich stelle Euch Pferd und Packtier, zahle für Euren Unterhalt und Euren Verlust, und für jedes Grundstück, das Ihr hier vergebt, erhaltet Ihr eine Abgabe.“ Graf Adolf streckte dem Kaufmann die Hand hinüber: „Schlagt also ein, Hinrich, gräflicher Sendbote und erster Bürger in meiner Civitas Liubice!“ Und der Fernhändler aus Soest schlug ein.

      Viertes Kapitel: August 1144

      Der Treck kam nur langsam voran. Es hatte wider Erwarten viel geregnet in diesem Sommer, und die Wege waren an vielen Stellen so aufgeweicht, dass jeder Karren von allen verfügbaren Männern durch die Pfützen geschoben werden musste. Die Ochsen schafften es nicht mehr allein, und manches Tier, schon in den vorangegangenen Jahren nur schlecht ernährt, blieb erschöpft und krank am Wegrand zurück, falls sein Besitzer ihm nicht den Gnadentod gewährte.

      Dietmar war ein kräftiger Mann, sehnig und muskulös, man sah dem Schmied seine fünfundvierzig Jahre nicht an. Doch auch er hatte Schwierigkeiten, den Wagen vorwärtszudrücken, war er doch nicht nur mit Hausrat und Werkzeug, sondern auch mit Blasebalg und Amboß beladen, den nötigen Dingen, die er als erstes im fernen Liubice brauchen würde – falls sie es jemals erreichten. Immerhin – sein Wagen besaß zwei Achsen, und in den Seilen gingen zwei kräftige Ochsen, die sein Sohn Alf meist am Kummet führte. Im Gegensatz zu den anderen Neusiedlern waren die beiden allein, Dietmar war seit einiger Zeit Witwer, und er hatte nicht den Mut gefunden, erneut zu heiraten, denn die Schmiede in seinem Dorf nahe der Stadt Soest ging nur schlecht, allzu viele Huf- und Nagelschmiede, Plattner und Grobschmiede hatten sich in der Stadt selbst niedergelassen und boten dort schon fertige Waren an. Da wäre es schwer gewesen, nun auch noch ein Weib zu ernähren. Das alles hatte ihn bewogen, dem Ruf des Werbers zu folgen und sich dem Treck ins ferne Wagrien anzuschließen, obwohl er nichts von diesem Land wusste, außer dass dort noch viele Heiden lebten und dass es an der äußersten Grenze des Reiches lag.

      Hinrich von Soest ritt mit einem Knecht dem Zug voran, und er hatte alle Mühe, den Reisenden immer wieder Mut einzuflößen. Hatten sie die sumpfigen Flussniederungen mit den aufgeweichten Wegen überwunden, dann gerieten sie in Heidelandschaften, wo die Räder im losen Sand einsanken. Wieder einmal lenkte Hinrich sein Pferd zurück, um an dem sich lang dahinziehenden Troß vorüberzureiten und auch nach den Nachzüglern zu schauen, damit sie den Anschluß nicht verpassten. Viele der zweirädrigen Karren wurden nur von einem einzigen Ochsen gezogen und bei manchen hatten sich die Männer selbst vor das Gefährt gespannt, weil sie kein Zugtier besaßen oder es seit ihrem Aufbruch im Juni eingebüßt hatten. Hinrich wurde nicht müde, die Neusiedler anzutreiben, ihnen das neue Land in den herrlichsten Farben vor Augen zu führen, damit sie nicht aufgaben und einfach wieder umkehrten. Dabei standen die größten Aufgaben noch vor ihm: Den gesamten Troß über den breiten Elbfluß zu bringen und dann der Weg durch das Gebiet der Polaben, das noch keineswegs ganz befriedet war, obschon Heinrich von Badewide nun zum Grafen von Ratzeburg bestimmt war, ein tatkräftiger und umsichtiger Mann, dem er vertraute.

      Doch er war trotz allem wohlgemut. Er hatte mit Bedacht kräftige, verständige und tatendurstige junge Männer ausgewählt, darauf geachtet, dass möglich viele Handwerke vertreten waren und auch einige Händler gewonnen, die vielleicht sogar zu Kauffahrten übers Meer bereit waren. Einzig das Schmiedehandwerk war nur durch zwei Männer vertreten, deshalb hatte er auch zugestimmt, als dieser Dietmar sich bewarb. In Liubice würden Schmiede dringend gebraucht, und Dietmar war kräftig und selbstbewusst. Außerdem begleitete ihn sein Sohn Alf, der ihn später einmal ersetzen konnte. Während der Wochen, die sie nun schon unterwegs waren, hatte Hinrich darum oft Dietmars Nähe gesucht, stand er ihm doch altersmäßig am nächsten, auch hatte der Schmied mehrmals vermittelt, wenn es zu Zwistigkeiten unter den Siedlern oder auch zu Unstimmigkeiten mit ihm als Lokator gekommen war. Auch heute zügelte er sein Roß neben dem Wagen Dietmars: „Bald haben wir den größten Teil der Reise geschafft und werden die Elbe erreichen,“ rief er ihm zu. „Es wird auch Zeit,“ antwortete dieser, „meine Ochsen lassen schon nach, dabei habe ich sie noch kräftig angefüttert vor dem Aufbruch.“

      „Nicht alle handeln so klug wie Ihr, ich weiß das zu schätzen.“ Hinrich sprach dieses Lob mit Bedacht aus, wollte er doch den anderen für eine wichtige Aufgabe gewinnen. „Wenn wir an den großen Fluß kommen, werden wir keine Furt finden, sondern müssen übersetzen. Das wird seine Zeit dauern, und der Treck wird auseinandergerissen. Ich werde mit dem ersten Boot fahren müssen, um drüben mit dem Burgvogt zu verhandeln. Wir betreten das Polabenland, und Graf Heinrich, der neue Graf von Ratzeburg, lag lange in Streit mit unserm Herrn Graf Adolf. Da ist Fingerspitzengefühl vonnöten, damit wir ungehindert weiterziehen können. Das bedeutet jedoch, dass am diesseitigen Ufer jemand das Beladen der Boote beaufsichtigen muß, damit niemand zu Schaden kommt. Seid Ihr jemals über einen breiten Strom gefahren, Dietmar?“

      „Bislang habe ich jedes Gewässer nur in einer Furt überquert. Schiffsplanken sind mir fremd.“ „Nun, der Elbstrom ist kein Meer, die Wellen werden uns nicht zu schaffen machen, und bei Sturm gilt es einfach abzuwarten. Und der Fährmann weiß, wie viel Last er aufnehmen kann. Aber es ist dennoch wichtig, dass einer Befehlsgewalt hat, wenn viele herzudrängen. Wärt Ihr bereit, das auf Euch zu nehmen und also auch als letzter überzusetzen?“ Auf Dietmars braungebranntem Gesicht bildeten sich versteckte Lachfältchen: „Solange ich das Schiff nicht selber steuern muß!“ Hinrich von Soest sprang vom Pferd und reichte dem Schmied die Hand: „Ich bin Euch zu Dank verpflichtet. Ich weiß, dass ich mich auf Euch verlassen kann. Sobald wir das Ufer erreicht haben, werde ich alle Siedler zusammenrufen und die nötigen Anordnungen treffen.“

      *

      Es dauerte allerdings noch zwei volle Tage, bis der Treck vor den Toren Bardowiecks eintraf. Am nächsten Tag führte Hinrich von Soest den Zug in die Elbmarschen bis dicht an den Fluß. Dort gönnte er Mensch und Tier einen Tag der Rast, währenddessen er zum Ufer vorausritt und mit dem Fährmann die Bedingungen aushandelte, um den großen Troß überzusetzen. Auch ließ er sich einmal hinüberrudern, damit er sehen konnte, wo die Angekommenen lagern


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