Mein Leben für Virginia. Eppa Hunton II.

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Mein Leben für Virginia - Eppa Hunton II.


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gesehen. Am folgenden Morgen begab ich mich zur ersten Sitzung, die im Institut für technische Mechanik, einem Gebäude in der 9th Street unweit der Main Street, abgehalten wurde. (Dieses Gebäude diente als Tagungsort, da im Kapitol zeitgleich eine außerordentliche Sitzung der Legislative stattfand. In der Folgezeit beherbergte das Institut das Kriegsministerium der Konföderierten Staaten, bis es im April 1865 im Zuge der Evakuierung Richmonds niedergebrannt wurde.) In der unteren Eingangshalle drängte sich eine große Gruppe örtlicher Damen. Wir mussten den Raum durchqueren, um zum Sitzungssaal im ersten Stockwerk zu gelangen, doch es war unmöglich, uns unseren Weg durch die Menge zu bahnen. Ich bat die Damen inständig, mich passieren zu lassen und erklärte ihnen, dass ohne uns Abgeordnete keine Sitzung stattfinden könne. Eine der Frauen fragte mich: „Sind Sie ein Sezessionist?“, worauf ich entgegnete: „Gute Frau, wenn es nach mir ginge, würde Virginia bereits morgen vor dem Frühstück nach einer kurzen Abstimmung die Union verlassen.“ Hierauf rief sie aus: „Meine Damen, lassen Sie den hier durch! Der ist brauchbar!“ Sie bildeten eine schmale Gasse und ich eilte in den Sitzungssaal.

      Ich habe oft darüber nachgedacht, wie vorteilhaft es gewesen wäre, hätten wir bereits am nächsten Morgen den Austritt aus dem Staatenbund beschlossen. Stattdessen verschwendeten wir die Zeit vom Februar bis zum 17. April mit nutzlosen Debatten. Wie gut hätten wir jene Monate dafür nutzen können, uns auf den kommenden Sturm vorzubereiten! Doch es sollte nicht sein und es ist müßig, sich im Nachhinein darüber zu grämen.

      Die Abgeordneten kamen also zusammen und wählten Mr. John Janney aus Loudoun County, Virginia mit 70 zu 54 Stimmen zum Sitzungspräsidenten. Sein unterlegener Konkurrent war Mr. V. W. Southall aus Albemarle County. Sie beide waren Unionsanhänger, aber die Sezessionisten unter uns bevorzugten Mr. Southall, da er dem Gedanken der Sezession etwas zugänglicher zu sein schien als Mr. Janney. Die Tagung wurde von Anhängern der alten Whig-Partei dominiert und die meisten von ihnen wollten der Union die Treue halten. Die Demokraten hingegen, die im Staate Virginia bereits seit mehreren Jahren politisch tonangebend waren, sprachen sich mit überwiegender Mehrheit für eine sofortige Sezession aus. Die Whigs vertraten eine gemäßigtere Haltung. Sie waren Befürworter der Union und wollten sie nach Möglichkeit erhalten, würden sich jedoch für einen Austritt aussprechen, falls die Entwicklung der Dinge diesen in ihren Augen erforderlich machen sollte. Sie glaubten nicht an eine bevorstehende Sezession Virginias und hofften, der Whig-Partei wieder Leben einhauchen zu können, nachdem diese im Staate Virginia nun schon seit einiger Zeit am Rande der Bedeutungslosigkeit stand. Die Partei wurde auf jener Tagung durch ihre einflussreichsten Mitglieder vertreten, welche zu den geachtetsten Bürgern des Staates zählten. Unter ihnen befanden sich John Janney aus Loudoun County, Robert E. Scott aus Fauquier County, Robert Y. Conrad aus Frederick County, John B. Baldwin und A. H. H. Stuart aus Augusta County, Jubal A. Early aus Franklin County und viele weitere verdiente Männer. Das beschwichtigende Gebaren dieser Gentlemen erboste mich über alle Maßen, denn ich war überzeugt, dass wir in unseren Sitzungen Tag für Tag nur Zeit verschwendeten, welche wir besser dazu genutzt hätten, uns auf das Kommende vorzubereiten. Leider war dies nicht zu ändern, denn die Herren zeigten sich unseren Argumenten nicht zugänglich.

      Die Gruppe der Sezessionsbefürworter bildete nur eine vergleichsweise kleine Minderheit. Sie wurde angeführt von einigen der fähigsten Männer des Staates Virginia, unter ihnen der ehemalige Präsident John Tyler, Professor James P. Holcombe, Vizegouverneur Robert L. Montague, Henry A. Wise, John Goode und Jeremiah Morton. Wir sprachen uns geschlossen für die sofortige Sezession aus. Henry A. Wise äußerte die Ansicht, man solle versuchen, unsere Ziele „innerhalb der Union zu erkämpfen“. Er sprach mehrfach zu uns über diesen Kampf „innerhalb der Union“, aber zumindest ich verstand nicht so recht, wie genau dieser Kampf vonstattengehen sollte. (Jefferson Davis äußert in seinem Werk „Rise and Fall of the Confederate States” auf Seite 255 dasselbe Unverständnis für diese Vorgehensweise. John Marshall hingegen sprach die Möglichkeit einer ähnlichen Vorgehensweise an, als er im Jahre 1788 in Virginia für die Ratifizierung der Verfassung warb.) [Anm. d. Übers.: Im Dezember 1860 fasste Henry A. Wise sein Konzept des „Kampfes innerhalb der Union“ in einem offenen Brief an die New York Times in sechs Punkten zusammen: 1.) Die Einzelstaaten sind befugt, rechtswidriges Verhalten anderer Landesteile festzustellen und gegebenenfalls zu ahnden. 2.) Rechtswidriges Verhalten einzelner Staaten ist nicht durch den Staatenbund, sondern konkret durch die geschädigten Staaten zu ahnden. Dabei können rechtswidrig handelnde Staaten nicht im Namen der Union handeln; sie stellen sich durch den Rechtsbruch automatisch außerhalb der Union. 3.) Die Union ist kein rein abstrakter Gedanke, sondern eine konkrete Sache in Gestalt aller Gelder und Besitztümer der Zentralregierung. Diese Güter dürfen nicht einfach dem politischen Gegner überlassen werden, indem man sich selbst aus der Union ausschließt. Es ist moralische Feigheit, sich von den Freiheiten der Verfassung abzuwenden, nur um das Recht der Sklaverei zu schützen. 4.) Sezession bedeutet Abkehr von der Verfassung und dieser Abkehr wird die Mehrheit der südstaatlichen Bevölkerung nicht zustimmen. Um die Bevölkerung hinter einer gemeinsamen Sache zu einen, sollte der Süden sich zum Bewahrer der Verfassung und des Staatenbundes erklären. Der Norden ist nicht die Union, er bedroht die Union. 5.) Die Einzelstaaten haben das verfassungsmäßige Recht, ihre eigenen Truppen zu unterhalten und im Angriffsfalle oder in akuten Bedrohungslagen mit diesen Truppen Krieg zu führen. Der Rechtsbruch des Nordens stellt einen Angriffsfall dar und somit sind die Einzelstaaten notfalls zur Kriegsführung berechtigt. 6.) Diese Vorgehensweise macht einen Krieg zugegebenermaßen nicht weniger wahrscheinlich, aber der Süden sollte einen etwaigen Krieg als Vertreter und Bewahrer des Staatenbundes führen, nicht als dessen Feind.]

      Unmittelbar vor der ersten Sitzung unserer Tagung hatte in Washington auf Virginias Bestreben hin ein Friedenskongress stattgefunden, um die Streitigkeiten zwischen Nord und Süd womöglich auf einvernehmlichem Wege beizulegen. Auf diesen Kongress wurden die fähigsten Männer des Nordens und des Südens entsandt und doch musste sein Ergebnis als kläglicher Fehlschlag bezeichnet werden. Als unsere Tagung in Richmond begann, waren die Abgeordneten des gescheiterten Friedenskongresses, unter ihnen der ehemalige Präsident John Tyler aus Charles City County sowie George W. Summers aus Kanawha County (im heutigen West Virginia), gerade erst nach Virginia zurückgekehrt.

      Zu Beginn der Tagung hielt George W. Summers eine Rede, in welcher er sich dafür aussprach, den Zudringlichkeiten des Nordens nachzugeben, um eine Sezession zu vermeiden. Hierauf antwortete John Tyler mit einer gewaltigen Rede und er gestand mir danach, er habe befürchtet, seine Rede womöglich nicht zu überleben, da ihm seine angeschlagene Gesundheit arg zu schaffen machte. Tyler sprach drei Sitzungstage lang und mit jedem Tag wurde seine Rede mitreißender und wortgewaltiger. Sie bildete eine der hervorragendsten Verteidigungen des Südens und seiner Entscheidung zur Sezession, die ich jemals gehört habe.

      Nach Mr. Tyler hielt auch Professor James P. Holcombe aus Albemarle County eine Rede, in welcher er zur Sezession aufrief. Mr. Holcombe war seit neun Jahren Professor der Rechtswissenschaften an der University of Virginia und seine Rede war eine der besten, die jemals im Staate Virginia vorgetragen wurden. Die sezessionistisch gesinnten Abgeordneten im Saale sowie die Zuhörer auf den Emporen brachen in donnernden Applaus aus und Abdrucke der Rede stießen bei den Einwohnern Richmonds und den Sezessionisten des gesamten Staates auf große Begeisterung. Die Damen der Stadt ließen noch tagelang die prächtigsten Blumenbouquets an Holcombes Sitzplatz liefern und er wurde eine Zeit lang als der große Held der Tagung gefeiert. Ihm folgte die Rede von John B. Baldwin, einem der fähigsten Männer unter den Unionsbefürwortern. Es muss gesagt werden, dass es eine gute Rede war, in der er die Ansicht vertrat, dass ein Sezessionsrecht nicht existiere und der Süden, sollte es jemals zum Ärgsten kommen, nur durch eine Revolution, nicht jedoch durch Sezession, für seine Rechte kämpfen könne. Diese Sicht der Dinge entsprach ganz den Überzeugungen der virginischen Whig-Partei. Die Rede stieß bei den Unionisten im Saale auf großen Beifall, wurde jedoch von der Bevölkerung Richmonds ausgesprochen kühl aufgenommen. Keine einzige Dame in ganz Virginia hatte auch nur ein Blümlein für Mr. Baldwin übrig. Lediglich drei Damen aus Massachusetts, welche zu jener Zeit in der Stadt verweilten und im Exchange Hotel logierten, konnten sich für Baldwins Worte ausreichend begeistern, um ihm Blumen zukommen zu lassen.

      Auch nach Beginn der Tagung blieb es noch einige Zeit lang zweifelhaft, ob die Vereinigten Staaten Krieg gegen die sezessionistischen Südstaaten


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