Anthroposophische Leitsätze. Rudolf Steiner

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Anthroposophische Leitsätze - Rudolf Steiner


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man wird allerdings innerhalb des Naturdaseins den Geist wie schlafend finden. So wie aber der Schlaf im Menschenleben seine Aufgabe hat und das »Ich» eine gewisse Zeit schlafen muss, um zu einer ändern recht wach zu sein, so muss der Weltengeist an der »Natur-Stelle« schlafen, um an einer ändern recht wach zu sein.

      19. Der Welt gegenüber ist die Menschenseele ein träumendes Wesen, wenn sie nicht auf den Geist achtet, der in ihr wirkt. Dieser weckt die im eigenen Innern webenden Seelenträume zur Anteilnahme an der Welt, aus welcher des Menschen wahres Wesen stammt. Wie sich der Träumende vor der physischen Umwelt verschließt und in das eigene Wesen einspinnt, so müsste die Seele ihren Zusammenhang mit dem Geiste der Welt verlieren, aus dem sie stammt, wenn sie die Weckrufe des Geistes in sich selbst nicht hören wollte.

      Leitsätze Nr. 20 bis 22

      (6. April 1924)

      20. Es gehört zur rechten Entfaltung des Seelenlebens im Menschen, dass er sich innerhalb seines Wesens des Wirkens aus dem Geiste vollbewusst werde. Viele Bekenner der neueren naturwissenschaftlichen Weltanschauung sind in dieser Richtung so stark in einem Vorurteile befangen, dass sie sagen, die allgemeine Ursächlichkeit ist in allen Welterscheinungen das Herrschende. Wenn der Mensch glaubt, es könne aus Eigenem die Ursache von etwas sein, so kann das nur eine Illusion bilden. Die neuere Natur-Erkenntnis will in allem treu der Beobachtung und Erfahrung folgen. Durch dieses Vorurteil von der verborgenen Ursächlichkeit der eigenen menschlichen Antriebe sündigt sie gegen diesen ihren Grundsatz. Denn das freie Wirken aus dem Innern des menschlichen Wesens ist ein ganz elementares Ergebnis der menschlichen Selbstbeobachtung. Man darf es nicht wegleugnen, sondern muss es mit der Einsicht in die allgemeine Verursachung innerhalb der Naturordnung in Einklang bringen.

      21. Die Nicht-Anerkennung dieses Antriebes aus dem Geiste heraus im Innern des menschlichen Wesens ist das größte Hindernis für die Erlangung einer Einsicht in die geistige Welt. Denn Einordnung des eigenen Wesens in den Naturzusammenhang bedeutet Ablenkung des Seelenblickes von diesem Wesen. Man kann aber in die geistige Welt nicht eindringen, wenn man den Geist nicht zuerst da erfasst, wo er ganz unmittelbar gegeben ist: in der unbefangenen Selbstbeobachtung.

      22. Die Selbstbeobachtung bildet den Anfang der Geistbeobachtung. Und sie kann deshalb den rechten Anfang bilden, weil der Mensch bei wahrer Besinnung nicht bei ihr stehen bleiben kann, sondern von ihr fortschreiten muss zu weiterem geistigen Weltinhalt. Wie der menschliche Körper verkümmert, wenn er nicht physische Nahrung erhält, so wird der im rechten Sinne sich selbst beobachtende Mensch sein Selbst in Verkümmerung empfinden, wenn er nicht sieht, wie in dieses Selbst die Kräfte einer außer ihm tätigen geistigen Welt hineinwirken.

      Leitsätze Nr. 23 bis 25

      (13. April 1924)

      23. Der Mensch betritt, indem er durch die Todespforte geht, die geistige Welt, indem er von sich abfallen fühlt alles, was er durch die Sinne des Leibes und durch das Gehirn während des Erdenlebens an Eindrücken und an Seeleninhalten erworben hat. Sein Bewusstsein hat dann in einem umfassenden Tableau in Bildern vor sich, was an Lebensinhalt während des Erdenwandels in Form von bildlosen Gedanken in das Gedächtnis gebracht werden konnte, oder was zwar für das Erdenbewusstsein unbemerkt geblieben ist, doch aber einen unterbewussten Eindruck auf die Seele gemacht hat. Diese Bilder verblassen nach wenig Tagen bis zum Entschwinden. Wenn sie sich ganz verloren haben, so weiß der Mensch, dass er auch seinen Ätherleib abgelegt hat, in dem er den Träger dieser Bilder erkennen kann.

      24. Der Mensch hat nach der Ablegung des Ätherleibes noch den Astralleib und das Ich als die ihm verbleibenden Glieder. Solange der erstere an ihm ist, lässt dieser von dem Bewusstsein alles das erleben, was während des Erdenlebens den unbewussten Inhalt der im Schlafe ruhenden Seele gebildet hat. In diesem Inhalt sind die Urteile enthalten, welche die Geistwesen einer höheren Welt während der Schlafzeiten dem Astralleib einprägen, die aber dem Erdenbewusstsein sich verbergen. Der Mensch lebt sein Erdenleben noch einmal durch, doch so, dass sein Seeleninhalt jetzt die Beurteilung seines Tuns und Denkens vom Gesichtspunkte der Geisteswelt aus ist. Das Durchleben geschieht rückläufig: erst die letzte Nacht, dann die zweitletzte und so weiter.

      25. Die nach dem Durchgang durch die Todespforte im Astralleibe erlebte Lebensbeurteilung dauert so lange, wie die Zeit betragen hat, die während des Erdenlebens von dem Schlafe eingenommen war.

      Leitsätze Nr. 26 bis 28

      (20. April 1924)

      26. Erst nach Ablegung des Astralleibes, nach der vollendeten Lebensbeurteilung, tritt der Mensch in die geistige Welt ein. In dieser steht er zu Wesenheiten rein geistiger Art in einer solchen Beziehung wie auf der Erde zu den Wesenheiten und Vorgängen der Naturreiche. Es wird im geistigen Erleben dann alles, was im Erdenleben Außenwelt war, zur Innenwelt. Der Mensch nimmt dann nicht bloß diese Außenwelt wahr, sondern er erlebt sie in ihrer Geistigkeit, die ihm auf Erden verborgen war, als seine Innenwelt.

      27. Der Mensch, wie er auf Erden ist, wird im Geistgebiet Außenwelt. Man schaut auf diesen Menschen, wie man auf Erden auf Sterne, Wolken, Berge, Flüsse schaut. Und diese Außenwelt ist nicht weniger inhaltreich, wie die Erscheinung des Kosmos dem irdischen Leben erscheint.

      28. Die im Geistgebiet vom Geiste des Menschen erbildeten Kräfte wirken in der Gestaltung des Erdenmenschen fort, so wie die im physischen Menschen vollbrachten Taten in dem Leben nach dem Tode als Seeleninhalt fortwirken.

      Leitsätze Nr. 29 bis 31

      (27. April 1924)

      29. In der entwickelten imaginativen Erkenntnis wirkt, was im Innern des Menschen seelisch-geistig lebt und in seinem Leben am physischen Leib gestaltet und auf dessen Grundlage das Menschendasein in der physischen Welt entfaltet. Dem sich im Stoffwechsel immer wieder erneuernden physischen Leib steht da die in ihrem Wesen von der Geburt (bzw. Empfängnis) bis zum Tode dauernd sich entfaltende innere Menschenwesenheit gegenüber, dem physischen Raumesleib ein Zeitenleib.

      30. In der inspirierten Erkenntnis lebt im Bilde, was das Menschenwesen in der Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt innerhalb einer geistigen Umgebung erfährt. Da ist anschaulich, was der Mensch ohne seinen physischen und Ätherleib, durch die er das irdische Dasein durchmacht, seinem Wesen nach im Weitenzusammenhange ist.

      31. In der intuitiven Erkenntnis kommt das Herüberwirken früherer Erdenleben in das gegenwärtige zum Bewusstsein. Diese früheren Erdenleben haben in ihrer Weiterentwicklung die Zusammenhänge abgestreift, in denen sie mit der physischen Welt gestanden haben. Sie sind zum rein geistigen Wesenskern des Menschen geworden und wirken als solcher im gegenwärtigen Leben. Sie sind dadurch auch Gegenstand der Erkenntnis, die als die Entfaltung der imaginierenden und inspirierten sich ergibt.

      Leitsätze Nr. 32 bis 34

      (4. Mai 1924)

      32. In dem Haupte des Menschen ist die physische Organisation ein Abdruck der geistigen Individualität. Physischer und ätherischer Teil des Hauptes stehen als abgeschlossene Bilder des Geistigen, und neben ihnen in selbständiger seelisch-geistiger Wesenheit stehen der astralische und der Ichteil. Man hat es daher im Haupte des Menschen mit einer Nebeneinanderentwicklung des relativ selbständigen Physischen und Ätherischen einerseits, des Astralischen und der Ich-Organisation anderseits zu tun.

      33. In dem Gliedmaßen-Stoffwechselteil des Menschen sind die vier Glieder der Menschenwesenheit innig miteinander verbunden. Ich-Organisation und astralischer Leib sind nicht neben dem physischen und ätherischen Teil. Sie sind in diesen; sie beleben sie, wirken in ihrem Wachstum, in ihrer Bewegungsfähigkeit und so weiter. Dadurch aber ist der Gliedmaßen-Stoffwechselteil wie ein Keim, der sich weiter entwickeln will, der fortwährend darnach strebt, Haupt zu werden, und der fortwährend davon während des Erdenlebens des Menschen zurückgehalten wird.

      34. Die rhythmische Organisation steht in der


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