Lügenpolitik und verdorbene Demokratie. Ino Weber

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Lügenpolitik und verdorbene Demokratie - Ino Weber


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nebst Zeugenaussage des Medienreferenten Pfeiffer klar dafür. Im außergewöhnlich schmutzigen Wahlkampf in Schleswig-Holstein arbeitete Barschel, von 1982-1987 amtierender Ministerpräsident des Bundeslandes, mit bösartigen Verleumdungen des politischen Gegners und sonstigen Tricks. Krankhafter Ehrgeiz verband sich hier mit krimineller Energie, wobei die Lüge selbst nur das kleinere Übel darstellte.

      Drei Wochen nach der peinlichen Falschaussage wurde der Mann tot in einer Hotelbadewanne gefunden. Diese zwielichtige Figur der deutschen Politik, Uwe Barschel, kam unter sehr mysteriösen Umständen zu Tode. Noch immer ist nicht vollständig geklärt, ob es wirklich Selbstmord war, vermutlich eher nicht. Fakt ist aber, dass der Politiker nicht nur beim Lügen ertappt wurde, sondern offenbar bereits als Mensch sehr tief gesunken war.

      Der Fall Barschel ist zweifellos eine Kuriosität. Es gibt aber noch einige andere Beispiele, die letztlich einen allgemeinen Trend anzeigen und eine Verhaltensweise belegen, die immer wieder unliebsam in Erscheinung tritt.

      Von enormem politischen Gewicht war und ist die berühmte Lüge von Frau Andrea Ypsilanti, der hessischen SPD-Kandidatin bei der Landtagswahl 2008. Diese freche Lüge ist nämlich geradezu symptomatisch für den unehrenhaften und dümmlichen Stil, sich vor den Wahlen auf bestimmte Punkte festzulegen und sie dann geflissentlich zu ignorieren, vielleicht sogar genau das Gegenteil zu machen! Frau Ypsilanti wollte erklärtermaßen nie mit den Linken zusammenarbeiten, in keiner Weise. Nachher jedoch, als das Wahlergebnis eine ungünstige Konstellation ergab und nur eine Minderheitenregierung (SPD und Grüne) zur Macht verhelfen konnte, fragte sie schließlich doch bei den Linken an und bat um Tolerierung. Sie hatte damit allerdings keinen Erfolg, brachte sogar die eigenen Parteigenossen gegen sich auf.

      Letztlich richtete die Politikerin mit ihrem krampfhaften Taktieren größeren Schaden an, sie löste einen Skandal aus, aber sie wurde nicht das, was sie sich so sehr erhofft hatte, Ministerpräsidentin. – Andrea Ypsilanti ist politisch noch immer sehr aktiv, ist eigentlich eine sehr respektable Persönlichkeit, doch ihr Name wird auf lange Zeit mit dem berühmt gewordenen Vorfall in Verbindung bleiben. Diese Frau, so leid sie einem tun kann, erlangte Berühmtheit als eine Symbolfigur der politischen Lüge in Deutschland.

      Kommentar zu den verlogenen Verhaltensweisen

      Was tut man nicht alles, um den Wähler zu ködern! – Wann werden die Politiker endlich lernen, nicht nur eine schlaue Taktik zu befolgen, sondern dabei auch ehrlich zu bleiben, also zumindest die Bürger nicht absichtsvoll in die Irre zu führen? So wie bisher darf Politik nicht aufgefasst werden! Ziele vorgeben oder politische Handlungen in Aussicht stellen, wäre die seriöse Variante, doch immer wieder machen die Kandidaten denselben Fehler, etwas fest zu versprechen, obwohl sie genau wissen müssten, wie schwer es nachher einzuhalten sein wird. Warum fällt es den Politikern bloß so schwer, ihren Willen und ihre konkreten Zielvorstellungen sachlich und seriös zu äußern, ohne sich in lügenhafte Hirngespinste zu verwickeln?

      Natürlich erfolgen die Äußerungen unserer Polit-Profis meist nach einem genauen politischen Kalkül, unbedachte, spontane Reaktionen kommen nur selten vor. Allerdings scheint man sich oft über die Nebenbedeutungen oder den objektiven Sinn des Gesagten nicht ausreichend klar zu sein. Die jeweilige Absicht unmissverständlich auszudrücken, scheitert allzumal am sprachlichen Unvermögen. Oder sind es meist gewollte Ungenauigkeiten?

      Wer es gewohnt ist, nichtssagende Floskeln zu verbreiten, dem kommt womöglich auch das präzise Denken allmählich abhanden. Sogar jene Persönlichkeiten, denen man ein klares Denken durchaus zutraut und im Prinzip gern zubilligt, geraten zuweilen in die altbekannte Falle ihrer Sprücheklopferei. Schlecht ist nur, wenn sie sich permanent in Widersprüche verwickeln. – Sofern es aufgrund der sachlichen Gegebenheiten beinah unvermeidbar ist, dass sich irgendwann die Falschheit des Gesagten als Fakt erweist, trotz endloser Wiederholungen und Beteuerungen, die Äußerungen also im Grunde wider besseres Wissen erfolgen, ist das Verhalten definitiv unehrlich, undemokratisch und auf keinen Fall besonders klug.

      Dirk Niebel als verlogener Entwicklungshilfeminister

      Wenn auch offene Lügen recht selten sind, so fallen doch zahlreiche Widersprüche und Unstimmigkeiten auf, die zumindest auf Unehrlichkeit hindeuten. Sträflich inkonsequentes Handeln, das im Widerspruch zu klar ausgesprochenen Absichten steht, gehört ebenfalls in diese Kategorie.

      Als weiteres Beispiel dafür möge Dirk Niebel (FDP) dienen, der im Wahlkampf 2009, gemäß Parteiprogramm, für die Abschaffung des Entwicklungshilfeministeriums plädierte. Sein erstaunlicher Meinungswechsel erfolgte just in dem Moment, als er selbst zum Minister gekürt wurde. In der Folgezeit gab er dem Ministerium nicht nur eine neue Struktur, sondern vergrößerte es personell sogar erheblich.

      Einem privaten Fragesteller auf abgeordnetenwatch.de, der diese merkwürdige Tatsache ansprach, gab Niebel eine wirklich aufschlussreiche Antwort: „Die Auflösung des Bundesministeriums ist nicht mehr notwendig, weil das BMZ (*1) wie das Auswärtige Amt und das Wirtschaftsministerium von Liberalen geführt wird.“ (Originalzitat vom 15.11.2010)

      Die FDP wird’s also schon richtig machen, so dachte wohl der vor unerschütterlichem Selbstvertrauen strotzende Politiker, und was früher einmal gesagt wurde, ist doch piep-egal. Neue Situationen erfordern andere Bewertungen, vor allem dann, wenn die eigene Partei davon profitiert!

      In der Sache könnte dennoch etwas Positives erreicht worden sein, nämlich eine größere Effizienz in der Entwicklungshilfe durch eine gestärkte politische Steuerung. Im Zuge einer großen Reform (*2), die bei allen Parteien große Anerkennung fand und schließlich auch vom Bundesrechnungshof gebilligt wurde, erhielt das BMZ, Niebels Ministerium, sogar deutlich mehr Stellen als bisher.

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      *1 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

      *2 Fusion von GTZ, InWEnt und DED zur neuen GIZ = Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit. DED war das Kürzel für den Deutschen Entwicklungsdienst.

      Was der Minister letztlich leistete, nämlich eine organisatorische Straffung in der deutschen Entwicklungshilfe, die unter dem Strich im gesamten Geschäftsbereich des Ministeriums (inklusive der angegliederten Organisationen) einige hundert Stellen einsparte, wäre durchaus anerkennenswert, wenn da nicht der böse Verdacht auf Vetternwirtschaft bestünde. Hart kritisiert wurde insbesondere Niebels Personalpolitik, wobei angeblich viele FDP-Kollegen mit fragwürdiger Qualifikation eingeschleust und erwiesene Experten rausgeworfen wurden. Doch der Minister behauptet unbeirrt, Einsparungen erzielt oder für die nahe Zukunft vorbereitet zu haben, belegt dies auch mit einem Gutachten. Und selbstverständlich betreibt er keinerlei Vetternwirtschaft, wie er mehrmals betonte.

      Um hier Wahrheit von Lüge unterscheiden zu können und die zwischenzeitlichen Vorwürfe der Opposition richtig zu beurteilen, muss man sich über den gesamten komplexen Vorgang informieren, auch über die alte und neue Organisation des Ministeriums genau Bescheid wissen. Der Teufel steckt im Detail.

      Fakt ist, dass die deutsche Entwicklungshilfe unter Leitung von Dirk Niebel gedrosselt wurde, so dass a) internationale Vereinbarungen nicht erfüllt werden und b) Deutschland im europäischen Vergleich deutlich zurück fiel.

      Die Ausgaben betrugen im Jahr 2012 unter 0,4% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und die Haushaltsplanung der Koalition (CDU/CSU und FDP) sah für 2013 sogar noch weitere Kürzungen vor – ethisch völlig inakzeptabel. Wichtige Hilfsleistungen zu verweigern, kostet Menschenleben.

      Der Minister protestierte zwar gegen die Kürzungen, doch seine wahre Einstellung ist bekannt. Er vertritt den harten Grundsatz, die Bundesrepublik könne nicht das Sozialamt der Welt sein.

      Solcher Populismus kommt immer gut an, dachte er wohl bei seinen Äußerungen. Bauernschlau bediente er den latent, aber flächendeckend in Deutschland vorhandenen Rassismus, der in Ausländern vorwiegend Sozialschmarotzer zu erkennen glaubt. Somit war der zarte verbale „Protest“ sehr


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