Der kurdische Fürst MĪR MUHAMMAD AL-RAWĀNDIZĪ genannt MĪR-Ī KŌRA. Jemal Nebez

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Der kurdische Fürst MĪR MUHAMMAD AL-RAWĀNDIZĪ genannt MĪR-Ī KŌRA - Jemal Nebez


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von den Muslimen als „Buchbesitzer“ anerkannt werden, anders als die Yazīdī, die „Teufelsanbeter“ heißen284, waren gleichermaßen schlecht. Bei einem Feldzug gegen das von Christen bewohnte Dorf Alqōš wurden 172 Christen erschossen.285

      Nach Mukriyānī war das Opfer der Christen noch größer: „Die Bevölkerung in Alqōš bereitete sich zum Kampf vor. Der Mīr vernichtete sie bis zum letzten Mann. Aber im Dorf Hurmuzd schützte die Diplomatie der christlichen Priester die dortige Bevölkerung vor den Maßnahmen des Sōrānī-Mīr“.286

      Der Verfasser der „Geschichte Mossuls“, Sulaimān al-Ṣā’iġ, der seine Information aus der „Geschichte der Hurmuzd-Priester“, einer Handschrift in aramäischer Sprache, übernahm, berichtet folgendes: „Die Soldaten des Mīr marschierten in Alqōš ein. Nachdem sie Alqōš ausgeraubt und eine große Zahl der Einwohner getötet hatten – denn niemand konnte sich retten außer denjenigen, die in die Berge geflohen waren – drangen sie im Dēr Rabbān Hurmuzd ein. Sie töteten und beraubten einige ihrer Priester“.287

      Ein christlicher Priester aus Alqōš namens Damyānōs al-Alqōšī beschrieb damals in einer enthusiastischen Dichtung in chaldäischer Sprache dieses Unheil und die Gewaltherrschaft Mīr-ī Kōras.288 Ein Freund von mir, der aus Alqōš stammt, hat die Dichtung dem Sinne nach für mich ins Kurdische übersetzt.

      Über die Lage der Juden (die im Übrigen bis 1948 im ehemaligen Sōrān-Emirat als Minderheit lebten), haben wir nur eine kurze Nachricht von Suğādī, der berichtet, dass Mīr-ī Kōra einen Pferdeknecht hatte, der Jude war. Mīr-ī Kōra soll ihn sehr geschätzt haben, obwohl die Juden nach Suğādī in der Mīr-ī Kōra-Zeit überhaupt kein Ansehen besaßen.289 Jedoch deutet nichts darauf hin, dass die Juden besondere Feindseligkeiten zu erdulden hatten.

      Nach der Dichtung „Malīxā“ soll diese Haltung des Mīr ihm einen besonderen Ruf unter den ‘Ulamā in Bagdad verschafft haben. So schrieben die ‘Ulamā von Bagdad dem Mīr 1244 h. (1828/9) einen Brief, in dem sie ihn aufforderten, Bagdad zu erobern, und die Stadt von der Herrschaft der Mamlūken zu befreien.290

      Xēlānī berichtet, dass die Bevölkerungen von Bagdad, Kirkuk und Mossul im Zeitraum 1204-08 h. (1789-1793) zu verschiedenen Zeiten „den Mīr aufforderten, ihre Länder zu erobern. Sie ließen ihn wissen, dass die Umstände für ihn besonders günstig seien. Aber der Mīr lehnte ihre Angebote ab“.291

      Obwohl ich keine anderen Berichte darüber gefunden habe und auch das Datum, das Xēlānī angibt, nicht stimmen kann, weil Mīr-ī Kōra zu diesem Zeitpunkt nicht regierte, halte ich diese Nachricht nicht für unmöglich, denn die ‘Ulamā von Erbil hatten Mīr-ī Kōra ihre Stadt ohne Kampf in die Hände gegeben.292

       Zusammenfassung

      Nach der Überprüfung der religiösen Verhältnisse im Emirat Mīr-ī Kōras kann man folgendes feststellen:

      1 Der Islam sunnitischer Prägung war die Staatsreligion im Emirat. Doch die subjektive Frömmigkeit des Mīr stimmte nur z. T. mit den Gesetzen des Islam überein:a. Nach den Berichten von Fraser293 und Mukriyānī294 hat Mīr-ī Kōra muslimische Bevölkerungen angegriffen und sie dezimiert. Ein solches Verhalten steht deutlich im Gegensatz zum islamischen Recht.295b. Die Christen sollten – nach islamischem Gesetz – bekämpft werden, soweit sie die Kopfsteuer nicht zahlten.296 Es ist aber nicht nachzuweisen, dass Mīr-ī Kōra wegen dieser Kopfsteuer gegen die Christen gekämpft habe.

      2 Trotz dieser Abweichung von der theoretischen Lehre des Islam richtete sich das öffentliche Leben danach. Dies hatte gewisse positive, aber auch sehr negative Begleiterscheinungen:

      a. Die strenge Rechtsprechung nach islamischen Gesetzen zog gegen einige schlimme Gewohnheiten zu Felde: “Theft and robbery are scarcely ever heard of, and no door is ever closed at night; yet punishment by death is seldom implicated“.297 Meiner Ansicht nach konnte sich durch Maßnahmen dieser Art nur die äußere Lage ändern. Die Ursachen solcher Vergehen wie Diebstahl und Räuberei können nur Hand in Hand mit einer Umerziehung des Volkes beseitigt werden. Das analphabetische, hungrige kurdische Volk bekannte sich zum Islam nicht als Glauben aus verstandesmäßiger Überzeugung, sondern aus einer gefühlsmäßigen Tradition. Solche Menschen gehen zum Beten, ohne zu verstehen, welche Gebete sie auf Arabisch sprechen.

      Es gibt eine sehr bekannte Anekdote in Kurdistan. Man erzählte, dass der osmanische Kalif ‘Abd al-Ḥamīd einmal den Befehl gab, alle Christen müssten Muslime werden oder sie würden vernichtet.

      Ein muslimischer Kurde nahm daraufhin sein Gewehr und ging zu seinem christlichen Nachbarn und sagte:

      - Sei Muslim oder du bist sofort tot!

      - Aber ich bin doch dein Nachbar und wir sind gute Freunde.

      - Ich verstehe dich nicht. Werde schnell Muslim oder du bist tot.

      - Gut! Ich werde Muslim. Aber was soll ich sagen oder tun?

      - Werde ganz schnell Muslim, wenn du noch weiter leben willst.

      - Gerne! Aber sag mir doch, was ich sagen oder tun muss!

      Der Muslim überlegte etwas, dann stellte er sein Gewehr hin:

      - Bei Allah, das weiß ich auch nicht“.298

      Das ist nur eine Geschichte, aber sie mag sich so zugetragen haben. Deshalb kann man sagen, dass die blinde Anwendung der islamischen Strafgesetze in solchen Fällen nicht viel nutzt. Hier kann man mit den Verfassern des offiziellen Lehrbuchs der irakischen Schulen „Neue Geschichte“ einverstanden sein, wenn sie die Enthaltsamkeit der „schlechten Leute“ von Missetaten nur als Resultat der strengen Regierung Mīr-ī Kōras betrachteten:

      „Muḥammad Pāšā befolgte beim Regieren die Gesetze der Religion. Dieben wurden die Hände abgehauen, und Mörder wurden hingerichtet. Wegen dieser unnachsichtigen Härte ließen die schlechten Leute von üblen und verbotenen Taten ab“.299

      b. Die islamisch geprägte Regierung gab den fanatischen ‘Ulamā die Rechtspflege in die Hand, die somit ihrem Gutdünken ausgeliefert war. Infolgedessen wurden Yazīdī und Christen unbarmherzig angegriffen. Dies brachte Mīr-ī Kōra viele Feinde unter den Nicht-Muslimen gerade zu einer Zeit ein, als das Osmanische Reich sich darauf vorbereitete, Mīr-ī Kōra und die anderen kurdischen Fürsten anzugreifen.300 Mīr-ī Kōra hätte aus diesen Yazīdī und Christen für sich treue Verbündete gegen die Osmanen schaffen können, wenn er nicht so fanatisch eingestellt gewesen wäre und entsprechend gehandelt hätte.

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