Was glaubst du?. Mittelbayerische Zeitung

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Was glaubst du? - Mittelbayerische Zeitung


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Klostereintritt auch „mal einen Freund“ gehabt, erzählt sie. Dass die Beziehung auseinandergegangen sei, habe aber mit ihrem Gang ins Kloster nichts zu tun. Was sie so sicher macht, dass sie sich nicht eines Tages verlieben könnte? „Man weiß nie, was kommt“, entgegnet sie gelassen.

      Frage der Berufswahl

      Die nächste wichtige Entscheidung ist die Berufswahl. Schwester Chiara möchte studieren, als Fächer kommen sowohl Medizin als auch Theologie infrage. Das Thema hat aber noch Zeit, sie soll sich erstmal einleben. „Jede Schwester hat einen anderen Charakter, darauf muss ich mich einstellen“, sagt sie. Morgens um kurz vor fünf beginnt ihr Tag mit einem Morgengebet. Vormittags arbeitet sie in der Küche. Auch die Nachmittage sind ausgefüllt: Sie übt mit Kindern aus Migrationsfamilien Deutsch, besucht alte Ordensschwestern im Altenheim des Klosters und hilft in der Wäscherei. Dazu kommen mehrere Gebetszeiten täglich und der Unterricht zu den Ordensregeln. Im Kloster wohnt die junge Frau in einer kleinen Ausbildungsgemeinschaft zu der auch ihre Noviziats-Leiterin gehört. „Wir frühstücken zusammen, der Rahmen ist familiärer als im großen Speisesaal“, erzählt Schwester Chiara.

      Drei Wochen Urlaub hat sie im Jahr, Zeit um Familie und Freunde zu besuchen. Im ersten Noviziatsjahr dürfen ihre Eltern nur vier- bis fünfmal zu ihr ins Kloster kommen. Ansonsten sind die sozialen Kontakte der Ordensschwester eingeschränkt. „Der Freundeskreis dünnt sich aus“, räumt sie ein. Vier bis sechs enge Freunde seien ihr geblieben, besucht hätten sie sie aber noch nicht. Die junge Schwester nimmt es pragmatisch: „Das Leben draußen ist nicht immer leicht, genauso ist es hier drin.“

      Hinter Gittern und dennoch Gott ganz nah

      „Was glaubst Du?“ – Die MZ besuchte einen Sonntagsgottesdienst in der Justizvollzugsanstalt Regensburg. Welche Rolle spielt der Glaube im Gefängnis?

      Einfache, aber sehr persönliche Botschaften: Drei Gottesdienste halten Pater Clemens (r.) und Gefängnisseelsorger Hans Kerscher jeden Sonntag in dem Gebetsraum unter dem Dach der Justizvollzugsanstalt Regensburg. Foto: Stöcker-Gietl

      Von Isolde Stöcker-Gietl, MZ

      Regensburg. „Ich war im Gefängnis und ihre seid zu mir gekommen“, heißt es im Matthäus-Evangelium. Jeden Sonntag folgt Kapuzinerpater Clemens diesem Ruf. Durch die langen, dunklen Gänge, vorbei an den Sicherheitsschleusen, bahnt er sich seinen Weg durch die Justizvollzugsanstalt Regensburg. Hier liegt ein wichtiger Auftrag der Kirche. Es sind keine „verlorenen Schäfchen“, die es auf den rechten Weg zurückzugeleiten gilt. „Es sind Menschen wie du und ich“, sagt der 72-Jährige, „oft einsam, von lieben Menschen getrennt.“ Pater Clemens und Gefängnisseelsorger Johann Kerscher setzen bei den Sonntagsgottesdiensten auf die Kraft des Heiligen Geistes, weniger auf die ihrer Worte. Sie möchten das Herz erreichen und hoffen, dass die Botschaften ankommen. Dafür brauchen sie keinen Weihrauch und kein Glockengeläut.

      Teil einer Schicksalsgemeinschaft

      Rund 200 Gefangene sitzen derzeit in der Justizvollzugsanstalt Regensburg ein. Untersuchungshäftlinge und Strafgefangene mit einer Haftdauer bis zu einem Jahr. Darunter auch 20 Frauen. Sie haben sich wegen Drogenmissbrauchs, Diebstahl oder Körperverletzung schuldig gemacht. Manchmal sind mutmaßliche Mörder oder Sexualstraftäter unter den Gottesdienstbesuchern. Sie sind Teil dieser Schicksalsgemeinschaft, die sonntags das Wort Gottes hört. Menschen, mit Sorgen und Problemen, Menschen, deren Leben aus der Bahn geraten ist. Hier, in dem kleinen, provisorisch eingerichteten Gotteshaus unter dem Dach der Justizvollzugsanstalt, wird nicht über sie geurteilt. Das ist Aufgabe der Gerichte.

      Es ist 8.15 Uhr. Ding, dong, dong. Das ist das akustische Zeichen, dass nun der Gottesdienst beginnt. Mit Handschlag begrüßen Pater Clemens und Seelsorger Kerscher die 14 Frauen. „Guten Morgen, schön Sie zu sehen.“ Sie sind schweigsam. Die ungeschminkten Gesichter sind blass. Eine aus ihrer Gruppe ist zwei Tage nach der Haftentlassung ums Leben gekommen. „Das wird heute ein stiller Gottesdienst des Gedenkens“, sagt der Kapuzinerpater. Er hat Kerzen dabei und eine Muttergottes aufgestellt. Auf dem Altartisch stehen Seidenblumen in zwei leeren Kompottgläsern, daneben die Osterkerze und zwei künstliche Kirschbäume. Der Raum wird jahreszeitlich geschmückt, erläutert Kerscher. Es sei reizvoll, in dem Mehrzweckraum mit den kahlen Wände, den Neonlampen und der Überwachungskamera ein spirituelles Ambiente zu schaffen. Nach Ansicht von Pater Clemens sei es „die schönste Gefängniskapelle“, die er kenne; „weit und hell“.

      Der Gottesdienst beginnt mit Stille und einer Meditation. Der Kapuzinerpater spricht von der Sehnsucht der Menschen nach Glück und Geborgenheit und dass sie oft den falschen Weg wählen. „Wir sind nicht daheim bei uns, wir weichen uns selbst aus.“ Passend dazu stimmt er auf seiner Gitarre „Wohin soll ich mich wenden“ aus der Schubert-Messe an.

      Der Geistliche spricht sehr leise, schaut dabei abwechselnd eine der Frauen an. „Da gibt es Frauen, die von ihren Partnern geschlagen und gewürgt werden und trotzdem besuchen sie ihn in der Haft, weil sie sich einsam fühlen und nicht alleine sein wollen.“ Er ermutigt die Anwesenden, die meisten von ihnen noch sehr jung, nach ihrem eigenen Weg zu suchen und sich selbst zu finden. „Heimat ist dort, wo ich mich angenommen weiß.“

      Pater Clemens wählt sehr einfache Worte, wiederholt das Gesagte mehrmals. Er will, dass seine Botschaften ankommen. „Ich versuche den Menschen den Glauben nahe zu bringen, dass sie geliebt sind“, sagt er. „Es werden sich in meinen Predigten immer einzelne sehr deutlich angesprochen fühlen. Ich will Impulse geben und einen Denkprozess in Gang bringen.“ Das Schicksal von Obdachlosen, Abhängigen und Strafgefangenen ist seit über drei Jahrzehnten sein Lebensinhalt. Er feiert nicht nur mit ihnen Gottesdienste, er bekocht und beherbergt sie auch. Manchmal sieht man den Kapuzinerpater in Strafprozessen sitzen. Er ist der seelische Beistand derjenigen, denen das Leben übel mitgespielt hat.

      Die Frauen folgen den Worten still und in sich gekehrt. „Bei den Männern ist es da schon deutlich unruhiger“, sagt Kerscher, der seit über 30 Jahren in der Gefängnisseelsorge arbeitet. „Wenn alle versammelt sind, wie zum Beispiel an Weihnachten, fühle ich mich schon ein wenig wie ein Dompteur“, meint Pater Clemens und lächelt dabei. Doch er weiß, dass die meisten der rund 60 sonntäglichen Gottesdienstbesuchern die Zeit zur inneren Einkehr nutzen. „Es ist mehr als eine schöne Abwechslung im Gefängnisalltag. Das würde sich bald abnutzen.“

      Die Seelsorger wollen auch niemanden bekehren. Sie wollen da sein und Angebote machen. Jeder kann, niemand muss sie nutzen. Auch religiöse Grenzen gibt es nicht. Ob katholisch, evangelisch oder russisch-orthodox, ob Muslim oder keiner Religion zugehörig: Alle die zuhören wollen, sind willkommen.

      Buße braucht seine Zeit

      Ob der Gottesdienst Anlass für die Gefangenen ist, sich mit ihrer Tat auseinanderzusetzen? Pater Clemens denkt kurz nach. Dann schüttelt er den Kopf. „Ich habe festgestellt, dass die Gefangenen in Regensburg sich weniger mit dem Thema Buße beschäftigen. Vor dem Strafprozess spielt das keine große Rolle, da sind die Menschen viel mehr mit sich selbst und ihrer Situation beschäftigt. Da sucht man auch eher nach Entschuldigungen. In der Justizvollzugsanstalt Straubing schaut das ganz anders aus.“ Dort, wo Menschen eine sehr lange Strafe absitzen oder in Sicherungsverwahrung leben, ist viel Zeit zum Nachdenken. Manchmal auch zum Umdenken. „Ich habe Menschen getroffen, die im Innersten bereuten. Aber genauso Menschen, die mich enttäuscht haben.“ Ein Häftling, der noch jahrelang nach seiner Verurteilung die Tat bestritt, hat nach acht Jahren bei Pater Clemens reinen Tisch gemacht. „Es ist ein langer Weg, sich der Tat zu stellen“, sagt Seelsorger Kerscher.

      Es geht auf 9 Uhr zu. Pater Clemens legt eine CD auf und beendet den Gottesdienst mit einer musikalischen „Einladung“, wie die Beatles sich der Nähe von „Mother Mary“ bewusst sind: „Let it be – Lass es gut sein“. Anschließend bittet er die Frauen, Kerzen für die Verstorbene anzuzünden. Viele wischen sich Tränen aus


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