Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke. Robert Louis Stevenson

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Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke - Robert Louis Stevenson


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ja, ich weiß nichts von ihm seiner Brut und frage noch weniger danach. Ich sage Euch, der Mann ist mir Geld schuldig.»

      »Das kann sehr leicht möglich sein«, entgegnete ich, jetzt noch um einen Grad aufgebrachter als er. »Ich aber zum mindesten schulde Euch nichts; diese junge Dame steht unter meinem Schutz, und ich bin derartige Manieren weder gewöhnt, noch bin ich gesonnen, sie mir gefallen zu lassen.«

      Als ich mit diesen Worten, ohne mir etwas dabei zu denken, ein, zwei Schritt näher trat, bemerkte ich, daß ich durch schieres Glück das einzige Mittel entdeckt hatte, das den Mann irgendwie zu berühren vermochte. Das Blut wich aus seinem roten, gesunden Gesicht.

      »Um des Himmels willen, nicht so hastig, Sir!« stieß er hervor. »Ich habe wahrhaftig nicht die Absicht, jemanden zu beleidigen. Aber Ihr wißt schon, Sir, ich gehöre zu den gutmütigen, ehrlichen, vorsichtigen alten Rauhbeinen. Wenn man mich hört, könnte man fast meinen, ich sei ein wenig sauertöpfisch; aber nein, nein, im Grund seines Herzens ist Sandie Sprott ein guter alter Kerl! Und Ihr könnt Euch nicht denken, welchen Ärger ich schon mit jenem Mann gehabt habe.«

      »Gut, Sir, dann werde ich Eure Güte so weit in Anspruch nehmen, Euch um die letzten Nachrichten von Mr. Drummond zu bitten.«

      »Herzlich gern, Sir! Und was die junge Dame betrifft (respektvollsten Diener!), so wird er sie rein vergessen haben. Sie begreifen, ich kenne den Mann; ich habe schon früher Geld an ihn verloren. Er denkt an niemand als an sich selbst; Clan, König und Tochter, er ließe sie und seinen Geschäftsfreund im Stich, um nur erst sein Schäfchen ins Trockene zu bringen. Gewissermaßen bin ich sein Geschäftsfreund. Tatsache ist, wir sind zusammen an einem Unternehmen beteiligt, und es scheint mir ganz so, als sollte das Sandie Sprott teuer zu stehen kommen. Der Mann ist so gut wie mein Teilhaber, trotzdem geb ich Euch mein Wort, daß ich nicht weiß, wo er steckt. Vielleicht ist er auf dem Wege nach Helvoet; vielleicht kommt er morgen, vielleicht in einem Jahr. Ich werde mich über nichts in der Welt mehr wundern, nur noch über das eine: wenn ich mein Geld zurückerhalte. Ihr seht also, wie's um mich steht und daß ich keine große Lust habe, mich um die junge Dame zu kümmern, wie Ihr sie nennt. Hier kann sie nicht bleiben, das ist sicher. Bei Gott, Sir, ich bin Junggeselle! Wenn ich sie bei mir aufnähme, der Teufelskerl bekäm's fertig und zwänge mich bei seiner Rückkehr, sie zu heiraten!«

      »Genug von diesem Geschwätz«, sagte ich. »Ich werde die junge Dame zu besseren Freunden bringen. Gebt mir Feder, Tinte und Papier, und ich werde James More die Adresse meines Leydener Korrespondenten dalassen. Er kann sich bei mir erkundigen, wo seine Tochter zu finden ist.«

      Ich schrieb und versiegelte einen Zettel dieses Inhalts, während Sprott von sich aus das willkommene Angebot machte, die Sorge für Miß Drummonds Gepäck zu übernehmen, ja einen Träger nach dem Gasthaus zu senden. Zu diesem Zweck händigte ich ihm als Deckung ein paar Taler aus, und er überreichte mir dafür eine schriftliche Quittung.

      Darauf bot ich Catriona meinen Arm, und wir verließen zusammen das Haus dieses unausstehlichen Gauners. Sie hatte während der ganzen Zeit kein Wort gesprochen und mir statt dessen das Reden und das Handeln überlassen; ich meinerseits hatte mir Mühe gegeben, sie durch keinen Blick in Verlegenheit zu setzen. Und selbst jetzt war es meine Sorge, vollkommen unbefangen zu erscheinen, obwohl mein Herz vor Scham und Zorn stillzustehen drohte.

      »So,« sagte ich, »jetzt wollen wir in das Wirtshaus zurückkehren, in dem man französisch spricht, zu Mittag essen und uns nach einer Reisemöglichkeit nach Rotterdam erkundigen. Ich werde keine Ruhe haben, bis ich Euch wieder sicher in Mrs. Gebbies Händen weiß.«

      »Es wird uns wohl nichts anderes übrigbleiben,« meinte Catriona, »obwohl ich kaum glaube, daß sie sich darüber freuen wird. Ich möchte Euch auch noch einmal daran erinnern, daß ich nur einen Schilling und sechs Pence besitze.«

      »Und ich sage nochmals, es ist ein Segen, daß ich Euch an Land begleitete.«

      »Meint Ihr, ich hätte die ganze Zeit an etwas anderes denken können?« entgegnete sie und lehnte sich, wie mich dünkte, etwas stärker auf meinen Arm. »Ihr seid mir ein treuer Freund.«

      Der Postwagen, ein langes Gefährt mit Reihen von Bänken, brachte uns in vier Stunden nach der großen Stadt Rotterdam. Es war inzwischen längst dunkel geworden, aber die Straßen waren ziemlich hell erleuchtet und gedrängt voll wilder, fremdländischer Gestalten – bärtiger Hebräer, Neger und Scharen von Kurtisanen, die äußerst unanständig aufgeputzt waren und Seeleute am Ärmel festhielten. Das Schreien und Reden dröhnte uns in den Ohren, und, was das Erstaunliche von allem war: all diese Ausländer schienen auf uns ebensowenig Eindruck zu machen, wie wir auf sie. Um des Mädchens willen hatte ich das zuversichtlichste Gesicht von der Welt aufgesetzt; in Wahrheit jedoch kam ich mir wie ein verirrtes Schäfchen vor, und das Herz klopfte mir vor lauter Sorge. Ein-, zweimal erkundigte ich mich am Hafen nach dem Ankerplatz der »Rose«; allein ich geriet entweder an jemanden, der nur Holländisch sprach, oder mein eigenes Französisch versagte. Als ich auf gut Glück in eine Straße einbog, stieß ich auf eine Flucht erleuchteter Häuser, deren Türen und Fenster voll geschminkter, zweifelhafter Weiber waren; sie drängten und stießen uns im Vorübergehen, und ich war froh, daß wir ihre Sprache nicht verstanden. Bald danach kamen wir auf einen freien Platz am Hafen.

      »Jetzt sind wir endlich am Ziel!« rief ich, als ich die Masten gewahrte. »Wir wollen hier am Hafen auf und ab spazieren. Da werden wir sicherlich bald jemanden treffen, der Englisch spricht; ja, wenn wir Glück haben, finden wir unser Schiff.«

      Der Zufall wollte es, daß sich das Nächstbeste ereignete. Wem liefen wir so um neun Uhr abends in die Arme? Niemandem anderen als Kapitän Sang! Er berichtete, sie hätten die Fahrt in unglaublich kurzer Zeit zurückgelegt, da der kräftige Wind sie bis zu dem Hafen geleitet hätte; dadurch wäre es sämtlichen Passagieren noch möglich gewesen, sich auf die Weiterreise zu begeben. Wir konnten aber unmöglich den Gebbies bis nach Süddeutschland nachjagen und hatten hier keinen Bekannten, an den wir uns halten konnten, außer Kapitän Sang. Um so froher waren wir, als dieser sich sehr freundlich und hilfsbereit zeigte. Er erklärte, es wäre eine Kleinigkeit, eine einfache und anständige Kaufmannsfamilie zu finden, bei der Catriona bis zur Neuladung der »Rose« wohnen könnte, und daß er Fräulein Drummond mit Freuden umsonst nach Leith zurückbringen und wohlbehalten Mr. Gregory abliefern würde. Inzwischen führte er uns in eine Nachtkneipe, um uns zu einer Mahlzeit zu verhelfen, derer wir beide sehr bedürftig waren. Wie gesagt, er schien sehr freundlich und hilfsbereit, zu meiner Überraschung jedoch auch etwas ausgelassen, und der Grund hierfür wurde bald offenbar. In der Gaststätte bestellte er sofort Rheinwein, den er in reichlichen Mengen hinunterspülte, und wurde bald grenzenlos betrunken. Dabei verließ ihn, wie das bei vielen Männern, vornehmlich aber bei Männern seines rauhen Handwerks, nur allzu häufig der Fall ist, auch der letzte Rest von Manieren. Sein Benehmen der jungen Dame gegenüber war skandalös; er scherzte in der unflätigsten Weise über das Bild, das sie abgegeben hätte, als sie auf der Schiffsreeling stand, und mir blieb daher nichts übrig, als mich heimlich mit ihr zu entfernen. Als wir das Speisehaus verließen, klammerte sie sich krampfhaft an meinen Arm. »Führt mich fort von hier, David«, sagte sie. »Laßt mich bei Euch sein. Vor Euch habe ich keine Angst.« »Und habt dazu auch keine Ursache, meine kleine Freundin!« rief ich laut, im Stillen jedoch hätte ich weinen können. »Wo wollt Ihr mich jetzt hinführen?« forschte sie weiter. »Was Ihr auch tut, verlaßt mich nicht, verlaßt mich bitte nie.« »Ja, wo soll ich Euch hinführen?« wiederholte ich und hielt im Gehen inne – bislang war ich blind drauflos marschiert. »Ich muß ein Weilchen stehenbleiben und nachdenken. Ich werde Euch nie verlassen, Catriona; der Herrgott tue mir das Gleiche, ja, strafe mich noch härter, wenn ich Euch im Stich lasse oder kränke.« Als Antwort preßte sie sich noch enger an mich.

      »Hier«, sagte ich, »ist der stillste Platz, den wir in dieser lauten, geschäftigen Stadt gefunden haben. Wir wollen uns unter jenem Baume niederlassen und unsere Lage bedenken.«

      Der Baum (den ich so bald nicht vergessen werde) stand dicht am Hafenrand. Die Nacht war dunkel, aber in den Häusern und auf den schweigenden Schiffen in unserer Nähe brannte noch Licht; uns zur Rechten schimmerte der Lichterglanz


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