Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke. Robert Louis Stevenson

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Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke - Robert Louis Stevenson


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sie.

      »Heute ist ein Tag der Überraschungen, glaube ich,« war meine Antwort, »ich dachte bisher, es hieße Schottland.« »Schottland ist der Name des Landes, das Ihr Irland nennt«, erwiderte sie. »Doch der alte, echte, eigentliche Name der Erde, auf der unsere Sohlen ruhen, und aus dem unser Gebein geschaffen ist, lautet Alban. Alban hieß das Land, als unsere Ahnen es gegen Rom und Alexander verteidigten, und so heißt es auch heute noch in Eurer Heimatsprache, die Ihr vergessen habt.« »Weiß Gott, das habe ich nicht gewußt!« sagte ich; mir fehlte es an Mut, ihr den Mazedonier vorzuwerfen. »Aber Eure Vorväter und -mütter redeten diese Sprache, Geschlecht für Geschlecht«, fuhr sie fort. »Und sie wurde an den Wiegen gesungen, bevor Ihr oder ich uns davon träumen ließen; und Euer Name hat sie sich noch bewahrt. Ach, könntet Ihr nur jene Sprache sprechen, Ihr würdet mich nicht wiedererkennen. Das Herz redet aus ihr.« Ich aß mit den beiden Damen zu Abend, ein vortreffliches Mahl, auf schönem alten Silber serviert und von vorzüglichem Wein gewürzt; denn Mrs. Ogilvy war, wie es schien, reich. Auch unser Gespräch verlief recht angenehm; sobald ich jedoch die Sonnenstrahlen sich schrägen und die Schatten wachsen sah, stand ich auf und verabschiedete mich. Ich war jetzt entschlossen, Alan Lebewohl zu sagen; dazu war erforderlich, daß ich noch bei Tageslicht das Gehölz, in dem wir uns treffen wollten, durchforschte. Catriona begleitete mich bis zur Gartenpforte. »Wird es lang dauern, bevor ich Euch wiedersehe?« fragte sie. »Wie soll ich das wissen?« entgegnete ich. »Es kann lange dauern, es kann auch nie sein.«

      »Es kann auch nie sein«, wiederholte sie. »Tut es Euch leid?« Ich nickte und blickte sie an. »Mir auch, komme, was da kommen mag«, sagte sie.

      »Ich kenne Euch erst kurze Zeit, aber ich schätze Euch sehr hoch. Ihr seid treu, Ihr seid tapfer; mit der Zeit, glaube ich, wird noch ein ganzer Mann aus Euch werden. Ich werde stolz sein, das zu hören. Und sollte es Euch schlecht gehen, sollte das eintreten, was wir befürchten – dann, ja dann denkt daran, daß Ihr eine wahre Freundin, Eure Freundin, habt. Und lange noch, wenn Ihr schon tot seid und ich eine alte Frau bin, werde ich den Kindern von David Balfour erzählen, und meine Tränen werden fließen. Ich werde ihnen erzählen, wie wir auseinandergingen, und was ich Euch sagte, und was ich Euch tat. Gott schütze und geleite Euch, betet Eure kleine Freundin: das, werde ich ihnen erzählen, sagte ich zu ihm – und jetzt seht, was ich Euch tue.« Sie nahm meine Hand und küßte sie. Ich war im Innersten so tief erschrocken, daß ich aufschrie wie jemand in Schmerz. Ein dunkles Rot überflog ihre Wangen, und sie blickte mich an und nickte. »Ja, ja, Mr. David,« sagte sie, »das ist's, was ich von Euch denke. Das Herz hält mit der Zunge Schritt.« Ich konnte auf ihrem Antlitz hohen Mut und eine Ritterlichkeit lesen, gleich der eines tapferen Kindes, sonst stand nichts dort geschrieben. Sie küßte meine Hand, wie sie die Prinz Charlies geküßt hatte, mit einer edleren Leidenschaft als der gemeine, irdische Mensch sie empfinden kann. Nichts zuvor hatte mir so klar gezeigt, wie sehr sie meine Liebe besaß, und wie hoch ich noch streben mußte, um sie zu lehren, mich in diesem Lichte zu betrachten. Dennoch konnte ich mir selber zum Troste sagen, daß ich einige Fortschritte gemacht, und daß ihr Herz bei dem Gedanken an mich höher geschlagen und ihr Blut sich erwärmt hatte. Nach der Ehre, die sie mir angetan, konnte ich ihr keine leere Höflichkeit mehr bezeigen. Mir fielsogar das Reden schwer; ein gewisser Klang in ihrer Stimme, klar und hell, hatte unmittelbar an meine Tränen gerührt. »Ich preise Gott für deine Güte, liebes Herz«, sagte ich. »Leb wohl, meine kleine Freundin!« So gab ich ihr den Namen, den sie sich selbst gegeben hatte. Dann verneigte ich mich und ging. Mein Weg führte mich hinunter in das Tal des Leith gen Stockbridge und Silvermills. Ein Pfad zog sich an der Sohle entlang: im Flußbette lärmten und sangen die Wasser; über mir fielen von Westen her zwischen wachsende Schatten die Sonnenstrahlen und schufen bei jeder Talbiegung eine neue Szenerie und eine neue Welt. In Erinnerung an Catriona und in der Vorfreude auf Alan ging ich wie auf Wolken. Außerdem entzückten mich der Ort, die Zeit und das Schwatzen des Flusses, und ich verlangsamte meinen Schritt und blickte im Gehen vorwärts und zurück. Das und die Gnade des Himmels bewirkten, daß ich plötzlich dicht hinter mir im Gebüsch einen roten Schopf auftauchen sah. Zorn schoß mir ins Herz. Ich kehrte sogleich um und marschierte eilig zurück, woher ich gekommen war. Der Weg führte dicht an der Stelle vorbei, an der ich den Kopf bemerkt hatte. Ich erreichte den Hinterhalt und schritt vorüber, scharf darauf gefaßt, mich eines Überfalls erwehren zu müssen. Doch nichts geschah; unbelästigt durfte ich passieren. Da wuchs meine Furcht. Zwar war es immer noch hell, aber der Ort war sehr einsam. Hatten meine Verfolger sich diese gute Gelegenheit entschlüpfen lassen, so mußten sie offenbar ein größeres Wild als David Balfour aufs Korn genommen haben. Alans und James' Leben lasteten auf mir mit dem Gewicht zweier starker Ochsen. Catriona ging immer noch allein im Garten auf und ab. »Catriona,« sagte ich, »wie Ihr seht, bin ich wieder hier.« »Doch Euer Gesicht ist anders geworden«, sagte sie.

      »Ich trage das Leben zweier Männer mit mir herum,« entgegnete ich, »da wäre es Sünde und Schande, unvorsichtig zu sein. Ich zweifelte, ob ich das Recht hätte, hierherzukommen. Es wäre mir sehr arg, wenn uns dadurch ein Unglück träfe.«

      »Ich kenne jemand, dem das noch ärger wäre, und dem es gar nicht gefällt, Euch jetzt so reden zu hören«, rief sie. »Was habe ich denn getan?« »Ihr? Gar nichts! Aber Ihr seid nicht allein«, erwiderte ich. »Seit ich fortgegangen bin, hat man mich wieder auf Schritt und Tritt verfolgt; ich kann Euch sogar den Namen des Mannes sagen. Es ist Neil, der Sohn Duncans, Euer oder Eures Vaters Knecht.« »Ihr müßt Euch irren, ganz gewiß«, sagte sie mit sehr weißem Gesicht. »Neil ist in Edinburg in Geschäften meines Vaters.« »Damit ist die Sache erwiesen«, sagte ich. »Doch was seinen Aufenthalt in Edinburg betrifft, so will ich Euch, wenn's gut geht, gleich eines Besseren belehren. Sicherlich habt Ihr irgendein Zeichen verabredet, ein Notsignal, das ihn heranruft, falls er sich in Hör- und Reichweite befindet?«

      »Wie habt Ihr das nur erraten?« fragte sie. »Mit Hilfe eines Talismans, den Gott mir verliehen; man nennt ihn Vernunft«, entgegnete ich. »Seid so gütig, das Zeichen zu geben, und ich werde Euch Neils roten Schopf zeigen.« Ohne Zweifel war mein Ton scharf und bitter. Bitter war auch mein Gefühl. Ich klagte mich selbst und das Mädchen an und haßte uns beide: sie des erbärmlichen Geschlechts wegen, dem sie entstammte; mich wegen meines sträflichen Leichtsinns, den Kopf in ein derartiges Wespennest gesteckt zu haben. Catriona hielt die Finger an die Lippen und pfiff ein einziges Mal: einen ungemein klaren, kräftigen, durchdringenden Ton, rund und voll wie bei einem Bauern. Eine Weile warteten wir schweigend, und ich wollte sie eben bitten, den Pfiff zu wiederholen, als ich ein Geräusch, wie von jemandem, der sich einen Weg durch das Unterholz bahnt, vom Fuße des Hügels her vernahm. Lächelnd deutete ich in jene Richtung, und sehr bald sprang Neil in den Garten. Seine Augen glühten, und in seiner Hand hielt er ein nacktes, schwarzes Messer (wie sie's im Hochland nennen). Als er mich neben seiner Herrin stehen sah, wollte er erstarren.

      »Er ist Eurem Rufe gefolgt«, sagte ich; »urteilt jetzt, wie nahe er Edinburg war, und welches die Art von Eures Vaters Geschäften ist. Fragt ihn selbst. Soll ich mein Leben oder das Leben derer, die von mir abhängen, durch Machenschaften Eures Clans verlieren, so will ich wenigstens mit offenen Augen gehen, wohin ich muß.« Zitternd redete sie ihn auf gälisch an. Eingedenk der fürsorglichen Höflichkeit Alans in diesem Punkte, hätte ich vor Bitterkeit laut lachen können; wahrlich, jetzt in der Stunde meines Argwohns, hätte sie am Englischen festhalten sollen. Zwei-, dreimal sprachen sie miteinander, und trotz seiner Unterwürfigkeit konnte ich erkennen: Neil war zornig. Dann wandte sie sich an mich. »Er schwört, es sei nicht der Fall«, sagte sie. »Catriona,« entgegnete ich, »glaubt Ihr dem Manne?«

      Sie machte eine Geste, als ränge sie die Hände. »Wie soll ich das wissen?« »Aber ich muß ein Mittel finden, es zu erfahren«, erwiderte ich. »Ich kann nicht weiter hier in der Dunkelheit herumirren mit zwei Menschenleben auf meinem Buckel! Catriona, versucht Euch an meine Stelle zu setzen, so wie ich (das bezeuge ich vor Gott) nach Kräften mich in Eure Lage hineinzufinden suche. Reden, wie sie heute gehalten wurden, hätten zwischen Euch und mir niemals stattfinden sollen; niemals, niemals; das Herz dreht sich mir im Leibe um, denk ich daran. Hört mich an, haltet diesen Mann hier fest bis zwei Uhr morgens, und alles ist mir gleich. Schlagt ihm das vor.«

      Wieder sprachen sie auf gälisch miteinander.

      »Er sagt, er sei auf Geheiß


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