Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke. Robert Louis Stevenson

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Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke - Robert Louis Stevenson


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Ale leisten und der neuen Wirtin seine alte Geschichte von dem Unterleibsleiden aufbinden, nur waren die Symptome diesmal ganz andere. Ich saß und lauschte, und mir fiel ein, ich hätte ihn noch niemals in meinem Leben im Ernst drei Worte mit einer Frau sprechen hören; immer trieb er Scherz und Spott mit ihnen und machte sich im Stillen über sie lustig, und doch verwandte er auf dieses Geschäft eine erstaunliche Menge Energie und Interesse. Das ungefähr sagte ich ihm auch, als die Gevatterin zufällig abgerufen wurde. »Was willst du mehr?« fragte er. »Ein Mann sollte sich mit dem Weibervolk stets auf möglichst guten Fuß stellen; er muß ihnen immer irgendeine Geschichte zum besten geben, arme Schäfchen, die sie sind! Das solltest du auch lernen, David; du müßtest wenigstens die Grundbegriffe zu erfassen suchen. Es gehört nun mal zum Geschäft. Zum Beispiel, wäre unsere Freundin hier ein junges Mädchen oder auch nur ein bißchen hübsch, niemals hätt ich ihr von meinem Bauch erzählt, Davie. Sind sie aber fürs Hofieren zu alt geworden, dann werden sie alle Quacksalberinnen. Warum? Weiß ich es! Sie sind nun mal so, wie der Herrgott sie erschaffen hat. Aber ein Mann, der sich nicht mit ihnen abgibt, ist in meinen Augen ein Dummkopf.« Und als in diesem Augenblick die alte Dame zurückkehrte, wandte er sich, wie ungeduldig, von neuem das Gespräch aufzunehmen, von mir weg. Die gute Frau war schon früher von dem Thema, Alans Bauch, abgekommen, um ihm den Fall eines Gevatters in Aberlady zu erklären, dessen Siechtum und Tod sie mit großer Ausführlichkeit beschrieb. Mitunter war die Geschichte nur langweilig, mitunter aber auch grausig, und die Frau sprach mit sichtlichem Wohlbehagen. Die Folge war, daß ich in tiefes Nachsinnen versank und zum Fenster auf die Landstraße hinaussah, ohne indes das meiste wirklich wahrzunehmen. Würde man mich jedoch beachtet haben, man hätte mich nach einer Weile zusammenzucken sehen. »Wir machten ihm einen warmen Umschlag für die Füße«, erzählte die Gevatterin gerade, »und legten ihm einen heißen Stein auf den Leib, und wir gaben ihm einen Trank aus Eisenkraut und Poleiminze, und schönen, sauberen Schwefelbalsam gegen den Husten –.« »Sir,« unterbrach ich sie sehr ruhig, »ein Freund von mir ist eben am Haus vorbeigegangen.« »Wahrhaftig«, entgegnete Alan vollkommen gleichgültig, und die lästige Klatschbase fuhr mit ihrer Geschichte fort. Bald jedoch gab er ihr als Bezahlung eine halbe Krone, und sie mußte zum Wechseln das Zimmer verlassen. »War es der Rothaarige?« fragte Alan. »Jawohl«, entgegnete ich. »Was hab ich dir im Walde gesagt?« rief er. »Und doch ist's sonderbar, daß er hier ist. War er allein?« »Mutterseelenallein, soweit ich sehen konnte.«

      »Ging er vorüber?« »Geradeswegs vorüber, ohne nach rechts oder links zu schauen.«

      »Das ist noch sonderbarer«, meinte Alan. »Ich glaube, Davie, es ist an der Zeit, daß wir uns aus dem Staube machen. Aber wohin? Der Teufel hol es! Jetzt ist tatsächlich die alte Zeit zurückgekehrt.«

      »Mit einem großen Unterschied«, erwiderte ich. »Diesmal haben wir Geld in der Tasche.« »Da ist noch ein zweiter, wichtiger Unterschied, Mr. Balfour«, sagte er. »Heute sind uns die Spürhunde auf den Fersen. Sie haben die Fährte aufgenommen; die Meute ist uns hart auf der Spur, David, 's ist ein elendes Geschäft, hol es der Henker.« Er dachte angestrengt nach, und ein Ausdruck trat auf sein Gesicht, den ich gut kannte. »Sagt einmal, Frau Wirtin,« fragte er, als die Hausfrau zurückkehrte, »hat dieses Gasthaus noch einen rückwärtigen Ausgang?« Sie bejahte und erklärte ihm, wohin er führe.

      »Dann, Sir,« meinte er, zu mir gewandt, »ist das, meines Erachtens, für uns der kürzeste Weg. Lebt recht wohl, gute Frau, und das Zimtwasserrezept werde ich mir merken.« Wir verließen das Haus durch der Wirtin Kohlgarten und bogen in einen Wiesenpfad ein. Alan spähte scharf nach allen Seiten und ließ sich, da wir uns in einer kleinen Erdsenke außer Sichtweite befanden, am Wege nieder. »Und jetzt zu unserm Kriegsrat, Davie«, sagte er. »Zuvor aber einen Wink. War ich nun wie du gewesen, was hätte sich die Alte an uns gemerkt? Nichts weiter, als daß wir durch die Hintertür das Haus verließen. Und an was erinnert sie sich jetzt? An einen netten, gemütlichen, freundlichen, gesprächigen Mann, der – armer Kerl – an Leibschmerzen litt und ungemein von ihres Gevatters Schicksal mitgenommen war! Ach, Davie, Mann, versuch doch ein wenig klüger zu werden.« »Ich will's versuchen, Alan«, versprach ich.

      »Und jetzt zu dem Fuchskopf«, fuhr er fort; »ging er schnell oder langsam?«

      »So halb und halb«, entgegnete ich.

      »Also keine große Eile?«

      »Keineswegs.« »Hm,« sagte Alan, »das sieht merkwürdig aus. Heute morgen in Whins war keine Spur von ihnen zu entdecken; er überholt uns, er scheint nicht nach uns auszuschauen, und doch bleibt er uns auf der Spur! Potz Donner, Davie, ich glaube, ich hab's! Ich glaube, sie sind gar nicht hinter dir her, mich wollen sie fangen. Und ich glaube, sie wissen genau, was sie tun.« »Sie wissen?« fragte ich, »Ich glaube, Andie Scougal hat mich verkauft – er oder sein Maat, der zum Teil Bescheid weiß – oder Charlies Schreiberbursche, was ja ein Jammer wäre«; bemerkte Alan, »und wenn du mich nach meiner ganz persönlichen Ansicht fragst, bin ich der Meinung: auf Gillane Sands wird's einige geborstene Schädel geben.« »Alan,« rief ich, »wenn du nur annähernd recht hast, werden ihrer mehr als genug dort sein! Es wird uns aber wenig nützen, ihnen die Schädel einzuschlagen.« »Es wäre aber eine Art Genugtuung«, meinte Alan. »Doch wart ein Weilchen, wart ein Weilchen; laß mich mal überlegen – ich glaube, ich hab noch eine Chance, durchzukommen, dank dieses prächtigen Westwinds. Auf folgende Weise, Davie: ich habe mich mit diesem Kerl Scougal erst gegen Dunkelwerden verabredet. ›Aber,‹ sagte er, ›schnapp ich von Westen her 'ne Handvoll Wind auf, bin ich viel früher dort,‹ – das hat er gesagt – ›und dann warte ich auf Euch hinter der Insel Fidra.‹ Wenn nun deine Herrschaften den Treffpunkt kennen, wissen sie auch die Zeit. Siehst du, worauf ich hinaus will, Davie? Dank Johnnie Copes und der übrigen schafsköpfigen Rotröcke kenn ich diese Gegend wie meine Tasche; und bist du bereit, wieder mal einen kleinen Eilmarsch mit Alan Breck zu unternehmen, so könnten wir uns ein Stückchen landeinwärts schlagen und bei Dirleton wieder zur Küste stoßen. Finden wir dort mein Schiff, so werden wir versuchen, an Bord zu gehen. Ist es nicht dort, muß ich wohl oder übel in meinen verdammten Heuschober zurück. Auf jeden Fall aber werden unsere Herrschaften vergeblich nach uns pfeifen.« »Vielleicht ist die Sache durchführbar«, sagte ich. »Also los, Alan!«

      Ich lernte aus Alans Führung weniger als er aus General Cope's Manöver, denn ich weiß kaum, welchen Weg wir nahmen. Meine Entschuldigung ist, daß wir sehr rasch reisten. Teils liefen, teils trabten wir, und die übrige Strecke marschierten wir in einem verteufelten Tempo drauflos. Zweimal prallten wir mitten im Lauf mit Landleuten zusammen, und obwohl der erste ganz unversehens an einer Ecke auftauchte, war Alan schlagfertiger als eine geladene Muskete. »Habt Ihr mein Pferd gesehen?« keuchte er. »Nee, nee, wir haben überhaupt kein Pferd gesehen,« antwortete der Bauer. Und Alan nahm sich die Zeit, ihm ausführlich auseinanderzusetzen, wir hätten höchste Eile; unser Rößlein hätte sich losgemacht, und wir fürchteten, es sei auf dem Wege in den Stall nach Linton. Damit nicht zufrieden, fing er an, unter Aufwand des geringen Atems, der ihm noch geblieben war, sein Pech und meine Dummheit, die an allem schuld wäre, zu verfluchen. »Wer nicht die Wahrheit sagen kann,« bemerkte er im Weitergehen zu mir, »sollte stets eine ehrliche, handfeste Lüge bei der Hand haben. Wenn die Leute nicht wissen, was du vor hast, Davie, sind sie verflixt neugierig; glauben sie aber Bescheid zu wissen, dann fragen sie so wenig danach, wie ich nach einem Linsengericht.«

      Da wir zuerst landeinwärts marschiert waren, führte unsere Straße zuletzt fast unmittelbar nach Norden; die alte Kirche von Aberlady war unser Wegzeichen zur Linken, zur Rechten die Anhöhe von Berwick Law; so erreichten wir dicht bei Dirleton die Küste. Westlich von North Berwick bis Gillane Neß liegen in einer Reihe vier kleine Inseln: Craigleich, The Lamb, Fidra und Eyebrough, alle bemerkenswert durch die Verschiedenheit ihrer Größe und Gestalt. Fidra ist die eigenartigste: eine seltsame, graue Insel mit zwei Höckern, die obendrein noch eine Ruine trägt; und ich erinnere mich, die See spähte, als wir uns ihr näherten, fast wie ein menschliches Auge durch die Türen und Fenster dieser Trümmerstätte. Die Leeseite von Fidra bietet bei Westwind einen guten Ankerplatz; und dort sahen wir auch schon von weitem die ›Thristle‹ sich an ihren Tauen wiegen. Die Küste ist gegenüber diesen Inseln vollkommen verödet; nirgends eine menschliche Behausung und nur sehr selten


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