Erziehungskunst I. Rudolf Steiner

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Erziehungskunst I - Rudolf Steiner


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des Geistigen ist, dass wir durch Erziehung fortzusetzen haben dasjenige, was ohne unser zutun besorgt worden ist von höheren Wesen. Das wird unserem Erziehungs- und Unterrichtswesen allein die richtige Stimmung geben, wenn wir uns bewusst werden: Hier in diesem Menschenwesen hast du mit deinem Tun eine Fortsetzung zu leisten für dasjenige, was höhere Wesen vor der Geburt getan haben. Man wird heute, wo die Menschen in ihren Gedanken und Empfindungen den Zusammenhang verloren haben mit den geistigen Welten, oftmals in abstrakter Art um etwas gefragt, was eigentlich als Frage einer geistigen Weltauffassung gegenüber keinen rechten Sinn hat. Man wird gefragt, wie man die sogenannte vorgeburtliche Erziehung leiten soll. Es gibt viele Menschen, die nehmen heute die Dinge abstrakt; wenn man die Dinge konkret nimmt, kann man das Fragen in gewissen Gebieten nicht in beliebiger Weise weitertreiben. Ich habe einmal das Beispiel erwähnt: Man sieht auf einer Straße Furchen. Da kann man fragen: Woher sind sie? – Weil ein Wagen gefahren ist. – Warum ist der Wagen gefahren? – Weil die, die darin sitzen, einen bestimmten Ort erreichen wollten. – Warum wollten sie einen bestimmten Ort erreichen? – Einmal hört in der Wirklichkeit die Fragestellung auf. Bleibt man im Abstrakten, so kann man immer weiter fragen: warum? Man kann das Rad des Fragens immerfort weiter drehen. Das konkrete Denken findet immer ein Ende, das abstrakte Denken läuft mit dem Gedanken immer endlos wie ein Rad herum. So ist es auch mit den Fragen, die über nicht so naheliegende Gebiete gestellt werden. Die Menschen denken über Erziehung nach und fragen über die vorgeburtliche Erziehung. Aber, meine lieben Freunde, vor der Geburt ist das Menschenwesen noch in der Hut über dem Physischen stehender Wesenheiten. Denen müssen wir die unmittelbare einzelne Beziehung überlassen zwischen der Welt und dem einzelnen Wesen. Daher hat die vorgeburtliche Erziehung noch keine Aufgabe für das Kind selbst. Die vorgeburtliche Erziehung kann nur eine unbewusste Folge desjenigen sein, was die Eltern, insbesondere die Mutter, leisten. Verhält sich die Mutter bis zu der Geburt so, dass sie in sich selbst zum Ausdruck bringt dasjenige, was im rechten Sinn moralisch und intellektuell das Richtige ist, so wird ganz von selbst das, was sie in fortgesetzter Selbsterziehung vollbringt übergehen auf das Kind. Je weniger man daran denkt, das Kind, schon bevor es das Licht der Welt erblickt, zu erziehen, und je mehr man daran denkt, selbst ein entsprechend rechtes Leben zu führen, desto besser wird es für das Kind sein. Die Erziehung kann erst angehen, wenn das Kind wirklich eingegliedert-ist in die Weltenordnung des physischen Planes, und das ist dann, wenn das Kind beginnt die äußere Luft zu atmen. Wenn nun das Kind auf den physischen Plan herausgetreten ist, dann müssen wir uns bewusst sein, was eigentlich für das Kind geschehen ist im Übergang von einem geistigen zu einem physischen Plan. Sehen Sie, da müssen wir vor allen Dingen uns bewusst werden, dass sich das Menschenwesen wirklich aus zwei Gliedern zusammensetzt. Bevor das Menschenwesen die physische Erde betritt, wird eine Verbindung eingegangen zwischen dem Geist und der Seele; dem Geist, insofern wir darunter verstehen dasjenige, was in der physischen Welt heute noch ganz verborgen ist und was wir anthroposophisch-geisteswissenschaftlich nennen: der Geistesmensch, der Lebensgeist, das Geistselbst. Mit diesen drei Wesensgliedern des Menschen ist es ja so, dass sie gewissermaßen in der übersinnlichen Sphäre vorhanden sind, zu der wir uns nun hindurcharbeiten müssen, und wir stehen zwischen dem Tod und einer neuen Geburt schon in einer gewissen Beziehung zu Geistesmensch, Lebensgeist und Geistselbst. Die Kraft, die von dieser Dreiheit ausgeht, die durchdringt das Seelische des Menschen: Bewusstseinsseele, Verstandes- oder Gemütsseele und Empfindungsseele. Und wenn Sie betrachten würden das Menschenwesen, das sich anschickt, nachdem es durchgegangen ist durch das Dasein zwischen Tod und neuer Geburt, in die physische Welt hinunterzusteigen, dann würden Sie das eben charakterisierte Geistige zusammengebunden finden mit dem Seelischen. Der Mensch steigt gewissermaßen als Geistseele oder Seelengeist aus einer höheren Sphäre in das irdische Dasein. Mit dem irdischen Dasein umkleidet er sich. Wir können ebenso dieses andere Wesensglied, das sich mit dem eben gekennzeichneten verbindet, charakterisieren, wir können sagen: Da unten auf der Erde wird der Geistseele entgegengebracht dasjenige, was entsteht durch die Vorgänge der physischen Vererbung. Nun wird an den Seelengeist oder die Geistseele der Körperleib oder der Leibeskörper so herangebracht, dass wiederum zwei Dreiheiten verbunden sind. Bei der Geistseele sind verbunden Geistesmensch, Lebensgeist und Geistselbst mit dem Seelischen, das besteht aus Bewusstseinsseele, Verstandes- oder Gemütsseele und Empfindungsseele. Die sind miteinander verbunden und sollen sich verbinden beim Herabsteigen in die physische Welt mit Empfindungsleib oder Astralleib, Ätherleib, physischen Leib. Aber diese sind ihrerseits wiederum verbunden zuerst im Leibe der Mutter, dann in der physischen Welt mit den drei Reichen der physischen Welt, dem mineralischen, dem Pflanzen- und dem Tierreich, so dass auch hier zwei Dreiheiten miteinander verbunden sind. Betrachten Sie das Kind, das hereingewachsen ist in die Welt, mit der genügenden Unbefangenheit, so werden Sie richtig wahrnehmen: Hier in dem Kind ist noch unverbunden Seelengeist oder Geistseele mit Leibeskörper oder Körperleib. Die Aufgabe der Erziehung, im geistigen Sinn erfasst, bedeutet das InEinklang-Versetzen des Seelengeistes mit dem Körperleib oder dem Leibeskörper. Die müssen miteinander in Harmonie kommen, müssen aufeinander gestimmt werden, denn die passen gewissermaßen, indem das Kind hereingeboren wird in die physische Welt, noch nicht zusammen. Die Aufgabe des Erziehers und auch des Unterrichters ist das Zusammenstimmen dieser zwei Glieder. Nun, fassen wir diese Aufgabe etwas mehr im Konkreten. Unter all diesen Beziehungen, welche der Mensch zur Außenwelt hat, ist die allerwichtigste das Atmen. Aber das Atmen beginnen wir ja gerade, indem wir die physische Welt betreten. Das Atmen im Mutterleib ist noch sozusagen ein vorbereitendes Atmen, es bringt den Menschen noch nicht in vollkommenen Zusammenhang mit der Außenwelt. Dasjenige, was im rechten Sinn Atmen genannt werden soll, beginnt der Mensch erst, wenn er den Mutterleib verlassen hat. Dieses Atmen bedeutet sehr, sehr viel für die menschliche Wesenheit, denn in diesem Atmen liegt ja schon das ganze dreigliedrige System des physischen Menschen. Wir rechnen zu den Gliedern des dreigliedrigen physischen Menschensystems zunächst den Stoffwechsel. Aber der Stoffwechsel hängt an dem einen Ende mit dem Atmen innig zusammen; der Atmungsprozess hängt stoffwechselmäßig mit der Blutzirkulation zusammen. Die Blutzirkulation nimmt die auf anderem Wege eingeführten Stoffe der äußeren Welt auf in den menschlichen Körper, so dass gewissermaßen auf der einen Seite das Atmen mit dem ganzen Stoffwechselsystem zusammenhängt. Das Atmen hat also seine eigenen Funktionen, aber es hängt doch auf der einen Seite mit dem Stoffwechselsystem zusammen. Auf der anderen Seite hängt dieses Atmen auch zusammen mit dem Nerven-Sinnesleben des Menschen. Indem wir einatmen, pressen wir fortwährend das Gehirnwasser in das Gehirn hinein; indem wir ausatmen, prellen wir es zurück in den Körper. Dadurch verpflanzen wir den Atmungsrhythmus auf das Gehirn. Und wie das Atmen zusammenhängt auf der einen Seite mit dem Stoffwechsel, so hängt es auf der anderen Seite zusammen mit dem Nerven-Sinnesleben. Wir können sagen: Das Atmen ist der wichtigste Vermittler des die physische Welt betretenden Menschen mit der physischen Außenwelt. Aber wir müssen uns auch bewusst sein, dass dieses Atmen durchaus noch nicht so verläuft, wie es zum Unterhalt des physischen Lebens beim Menschen voll verlaufen muss, namentlich nach der einen Seite nicht: es ist beim Menschen, der das physische Dasein betritt, noch nicht die richtige Harmonie, der rechte Zusammenhang hergestellt zwischen dem Atmungsprozess und dem Nerven-Sinnesprozess. Betrachten wir das Kind, so müssen wir in Bezug auf sein Wesen sagen: Das Kind hat noch nicht so atmen gelernt, dass das Atmen in der richtigen Weise den Nerven-Sinnesprozess unterhält. Da liegt wiederum die feinere Charakteristik desjenigen, was mit dem Kind zu tun ist. Wir müssen zunächst die Menschenwesenheit anthropologisch-anthroposophisch verstehen. Die wichtigsten Maßnahmen in der Erziehung werden daher liegen in der Beobachtung alles desjenigen, was in der rechten Weise den Atmungsprozess hineinorganisiert in den NervenSinnesprozess. Im höheren Sinne muss das Kind lernen, in seinen Geist aufzunehmen dasjenige, was ihm geschenkt werden kann dadurch, dass es geboren wird zum Atmen. Sie sehen, dieser Teil der Erziehung wird hinneigen zu dem GeistigSeelischen: dadurch, dass wir harmonisieren das Atmen mit dem Nerven-Sinnesprozess, ziehen wir das Geistig-Seelische in das physische Leben des Kindes herein. Grob ausgedrückt, können wir sagen: Das Kind kann noch nicht innerlich richtig atmen, und die Erziehung wird darin bestehen müssen, richtig atmen zu lehren. Aber das Kind kann noch etwas anderes nicht richtig, und dieses andere muss in Angriff genommen werden, damit ein Einklang geschaffen werde zwischen den zwei Wesensgliedern, zwischen dem Körperleib und zwischen der Geistseele. Was das Kind nicht richtig kann im Anfang seines Daseins – es wird Ihnen auffallen, dass gewöhnlich das, was wir geistig betonen müssen, der äußeren Weltenordnung zu widersprechen scheint –, was das Kind nicht richtig kann, das
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