Sturmhöhe. Emily Bronte

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Sturmhöhe - Emily Bronte


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schmutzigen Jungen zu nennen. Niemand ermahnte ihn, sich einmal wöchentlich zu waschen. Kinder seines Alters haben meistens eine natürliche Abneigung gegen Seife und Wasser. Sein Gesicht und seine Hände waren furchtbar schmutzig, gar nicht zu reden von dem dichten ungekämmten Haar und der Kleidung, die er drei Monate lang in Schlamm und Staub getragen hatte. Vielleicht versteckte er sich irgendwo, als er ein so liebliches glänzendes Fräulein ins Haus treten sah, statt des erwarteten ungehobelten Gegenstückes zu sich selbst.

      »Ist Heathcliff nicht hier?« fragte Cathy, zog die Handschuhe aus und zeigte Hände, die vom Nichtstun und vom Hausaufenthalt wunderbar weiß geworden waren.

      »Heathcliff, du kannst herkommen«, rief Mr. Hindley. Er freute sich schon auf die Verwirrung des Jungen; es würde ein Genuß sein, diese zerlumpte Gestalt hier vorzuführen. »Hierher und heiße Miß Catherine willkommen, wie das übrige Gesinde.«

      Cathy hatte ihren Freund in seinem Versteck erblickt. Sie flog auf ihn zu und gab ihm sieben, acht Küsse auf die Backe. Dann hielt sie ein, trat zurück und fing an zu lachen: »Ach, du siehst ja schmutzig und verboten aus! Und komisch und grimmig! Aber das ist nur, weil ich an Edgar und Isabella gewöhnt bin. Also, Heathcliff, hast du mich vergessen?«

      Sie hatte Grund zu dieser Frage. Scham und Stolz jagten zwiefach über sein Gesicht. Er stand regungslos.

      »Gib die Hand«, bemerkte Mr. Earnshaw herablassend, »für diesmal sei es dir gestattet.«

      »Ich will nicht«, entgegnete der Junge und fand die Sprache wieder. »Ich will nicht dastehen und mich auslachen lassen.«

      Er wäre aus unserem Kreise ausgebrochen, wenn Cathy ihn nicht wieder festgehalten hätte.

      »Ich wollte dich nicht auslachen, Heathcliff. Es überkam mich nur so. Gib mir endlich die Hand. Du bist recht unfreundlich! Es war nur, weil du so eigenartig aussahst. Wenn du dir das Gesicht wäschst und die Haare bürstest, ist alles in Ordnung. Aber du bist wirklich schmutzig!« Besorgt sah sie auf die schwärzlichen Finger, die sie in der Hand behielt, und auf ihr Kleid; sicherlich würde es durch seine Berührung nicht schöner werden. Er folgte ihren Augen und zog seine Hand zurück: »Du brauchst mich nicht anzufassen. Ich werde so schmutzig sein, wie es mir paßt. Ich bin gern schmutzig und ich will schmutzig sein.«

      Den Kopf vorstoßend, lief er aus dem Zimmer, zum Vergnügen des Herrn und der Frau. Catherine aber war ehrlich verwirrt. Sie begriff nicht, warum ihre Bemerkung einen derartigen Ausbruch verursacht hatte.

      Als ich bei der Zurückgekehrten Kammerzofe gespielt, meine Kuchen in den Ofen geschoben und in Haus und Küche weihnachtlich helle Feuer angezündet hatte, wollte ich mich hinsetzen und ganz allein für mich ein paar fröhliche Lieder singen. Es war mir gleichgültig, daß Josef immer behauptete, meine erbaulichen Weisen klängen wie Gassenhauer. Er hatte sich zu andächtigem Gebet in seine Kammer zurückgezogen, und Mr. und Mrs. Earnshaw beschäftigten das Fräulein mit der Besichtigung kleiner Geschenke, die sie den Kindern Linton zum Dank für die Gastfreundschaft geben sollte. Diese waren für morgen nach Wuthering Heights eingeladen, und Mrs. Linton hatte nur eine Bedingung gestellt: Ihre Lieben möchten sorgsam von dem »fluchenden üblen Jungen« ferngehalten werden. So konnte ich denn für mich bleiben. Ich roch den starken Wohlgeruch der heiß werdenden Gewürze; ich freute mich an den schimmernden Küchengeräten, an der blanken, mit Stechpalmenzweigen besteckten Wanduhr, den silbernen Krügen auf einem Tablett, die fürs Nachtmahl mit Warmbier gefüllt werden sollten; vor allem an der fleckenlosen Sauberkeit meines besonderen Lieblings, des gescheuerten und gefegten Fußbodens. Ich spendete jedem Gegenstand innerlich meinen Beifall. Dann mußte ich daran denken, wie der alte Earnshaw nach solcher großen Säuberung hereinzukommen pflegte, mich ein frömmlerisches Mädchen nannte und mir einen Schilling als Weihnachtsgabe in die Hand drückte. Von dieser Erinnerung wanderten meine Gedanken zu seiner Vorliebe für Heathcliff und zu seiner Besorgnis, man würde nach seinem Tode den Jungen zurücksetzen. Da mußte ich über die Lage des Armen nachdenken, und aus dem Singen wurde Weinen. Aber ich sagte mir bald, ich sollte vernünftigerweise lieber etwas von dem Unrecht gutmachen, statt nur Tränen darüber zu vergießen. Ich stand auf und ging in den Hof, um ihn zu suchen. Er war nicht weit; er striegelte das glatte Fell des neuen Ponys und fütterte wie gewöhnlich die anderen Tiere im Stall.

      Ich sagte: »Beeile dich, Junge. In der Küche ist es gemütlich, und Josef ist oben. Wenn du bald fertig bist, helfe ich dir, dich hübsch anzuziehen, ehe Miß Cathy herauskommt. Dann könnt ihr beisammensitzen und bis zum Schlafengehen recht lange plaudern, der ganze Herdplatz ist für euch.«

      Er fuhr mit der Arbeit fort und drehte nicht einmal den Kopf nach mir um.

      »Komm! Kommst du nicht? Für jeden von euch gibt es einen kleinen Kuchen, aber groß genug. Und du brauchst eine halbe Stunde zum Ankleiden.«

      Ich wartete fünf Minuten auf seine Antwort; dann verließ ich ihn. Catherine aß mit Bruder und Schwägerin zu Abend. Josef und ich setzten uns zu einer höchst ungeselligen Mahlzeit zusammen, die von ihm mit Vorhaltungen, von mir mit Anzüglichkeiten gewürzt wurde. Heathcliffs Kuchen und Käse blieben während der ganzen Nacht auf dem Tisch für die Feen. Er richtete es so ein, daß er mit der Arbeit erst um neun Uhr fertig wurde, und ging dann starr und stumm in seine Kammer. Cathy blieb lange auf, um die vielen Sachen zum Empfang ihrer neuen Freunde vorzubereiten. Einmal kam sie in die Küche und wollte mit ihrem alten Freunde sprechen. Da sie ihn nicht fand, fragte sie nur, was mit ihm sei, und ging zurück.

      Am Morgen erhob sich Heathcliff sehr früh, und da es Feiertag war, ging er ins Moor und trug dort seine schlechte Stimmung spazieren. Erst nachdem die Familie sich in die Kirche begeben hatte, erschien er wieder, und Hunger und Überlegung hatten ihn wohl zugänglicher gemacht. Denn er rief plötzlich, nachdem er eine Weile um mich herumgestrichen war:

      »Nelly, mach mich fein, ich bin wieder vernünftig!«

      »Höchste Zeit, Heathcliff. Du hast Catherine sehr betrübt. Vielleicht bedauert sie, daß sie überhaupt heimgekommen ist. Es sieht ja aus, als ob du neidisch wärst, daß man von ihr so viel mehr hermacht als von dir!«

      Die Annahme, er könne Catherine beneiden, war ihm unbegreiflich; aber daß er sie betrübt habe, verstand er nur zu gern.

      »Hat sie gesagt, daß sie traurig sei?« fragte er mit ernstem Blick.

      »Sie hat geweint, als ich ihr sagte, du seiest auch heut morgen wieder weggegangen.«

      »Schön, und ich habe gestern Abend geflennt und hatte mehr Grund als sie.«

      »Ja, aber nur deshalb, weil du mit hochmütigem Herzen und leerem Magen zu Bett gegangen bist. Hochmütige Menschen schaffen sich selbst Kummer. Wenn du dich jetzt über deine Empfindlichkeit schämst, mußt du auf sie zugehen, wenn sie hereinkommt, und ihr einen Kuß anbieten. Dazu mußt du sagen – ach, du wirst selbst wissen, was. Aber mach es herzlich und nicht so, als hätte sie sich in deinen Augen durch ihre schönen Kleider in eine Fremde verwandelt. Und obwohl ich das Essen vorbereiten muß, will ich dich jetzt so anziehen, daß Edgar Linton neben dir wie eine Puppe aussehen soll; so sieht er auch aus. Du bist jünger, aber bestimmt doppelt so breit und bist größer als er. Ich glaube, du könntest ihn im Nu niederschlagen, was?«

      Heathcliffs Gesicht erhellte sich für einen Augenblick und verdüsterte sich wieder. Er seufzte:

      »Aber wenn ich ihn zwanzigmal niederschlüge, Nelly, das würde ihn nicht häßlicher und mich nicht schöner machen. Ich wünschte, ich hätte blondes Haar und feine Haut und wäre so gut angezogen und betrüge mich so herrlich wie er und hätte Aussicht, so reich zu werden, wie er einmal sein wird.«

      »Und würdest bei jeder Gelegenheit nach Mama schreien und zusammenfahren, wenn ein Bauernjunge dir mit der Faust drohte, und den ganzen Tag im Zimmer sitzen, wenn es regnen will. Oh, Heathcliff, wie kannst du dich als so jämmerlich hinstellen! Komm zum Spiegel und laß dir zeigen, was du dir wünschen solltest. Siehst du die beiden scharfen Linien zwischen deinen Augen und die dichten Brauen, die sich in der Mitte senken, statt sich hoch zu wölben? Und die zwei schwarzen Teufel, die in den Höhlen darunter vergraben niemals offen herausschauen, sondern stets lauern wie Späher? Wünsche dir und lerne, die bösen Falten zu glätten,


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