Der Tommyknockers–Komplex. Andrej Poleev

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Der Tommyknockers–Komplex - Andrej Poleev


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und unbeteiligten Personen auszulöschen. Um das Bild der allgemeinen Verwirrung zu verdeutlichen, kann man darauf hinweisen, daß die Bundeswehr ihre Rekrutierungsstellen in den Gebäuden des Arbeitsamtes unterbringt, so z.B. in Essen, wo die Zentren der gesellschaftlichen Verwirrung, falls noch nicht zusammengelegt wurden, dann mindestens örtlich sehr nah beieinander liegen: Das Arbeitsamt am Berliner Platz, der Konsumtempel am Limbecker Platz, die Ausbildungsstätte der pseudowissenschaftlichen Bürokratie entlang der Universitätsstrasse, und der Strich zwischen Arbeitsamt und Universität. Dieses Durcheinander soll in Kürze noch die Kunstausstellung ergänzen. In dieser eigensinnigen Konstellation äußert sich die Phildisharmonie der Eurobürokratie, die diese Stadt im Jahr 2010 zur Hauptstadt der Europopkultur erheben will.

      Jedes Wort steht im Kontext persönlicher und geschichtlicher Erfahrungen, weckt Assoziationen, ruft Erinnerungen aus. Die Sprache ist untrennbar verbunden mit weiteren, für die Lebenserhaltung unentbehrlichen körperlichen Funktionen: Atmen, Nahrungsaufnahme, Sinneswahrnehmung. Man kann mit Recht von Trophologie oder Sexologie der Sprache reden. Nicht zufällig werden Störungen der Sprachlichkeit und der Sprachwahrnehmung, welche dem Stottern, Tinnitus, Autismus nicht unähnlich sind, durch psychosoziale Konflikte und traumatische Erlebnisse ausgelöst. Das soziale Umfeld bestimmt Sprachentwicklung und Sprachmodus auf entscheidende Weise: Die "Sozialautomaten" tun und sagen das, was von ihnen erwartet wird, im Gegensatz zu Menschen, die in einer permissiven, sprachfördernden Umgebung aufgewachsen sind. Die Exaktheit der Sprache gründet sich in allgemeinem Koordinationsvermögen der Lebewesen, das in Jahrmillionen geübt wurde. Diese Übung formte das Nervensystem, dessen Zentren und Nervenbahnen im Prozess der Vermittlung der Information und der Neupositionierung der Körper, der Verhältnis-Herstellung, immer mehr ausdehnten und perfektionierten. Während Tiere, insbesondere Insekten, sich morphogenetisch und ganzkörperlich zu lebenden Werkzeugen differenzieren, besitzen die Menschen Universalwerkzeuge, ihre Hände, mittels derer jede Bewegung und jede Handhabung realisiert werden können. Die Steuerung dieser Werkzeuge übernehmen die Bereiche des Körpers, die selbst zwar weitgehend unbeweglich bleiben, die aber höchst manipulativ wirken: sein Nervensystem. Das Nervensystem funktioniert als ein Schaltzentrum im Kreislauf der Elemente und interpersönlicher Kommunikation, und erfüllt die Aufgabe, menschliche Existenz im Kontext anderer Lebensformen und Lebensumstände zu erhalten.

      Die Sprache entwickelt sich im Kontext sozialer Koordination als Steigerung der manipulativen und artikulativen Fähigkeiten des Individuums. Reden und Klavierspielen haben in dieser Hinsicht viel gemeinsam. Sowohl Musik komponieren und musikalische Improvisationen hervorzubringen (Klänge erzeugen) als auch schreiben und (vor)lesen sind grundsätzlich gleiche Handlungen und neurophysiologische Vorgänge. Die manipulative, ergreifende und begreifende, d.h. sinngebende Funktion des Nervensystems besteht darin, die Inhalte wahrnehmbarer Umgebung zu selektieren und zu extrahieren, d.h. daraus neurochemisch-kodierte Repräsentationskarten zu bilden, die im Prozess sozialer Interaktion artikuliert werden, in sprachliche Äquivalente übergehen. Die angeborenen equilibrierenden, ausgleichenden und koordinierenden Regelkreise des Körpers werden durch Konditionierung modifiziert. Bei Menschen, im Gegensatz zu anderen Tieren, entwickeln sich zwischen sensorischer Rezeption und motorischer Interpretation noch weitere Interpretationsflächen und Modifikationsebenen, die in sozialem Kontext geprüft werden. Eine der reflexartigen Verhaltensweisen, die Sprachlichkeit, assoziiert Mitglieder einer Population auf einzigartige Weise, ermöglicht interpersönliche und generationsübergreifende Kommunikation und Gedächtniserweiterung.

      Die soziale Desintegration kann als Verlust der Koordinationsfähigkeit, als Ungleichgewicht des sozialen Körpers verstanden werden, in dem das egoistische Verhalten dominant wird. In den Zeiten sozialer Desintegration (Diskrepanz) wird persönliche Zielsetzung (Ich-Fixierung) hervorgehoben und die von anderen verachtet; Menschen beginnen, miteinander zu konkurrieren, einender zu belügen, um sich zu bevorteilen und andere zu benachteilen. Wenn die Lügen die Wahrheitsäußerungen überwiegen, wird der soziale Kontext verfälscht, der gesellschaftliche Zusammenhalt zerstört. Nationalismus, marktwirtschaftliche Konkurenz, Indoktrination, die mit den künstlichen Lichtquellen, unechten Farben und falschen Tönen ausgereizten Empfindungsorgane, vernachlässigte sprachliche Korrektur, gestörte Interaktion haben gleiche Auswirkung auf die Sprache und auf das Verhalten. Die aktuelle Verfälschung der Sprache ist die Folge sowohl sozialer Desintegration als auch der Zerstörung natürlicher Umgebung, die bedrohlichen Ausmaßen annahmen, und müssen rückgängig gemacht werden, andernfalls brechen Bürgerkrieg und weitere Katastrophen aus, falls das nicht gelingt. Die Epidemie der Sprachverfälschung und die Verbrechen der Sprachfälscher müssen institutionell bekämpft werden. Zudem muß die Sprache aus ihren archaischen Formen, aus dem Gemurmel der Erdmännchen, erhoben werden, um eine weitere Entwicklungsstufe zu erreichen, jenseits von Sonnenauf- und Untergänge, politischer Reaktion, Urknall- und Ursuppe-Theorien.

      Das bedeutet nicht die radikale Umformung der Sprache; sie muß sich lediglich von Mißbrauch und Degradierung genesen, in neuen Formen wieder entstehen. Das humoristische Wortspiel ist eine der paradoxen Formen der Sprachverwendung, deren Funktion darin besteht, die Sprache fühlbar zu machen, emotional erleben zu können, aus der Zwanghaftigkeit der konventionellen begrifflichen Zusammenhang auszusteigen, die falsche Logik des scheinbar Notwendigen zu zerstören. Ein Witz ist wie ein Blitz, begleitet von dem Donner des Lachens, er steigt auf die Oberfläche des Bewußtseins aus den Tiefen der untergründigen Erfahrungen, und wirkt wie ein göttliches Schauspiel, bei dem sich die Natur mit den elektrischen Entladungen entspannt. Andere, gleichfalls paradoxe Sprachformen: Lied, Poesie, Schimpf, betonen und bejahen die Lebenslust, dienen emotionaler Äußerung und Entladung. Die Sprache muß das artikulieren lernen, was bis jetzt unausgesprochen geblieben ist: Naturgeräusche, Klang der Stille, Gang der Geschichte. Die von den Wissenschaftlern aufgezeichneten Elektroenzephalogramme und MRT-Bilder sagen nichts über die im Hirn ablaufende Gedanken, Tag- und Nach(t)träume: Sie schaffen lediglich Kunstwerke, die in der Öffentlichkeit als Beweise wissenschaftlicher Kunstfertigkeit ausgestellt werden, um die Fertilität und Kopulationsbereitschaft ihrer Erzeugern zu demonstrieren (zu gleichem Zweck werden Marsmissionen veranstaltet und Berggipfel bestiegen). Die gedanklichen Inhalte, die jeder frei vor sich gibt, werden seltsamerweise in solchen Wissenschaften ignoriert, weil die Komplexität der Sprache, die epigenetische Melodie genetischer Komposition, für den naiven Hörsinn heutiger Wissenschaftler nicht nachvollziehbar bleibt. In technischem Zeitalter liegt die Beweislast bei den Maschinen, die immer komplizierter und leistungsfähiger werden, um die Beweise zu produzieren und bereitzustellen. Einerseits, haben sich die Wissenschaftler aus der Verantwortung gezogen, weil sie ihren eigenen Augen nicht trauen, und, andererseits, wird den Aussagen von Augenzeugen keinen Glauben geschenkt. Dieser Verlust der Unmittelbarkeit, des Vermögens, auszusprechen und aufzuschreiben, was mit eigenen Augen gesehen wird, ist symptomatisch für die Krise des Selbstvertrauens und des Glaubens im Allgemeinen infolge allumfassender Verwissenschaftlichung und Technisierung.

      Der gefühlsreduzierte Mensch.

      Das Leben kombiniert, der Begriff isoliert (extrahiert). Das Denken kann nur abstrakt sein, es vollzieht sich in Begriffen, und Begreifen hat mit ergreifen, anfassen und anfühlen zu tun (es kommt auch darauf an, wie und was man anfasst). Je mehr und mehr Menschen sich in die automatische Umgebung flüchten und dort isolieren, desto mehr verlieren sie unmittelbaren Kontakt zu natürlicher Umgebung, entfernen sich von den Quellen ihrer Existenz, von den Ursachen ihres intellektuellen Entstehens. Distanz zur Natur bedeutet auch die Selbstentfremdung (Georg Hegel), die auch Selbstvergessenheit bedeutet, ein Zusammenhang, der von allwissenden Wissenschaften übersehen wird, weil sie von allgemeiner Gefühllosigkeit betroffen sind. Das einzige "Instrument", das imstande ist, diese Gefühllosigkeit zu verspüren – die menschliche Empfindung – wurde absichtlich aus dem Spiel genommen und kalt gestellt. Die Gefühllosigkeit kann von den gleichgeschalteten Automaten (von Automaten und von automatisierten, gleichgeschalteten Menschen) nicht wahrgenommen und vermessen werden. Die automatische Denk- und Handlungsweise kann die Ursachen ihres Entstehens und Fortbestehens nicht erkennen, weil ihre Funktionsweise vordefiniert ist. In dieser Funktionsweise sind die Gefühle und Empfindungen nicht vorgesehen, werden als Störung empfunden und als Fehler ausgeschlossen. Was nicht erkannt wird, ist auch nicht existent: Nicht zufällig versuchen automatische Systeme, wie z.B. die Berliner Republik, die Bücher zu verbrennen, zu


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