Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriss dargestellt. Rudolf Steiner

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Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriss dargestellt - Rudolf Steiner


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      Aristoteles betrachtet die Welt; er sieht das Sinnvolle der Naturvorgänge; er gibt sich diesem Sinnvollen hin; auch an den Naturvorgängen offenbart sich ihm der Gedanke des »ersten Bewegers« dieser Vorgänge.

      Giordano Bruno kämpft sich in seinem Seelenleben zur Vorstellung der Monaden durch; die Naturvorgänge sind gleichsam ausgelöscht in dem Bilde, in dem unzählige Monaden aufeinanderwirkend auftreten; und Gott wird die hinter allen Vorgängen der wahrnehmbaren Welt wirkende, in allen Monaden lebende Kraftwesenheit. In der leidenschaftlichen Gegnerschaft Giordano Brunos gegen Aristoteles drückt sich der Gegensatz aus zwischen dem Denker Griechenlands und dem der neueren Zeit.

      Auf mannigfaltige Art kommt in der neueren Weltanschauungsentwicklung zum Vorschein, wie das Ich nach Wegen sucht, um seine Wirklichkeit in sich zu erleben. Was Francis Bacon von Verulam (1561-1626) zum Ausdruck bringt, trägt dasselbe Gepräge, wenn dies auch durch die Betrachtung seiner Bestrebungen auf dem Gebiete der Weltanschauung nicht für den ersten Blick hervortritt. Bacon von Verulam fordert, dass man die Erforschung der Welterscheinungen mit der vorurteilsfreien Beobachtung beginne; dass man dann versuche, das Wesentliche von dem Unwesentlichen einer Erscheinung zu trennen, um so eine Vorstellung davon zu bekommen, was hinter einem Ding oder Vorgang steckt. Er meint, dass man bis zu seiner Zeit die Gedanken, welche die Welterscheinungen erklären sollen, zuerst gefasst und dann die Vorstellungen über die einzelnen Dinge und Vorgänge nach diesen Gedanken gerichtet habe. Er stellte sich vor, dass man die Gedanken nicht aus den Dingen selbst genommen habe.

      Diesem (deduktiven) Verfahren wollte Bacon von Verulam sein anderes (induktives) Verfahren entgegengestellt wissen. Die Begriffe sollen an den Dingen gebildet werden. Man sieht so denkt er –, wie ein Gegenstand von dem Feuer verzehrt wird; man beobachtet, wie ein anderer Gegenstand sich zum Feuer verhält, und dann beobachtet man dasselbe bei vielen Gegenständen. So erhält man zuletzt eine allgemeine Vorstellung davon, wie sich die Dinge im Verhältnisse zum Feuer verhalten. Weil man früher nicht in dieser Art geforscht habe, so meint Bacon, sei es gekommen, dass in dem menschlichen Vorstellen so viele Idole statt wahrer Ideen über die Dinge herrschen.

      Goethe sagt Bedeutsames über diese Vorstellungsart des Bacon von Verulam: »Baco gleicht einem Manne, der die Unregelmäßigkeit, Unzulänglichkeit, Baufälligkeit eines alten Gebäudes recht wohl einsieht, und solche den Bewohnern deutlich zu machen weiß. Er rät ihnen, es zu verlassen, Grund und Boden, Materialien und alles Zubehör zu verschmähen, einen anderen Bauplatz zu suchen und ein neues Gebäude zu errichten. Er ist ein trefflicher Redner und Überredner; er rüttelt an einigen Mauern, sie fallen ein, und die Bewohner sind genötigt, teilweise auszuziehen. Er deutet auf neue Plätze; man fängt an zu ebnen, und doch ist es überall zu enge. Er legt neue Risse vor; sie sind nicht deutlich, nicht einladend.

      Hauptsächlich aber spricht er von neuen, unbekannten Materialien, und nun ist der Welt gedient. Die Menge zerstreut sich nach allen Himmelsgegenden und bringt unendlich Einzelnes zurück, indessen zu Hause neue Pläne, neue Tätigkeiten, Ansiedelungen die Bürger beschäftigen und die Aufmerksamkeit verschlingen.« Goethe spricht das in seiner Geschichte der Farbenlehre aus, da, wo er über Bacon redet. In einem folgenden Abschnitt über Galilei sagt er: »Schien durch die Verulamische Zerstreuungsmethode die Naturwissenschaft auf ewig zersplittert, so ward sie durch Galilei sogleich wieder zur Sammlung gebracht: er führte die Naturlehre wieder in den Menschen zurück, und zeigte schon in früher Jugend, dass dem Genie ein Fall für tausend gelte, indem er sich aus schwingenden Kirchenlampen die Lehre des Pendels und des Falles der Körper entwickelte. Alles kommt in der Wissenschaft auf das an, was man ein Aperçu nennt, auf ein Gewahrwerden dessen, was eigentlich den Erscheinungen zum Grunde liegt. Und ein solches Gewahrwerden ist bis ins Unendliche fruchtbar.« Goethe deutet damit scharf auf das hin, was für Bacon charakteristisch ist. Für die Wissenschaft will dieser einen sicheren Weg finden. Denn dadurch, hofft er, werde der Mensch sein sicheres Verhältnis zur Welt finden. Den Weg des Aristoteles, das empfindet Bacon, kann die neue Zeit nicht mehr gehen.

      Doch weiß er nicht, dass in verschiedenen Zeitaltern im Menschen verschiedene Seelenkräfte vorherrschend tätig sind. Er merkt nur, dass er, Bacon, den Aristoteles ablehnen muss. Das tut er leidenschaftlich. So, dass Goethe darüber die Worte gebraucht: »Denn wie kann man mit Gelassenheit anhören, wenn er die Werke des Aristoteles und Plato leichten Tafeln vergleicht, die eben, weil sie aus keiner tüchtigen, gehaltvollen Masse bestünden, auf der Zeitflut gar wohl zu uns herüber geschwemmt werden können.« Bacon versteht nicht, dass er selbst dasselbe erreichen will, was Plato und Aristoteles erreichten, und dass er zum gleichen Ziele andere Mittel gebrauchen muss, weil die Mittel des Altertums nicht mehr die der neuen Zeit sein können. Er deutet auf einen Weg hin, der für die Forschung auf äußerem Naturfelde fruchtbar scheinen könnte; doch zeigt Goethe an dem Fall Galilei, dass auch auf diesem Felde ein anderes notwendig ist, als Bacon fordert. Völlig unfruchtbar muss sich aber Bacons Weg erweisen, wenn die Seele den Zugang sucht nicht bloß zur Einzelforschung, sondern zu einer Weltanschauung. Was soll ihr für eine solche das Absuchen der einzelnen Erscheinungen fruchten und die Bildung allgemeiner Ideen aus solchen Erscheinungen, wenn diese allgemeinen Ideen nicht, wie Lichtblitze aus dem Daseinsgrunde, in der Seele aufleuchten und sich ausweisen durch sich selbst in ihrer Wahrheit? Im Altertum trat der Gedanke wie eine Wahrnehmung in der Seele auf; diese Art des Auftretens ist durch die Helligkeit des neuen Ich-Bewusstseins abgedämpft; was in der Seele zu den Gedanken führt, die eine Weltanschauung bilden sollen, muss wie eine eigene Erfindung der Seele sich ausgestalten. Und die Seele muss sich die Möglichkeit suchen, ihrer Erfindung, ihrem eigenen Gebilde Geltung zu verschaffen. Sie muss an ihre eigene Schöpfung glauben können. Das alles empfindet Bacon nicht; deshalb verweist er zum Bau der neuen Weltanschauung auf die Baumaterialien, nämlich auf die einzelnen Naturerscheinungen. So wenig man aber ein Haus jemals dadurch bauen kann, dass man nur die Formen der Bausteine beobachtet, die verwendet werden sollen, so wenig wird je eine fruchtbare Weltanschauung in einer Seele erstehen, welche sich nur mit den einzelnen Naturvorgängen zu tun macht.

      Im Gegensatz zu Bacon von Verulam, der auf die Bausteine verwies, treten Descartes (Cartesius) und Spinoza an den Bauplan heran. Descartes ist geboren 1596 und 1650 gestorben. Bei ihm ist der Ausgangspunkt seines Weltanschauungsstrebens bedeutsam. Er stellt sich unbefangen fragend der Welt gegenüber, die ihm über ihre Rätsel mancherlei darbietet, teils durch die religiöse Offenbarung, teils durch die Beobachtung der Sinne. Er betrachtet nun weder das eine noch das andere nur so, dass er es einfach hinnimmt und als Wahrheit anerkennt, was es ihm bringt; nein, er setzt ihm das »Ich« entgegen, das aller Offenbarung und aller Wahrnehmung seinen Zweifel aus dem eigenen Entschluss entgegensetzt. Es ist dies eine Tatsache des neueren Weltanschauungsstrebens von vielsagender Bedeutung. Die Seele des Denkers inmitten der Welt lässt nichts auf sich Eindruck machen, sondern setzt allem sich mit dem Zweifel entgegen, der nur in ihr selber Bestand haben kann. Und nun erfasst sich diese Seele in ihrem eigenen Tun: Ich zweifle, das heißt, ich denke. Also, mag es sich mit der ganzen Welt wie immer verhalten, an meinem zweifelnden Denken wird mir klar, dass ich bin. So kommt Cartesius zu seinem Cogito ergo sum: Ich denke, also bin ich. Das Ich erkämpft sich bei ihm die Berechtigung, das eigene Sein anerkennen zu dürfen durch den radikalen Zweifel an der ganzen Welt. Aus dieser Wurzel heraus holt Descartes das Weitere seiner Weltanschauung. Im »Ich« hat er das Dasein zu erfassen gesucht. Was mit diesem »Ich« zusammen sein Dasein rechtfertigen kann, das darf als Wahrheit gelten. Das Ich findet ihm angeboren die Idee Gottes. Diese Idee stellt sich in dem Ich so wahr, so deutlich dar, als das Ich sich selber darstellt. Doch ist sie so erhaben, so gewaltig, dass sie das Ich nicht durch sich selbst haben kann, also kommt sie von einer äußeren Wirklichkeit, der sie entspricht. An die Wirklichkeit der Außenwelt glaubt Descartes nicht deshalb, weil sich diese Außenwelt als wirklich darstellt, sondern weil das Ich an sich und dann weiter an Gott glauben muss, Gott aber nur als wahrhaftig gedacht werden kann. Denn es wäre unwahrhaftig von ihm, dem Menschen eine wirkliche Außenwelt vorzustellen, wenn diese nicht wirklich wäre.

      So, wie Descartes zur Anerkennung der Wirklichkeit des Ich kommt, ist nur möglich durch ein Denken, das sich im engsten Sinne auf dieses Ich richtet, um einen Stützpunkt des Erkennens zu finden.

      Das heißt, diese Möglichkeit ist nur durch eine innere Tätigkeit, niemals aber durch eine Wahrnehmung von außen möglich. Alle Wahrnehmung, die von außen kommt, gibt nur Eigenschaften der


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